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Einschübe und Anmerkungen zu "Fingerübung 1-3"

Der Einschub aus Teil 1) "Zur schriftstellerischen Arbeit 1"

Weil das Schreiben Pflicht ist, und darin ist es Pflicht die Öffentlichkeit zu suchen. Weil ich mich mehr und mehr als "nicht mir gehörend" (sondern der Welt, weil Gott, sodaß ich wie alles Seiende damit in der Welt stehend meinen Ort in Besitz nehme wie erfülle - und damit dann Gott lobe) begreife, setze ich ihn hierher.

Die Frage bei solchen Dingen kann nur sein, an welchem Ort ein Geschriebenes zu stehen kommen soll. Nun, ich bleibe hier beim Blog, meiner "untersten Linie" des Auffangens, dieser Guckkasten-Schaubühne. Die ja ursprünglich überhaupt nur eine Ausgliederung von Dingen aus den Tagebüchern war, die im Grunde nicht persönlichen Charakter hatten, sondern "Stücke" sind. Mit der Zeit, und in den letzten Jahren zunehmend, hat sich aber erstaunlicherweise alles Persönliche zu einem Allgemeinen gewandelt. Und zwar nicht, weil es nicht immer so gewesen wäre, sondern weil ich es mehr und mehr begreifen mußte, daß es so ist, wie ich es für den Schriftsteller mehr vermutete als wußte. 

Weil erst das das Unterscheidungskriterium zu jedem ist, der "auch schreibt." Die Professionalität (unabhängig vom Grad des Könnens, das ist eine ganz andere Diskussion) hängt nicht vom Können ab. So denkt nur der Kleinbürger, der Konventionalist, der nicht zwischen Virtuosität und Kunst unterscheiden kann. Die Professionalität - somit das, was jemand als Lebensaufgabe, als Beruf macht, der auch definiert, was Tagewerk ist, und was nicht, denn nicht jedes Tun ist Arbeit und damit auch ein Werk - ist daraus erkennbar, woran jemand "zu sich kommt". 

Und das wiederum ist daraus erkennbar, wie weit jemand von dem, was seinem Tun entspringt, "überrascht" wird. Weil auch ihm das Schöpferische, das immer aus dem Numinosen einbricht, durch seine Neuheit unbekannt war. Ich lese bei vielen Schriftstellern, daß sie von dem, was sie produzieren, völlig überrascht sind. Sodaß sie zu Zuschauern ihres eigenen Tuns werden.

Der Einschub zu Teil 2) "Zur schriftstellerischen Arbeit 2" 

Ich beobachte täglich diesen Konflikt zwischen dem Lesen und dem Schreiben, der immer schärfer wird. Denn einerseits möchte ich so viel und ständig lesen, so lange ich nicht dazu zu müde bin (was mit den Medikamenten zu tun hat, die ich nehme weil angeblich nehmen muß).

Anderseits begreife ich das Schreiben immer schärfer, fordernder als Pflicht und meiner wahren Aufgabe. Und es scheint tatsächlich fast unerschöpflich, immer wieder, täglich, stündlich, minütlich neu zieht ein Wort das andere, ein Satz den anderen, eine Aussage die nächste aus mir heraus, es ist beinahe unheimlich. Was schafft ein künstlerisches Werk, was hat noch jedes künstlerische Werk geschaffen? Das Hinsetzen. 

Und auch die Pflicht, zumindest einen täglichen Beitrag fürs Blog zu liefern, was ich seit 2007 erfülle, und was die insgesamt etwa 30 dickvolumigen Bände erbracht hat, deren Herausgabe in den nächsten Wochen begonnen haben wird. Dieser Zwang - Freiheit ist immer eine Frucht der Bindung, der Pflicht - war sogar einer der Gründe, warum ich damit begonnen habe, und schon nach wenigen Wochen wurde mir diese Tatsache als Hilfestellung, als Schuhlöffel und als Chance bewußt. Denn nun kamen die Leser, die mir ab und an schrieben. Ich habe sie bald als Hilfe begriffen. Weil mir damit ein Druck aus deren Erwartungen entstand (daß täglich ein Artikel erscheint, aber auch daß die Qualität ein gewisses Niveau erreichen sollte, oder daß die Themenauswahl einer gewissen Interessenslage und -vielfacht entspricht, und wer weiß warum noch) Publikum ist immer ein Teil des Entstehens, egal welchen Werkes. 

