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Sonntag, 14. Dezember 2008

Man merkt die Absicht und ist verstimmt

Immer wieder ist die Decke zu kurz, die William Golding in "Der Herr der Fliegen" über seine Ideengerüste in Handlung und Charakteren geworfen hat, so daß ich der hohen Meinung über dieses sein Buch nicht wirklich beipflichten kann. Golding will eine Theorie darstellen, das merkt man auf Schritt und Tritt, und Figuren wie Handlung dient lediglich der Illustration dieser Theorie: Der Entstehung von totalitären Regimen.

Zwar ist manches an seinen Gedanken, dem man beipflichten kann, viel Wahres über Zusammenhänge von Irrationalem, Bösem und Religion, sowie Vernunft. Aber daß Golding dabei aus der aufklärerisch-rationalistischen Ecke kommt, für die Numinoses generell nicht mehr ist als psychologisch-mechanistisch erfaßbares, weltimmanentes, rein subjektivistischer Schwächeaffekt kann er ebenfalls nicht abstreiten.

Gewiß, das Totalitäre in seiner Zustimmung durch den Großteil der Masse kann sich auf irrationale Ängste berufen, die es kanalisiert, in Gruppenerlebnissen läutert sowie jene als deren Ort der Erlösung erfahrbar macht. Gewiß und sogar möglicherweise ungewollt tiefsinnig auch der erklärte Zusammenhang von Machtusurpation (ungerechtfertigter Aneignung) und Neid, ja Sturz des Vaters. Sehr schön, gewiß, auch die Erklärung des die Gesellschaftsordnung begründenden als wesentlich traditions- und dann tabubestimmt. Aber schon an deren Entstehung aus bloß persönlicher Willkür, aus zufälliger, willkürlicher Wahl von Attributen, die ein irgendwie gewordener Führer festlegt, bricht sich die Theorie, sucht sie sich Fundamente, die nicht halten.

Golding's Immanentismus stört denn also, und vermutlich liegt die letztlich fehlende Glaubwürdigkeit des Buches, die man an der Plausibilität der Charaktere und Geschehnisse mißt, das kaum über einen (wenn auch sehr intelligenten) Traktats hinauskommt, genau darin: daß eine Dimension des Menschen schlicht fehlt, und daß Religion eine Dimension der Wirklichkeit, und nicht einer biologistischen Psychologie ist. Vermutlich bezieht das Werk seinen Ruhm eben nicht aus seinem Rang als Kunstwerk, sondern als Versuch einer Illustration der Metapher einer Theorie des Totalitären.




*141208*