Das ist beim Tischler nicht anders als beim Schriftsteller. Und es ist im Theater, am Abend der Vorstellung für den Schauspieler, im Schreiben des Stücks mit dem Premierentermin für den Dichter, nicht anders. Ein kräftiges Vergelt's Gott deshalb dem Publikum!

Der ehemalige Verleger und Eigentümer des Residenz-Verlages Schaffer hat im Gespräch mit mir vor mittlerweile vierzig Jahren erzählt, wie H. C. Artmann, zweifellos ein großer Dichter, seine Werke geschrieben bekommt. Schaffer hat ihn dazu in sein Gartenhaus gesperrt. Dort mußte Artmann dann schreiben, und zwar bis zu diesem und jenem Datum so uns so viele Seiten. Schaffers Frau hat ihn dann mit Wein und Essen versorgt, und das war's. Artmann ist jedesmal fertig geworden. Und er hätte ohne diese "Vergewaltigung" niemals ein Buch geschrieben bekommen, so Schaffer.

Dieser oben beschriebene Druck hat aber auch eine Kehrseite, in der solche Periodika auf ein kategoriales Problem stoßen, und wo die Grenzen fließend sind: So ein Blog erfüllt nämlich fließend einmal eher die Wesenseigenschaften des Journalistischen, eher selten aber die des Dichterischen. Und das ergibt sich schon aus der Zeit, die für einen Artikel verwendet werden kann. Wird er geschliffen und gebürstet und geknetet und "gefoltert" und verdichtet wie ein Gedicht, wie ein Kunstwerk, das nie fertig, sondern nur irgendwann aufgegeben wird, weil jeder nur an einem einzigen Werk arbeitet, zu dem jedes "Werk" eine Vorstufe ist, ein Einblick in eine laufende Arbeit der (wie Gütersloh es so treffend beschreibt) gnadenhalber immer wieder gewährt wird (was man dann "Werke" nennt), ist ein Periodikum nicht von einem einzigen zu füllen, wie das hier der Fall ist. Dann braucht es einen Pool von Zuträgern, die immer wieder die Gewähr bieten, den Tag, die Ausgabe zu beschicken (wie in diesem Fall).

Das Blog zu führen ist deshalb eine Entscheidung (geworden). In der ich versuche - die Betonung liegt darauf: Versuch! - in einer enorm kurzen Zeit ein "Werk" bereit zu stellen. In dem ich somit auch hoch verletzlich und angreifbar bin. Weil es (wie ich wieder bei den Arbeiten zur Herausgabe des ersten gedruckten Bandes XIII,2 gesehen habe) viel Zeit bräuchte, auch Ruhe- und Gärzeiten, Werk für Werk "fertig" zu machen, also deshalb aufzugeben, weil die Arbeiten nach einem neuen generellen Anlauf, also nach einem nächsten Werk verlangen. 

Damit soll nichts pauschal und vorab "entschuldigt" werden, damit will ich mich nicht unangreifbar machen. Das soll und darf nicht geschehen. Aber es sollte beim Beurteilen dieser "Werke" ein wenig mit ins Urteil des Publikums eingemischt werden. 

Aber immerhin gibt es ein Kriterium, das ich aus Erfahrung für mich beanspruche, es ist eine Gabe, die sogar einige meiner Kinder ererbt haben: Daß ich die Gabe habe, so konzentriert arbeiten zu können, daß ich manches Werk in einer extrem kurzen Zeit produzieren kann. Das dann aber sogar bei späterer und distanzierter Betrachtung das strenge Urteil aushalten. Ja, meine allerbesten Werke (darunter das Theaterstück "Keiner hört auf Harvey") sind in unglaublich kurzer Zeit entstanden, und mußten später nur noch ganz geringfügig verbessert werden. 

Sogar als Drehbuchautor für eine "daily soap" im Fernsehen habe ich in einem Rhythmus von zwei, drei Tagen mit insgesamt kaum 4, 5 Stunden manueller Schreibarbeit für eine halbe Stunde fertiger Film, insgesamt 17 Drehbücher (von der Ideenfindung bis zur Verfilmungsreife, also Abgabe) verfaßt. Bei denen ich mich für so manche keineswegs schämen muß, auch wenn das Format beschämend war. Diese Fähigkeit zur schnellen, aber nicht "überhasteten" Arbeit habe ich - nie um Ideen verlegen, Deo gratias! - überhaupt von Jugend an schulen, üben und beherrschen gelernt. 

Ohne nun zu sagen, daß ich ihren Gefahren nicht auch zuweilen erliege, oder meine rein physischen Kräfte (wie in den letzten zwei, drei Jahren durch Krankheit) zu gering sind, sodaß die Konzentrationsfähigkeit, soweit sie körperlich bedingt ist (denn ihrem Wesen nach beginnt sie bei der Fähigkeit, eine Idee zu packen bzw. sich packen zu lassen, ist also auch eine Frage der Hingabe), nicht reicht.

Die Anmerkung in Teil 2)

*Denn natürlich hätte Jesus, wäre er "heute" geboren, nicht das Fischen gelernt, und am Lagerfeuer einen gebraten. Er hätte wohl auch den Zehnfingersatz beherrscht, und gewußt, wie man Youtube bedient und mit dem Auto fährt. Gut, Tischler oder Zimmermann hätte er auch heute sein können, es wäre davon abgehangen, was Josef beruflich macht. Denn seine Identität als Weltfigur hätte Jesus VON IHM erhalten und bestens erfüllt. Wahrscheinlich hätte es nie einen patriotischeren Basken gegeben als Jesus, wäre er in Ajaccio geboren. 

Man muß es deshalb so sagen: Was Jesus heute wäre? Wir wissen es. Wir wissen es aus dem, was UNS an Lebensaufgabe gestellt ist, an der wir - und nur an ihr! - heilig werden sollen.

Die Anmerkung in Teil 3)

*Eine - furchtbare - schauspielerische Übung ist zu spielen, also sich vollumfänglich vorzustellen, man wäre lebendig begraben. Der Schauspieler kann das, ohne Schaden zu nehmen, weil er sich eine geschlossene Welt mit allen deren Bedingungen hineinbegeben kann, in der er dann tatsächlich lebt. Das einzige, was ihn mit der Realität noch verbindet ist ein ganz dünner, aber unzerreißbarer Faden, der am Genick befestigt ist, und an dem ihn dieses kleine "ich", das immer über allem schwebt, sofort wieder herausholen kann. Schauspielerische Erfahrung ist deshalb niemals die Realität des normalen Lebens, sondern eine beherrschte, aber darin wiederum völlig reale Realität.

Der Einschub aus Teil 3) "Geburt als Trauma der Höllenerfahrung"

Aber es gibt noch so eine Situation, die dieser Höllenbedingung gleich, und das ist die der Geburt. Und die kennt (fast) jeder, zumindest aus meiner Generation, denn heute wird tatsächlich (ich konnte es kaum glauben, als ich mit Krankenhausärzten sprach) ein immer höherer Prozentsatz der Geburten per Kaiserschnitt "geholt". 

Was diesen Kindern an Erfahrung mit dem Sein fehlt ist nie mehr nachzuholen: Das Sein (das in der Welt, in der Schöpfung inkarniert ist bzw. wird) ist jedem Menschen vom ersten Moment an nämlich als das erkennbar, was es auch ist: Ein Ort an dem ich Freude erfahre, an dem ich frei sein kann, und ein Ort des vollumfänglichen Daseins. Dazu aber muß man eben "durch den Tod, die Hölle" gehen: Das ist der Weg der Teilhabe am Sein! Somit drückt der Akt der Geburt selbst das Wesen alles Geschaffenen aus, auch in seiner Eigenart, die es erst durch die Erbsünde bekommen hat - Schmerz, Tod.

Aber bei meinen eigenen Kindern habe ich mehrmals gesehen, wie sie durch diesen schmalen Kanal durchgepreßt ans Tageslicht kommen. Und wie ich erfahren habe, waren die Geburten meiner Mutter (also auch die meine) wesentlich schwerer, sodaß es viele Stunden dauerte (bei mir angeblich 14), in denen das Kind nach außen will, aber nicht durch den Kanal kann. Weil die Mutter (naja, man muß es vielleicht einmal gesagt und damit gedacht haben) das Becken, die Zone der Scheide nicht so "entspannen" konnte, daß das Kind genug Druck bilden konnte, um nach außen zu gelangen. 

Bei meinen Kindern mußte einmal "geschnitten" werden, wo also durch einen vom Arzt ausgeführten Einschnitt hin zum Anus die Austrittsöffnung für das Kind erweitert wird. Und notwendig war es vermutlich auch nicht, aber den Ärzten kann man einfach nicht trauen, sie haben nicht einmal mehr die Erfahrung, lauter "Jungspunde". Ansonsten war die Geburt meiner Kinder stets ein kleines Wunder. 

Aber nicht bei den zwölf Kindern meiner Mutter. An einer Tochter, einer meiner ältesten Schwestern, wäre sie sogar fast verblutet. Die steckte 22 Stunden fest, und die Hebamme hatte angesichts des bereits entstandenen Blutverlusts meiner Mutter schon nach dem Priester gerufen. Der auch kam, um ihr die Heilige Ölung zu geben. Alle rechneten schon mit ihrem Tod. Aber plötzlich ... ging das Kind doch durch. Eine Wirkung des Sakraments, ich bin sicher, das ja auch heilt, man unterschätzt es da oft, und das Gebet des Priesters sagt das ja auch: Es möge dich heilen.

Es gibt ja Theorien, die einen Zusammenhang zwischen dem späteren Wesen eines Menschen und seinem Geburtserleben behaupten. Ich meine schon, daß da etwas dran ist. Die Geburt ist schon das erste Trauma - denn sie erfüllt alle Bedingungen, die man einem Trauma zurechnet: Das Erleben der völligen Hilflosigkeit angesichts eines unvermeidlichen, aber unüberwindlichen Feindes, der einem die gesamte Existenz nehmen kann.

Ja, die Geburt ist ein Trauma, keine Frage. Aber ich glaube nicht, daß man heutzutage ein Trauma richtig einordnet. Erstens gibt es im Leben jedes Menschen viele Traumata zu überstehen, ich habe selbst schon mehr als genug erlebt. Aber zweitens und vor allem wird das Trauma (wie alles, was man passiv "erleidet") ins völlig Überdimensionale aufgeblasen weil dramatisiert. Und Dramatisierung ist ein Wesenszug dieser unserer Gegenwart, der die Schmerzgrenze für Leiden immer weiter senkt. 

Damit nimmt man den Menschen aber die Fähigkeit, Leiden, Traumata zu integrieren. Und anders kann man Traumata nicht "aufarbeiten". Das beweisen die Zahlen der "posttraumatischen Störungen", die die Psychologen registrieren. Mit dem Sinken der Schmerzgrenze aber, die ertragen wird ohne daß man zusammenbricht, wird die Welt immer weniger ertragen. Armut ist die Folge, und zwar wirkliche Armut. Aus sich selbst heraus kann so ein (der Illustration wegen sagen wir so) "Wehleidiger" die Welt nicht mehr gestalten, sie gehört ihm nicht mehr. Er muß alles deshalb "erniedrigen", im wahrsten Sinn.