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Mittwoch, 31. Juli 2024

Nicht verstehen wollen = nicht verstehen können (1)

Ich weiß nicht, ob ich über das, was dieser Fernsehbeitrag zeigt, erschüttert sein soll, oder ob nicht etwas Böses, Verlogenes spürbar wird, das diesen Oberst Reisner von der Theresianischen Militärakademie Wr. Neustadt treibt, der ältesten Militärakademie der Welt. In jedem Fall ist die im untenstehenden Video einsehbare Stellungnahme im ZDF entlarvend genug:
Der GESAMTE Westen hat (militärisch) nicht verstanden, was da in der Ukraine abläuft. Er hat die Strategie Rußlands nicht begriffen. Und er hat deren Implikationen nicht begriffen.
Dieses fehlende Begreifen ersetzt Oberst Reisner folgenotwendig durch glatte Lügen, woran das Verstehensdefizit am deutlichsten erkennbar wird. Lügen, in denen er lediglich und durchsichtig die Propaganda des Westens und Zelenskys abliefert, weil er allem voran nicht eingestehen kann, wie es wirklich aussieht. Dadurch würde sein gesamtes Denken zum Einsturz kommen. Stattdessen phantasiert er (wie auch in der Vergangenheit) ständig von Lieferungen von Material, die vom Westen kommen müssen, und die - eiderdautz - immer zu wenig und zu spät sind.  
Was, bitte schön, ist in diesem Ukrainekrieg und nach gut und gerne 500 Milliarden (manche Schätzungen gehen gar bis zu einer Billion, engl. trillion) Dollar Militärhilfe durch andere Staaten - mehr als die Hälfte des US-Militärbudgets pro Jahr, das Sechsfache des russischen, das Neunfache des deutschen jährlichen Militärsbudgets - schon bisher aber nicht zu wenig und zu spät gewesen?
Daß all die Wunderwaffen schon bisher aber fürs Insgesamt bedeutungslos waren, außer einzelnen Anfangserfolgen nichts bewirkt haben, ignoriert er überhaupt. Dabei waren das allesamt Sinnlosigkeiten. Schon weil sich Ru äußerst rasch auf all die vielen Sonder- und Wunderwaffen einstellt, und wirkungslos macht oder gleich ausschaltet. Reisner fällt nicht einmal auf, daß das Fabulieren von den "horrenden Verlusten der Russen" angesichts zu der - erst seit kurzem eingestandenen - mittlerweile überwältigenden Überlegenheit an Material und Menschen in Widerspruch steht.

Und nur zu nächsten Fehlschlüssen führt. So gab es ja lange Zeit die Mär, daß Rußland 97 Prozent seiner Militärkapazität in der Ukraine gebunden hat. Auch das kann also gar nicht stimmen, denn woher kämen sonst diese weiteren zu erwartenden Massen an Menschen und Material, die Reisner anführt? Aber wetten, daß die Märchen, mit denen sich westliche Militärstrategien ihr unerklärliches Versagen im Begreifen des Kriegsgeschehens (das übrigens von einigen bereits eingestanden worden ist) "erklären", wieder nicht stimmen, wieder erweitert werden müssen - allesamt also Verschwörungstheorien erster Güte?

Daß man die Strategie Rußlands im Ganzen sehen muß, daß es diese Trennung von Schlachtfeld und Logistik und Produktionskapazität einer Partei nicht gibt, begreift er nicht. Nicht der Westen, schon gar nicht Reisner. Die hat Europa ohnehin nie begriffen, auch nicht im 2. WK. Und ich meine daß man an der Reisner'schen Nicht-Erklärungspotenz ganz deutlich sehen kann, daß man das bis heute nicht begriffen hat.
Nicht nur militärisch denkt der Westen 200 Jahre zu spät. Wenn der Philosoph Robert Spaemann seine erste wichtige Arbeit mit "Rousseau - der prototypische Mensch der Moderne" nannte, dann ist damit sogar die Erklärung geliefert, warum auch alles übrige europäische Denken 200 Jahre zurückliegt. 
Das heutige Denken der Allgemeinheit ist das Denken Rousseaus, und zwar so präzise, daß man aus dem Staunen kaum herauskommt. Und sein militärisches Denken ist das Denken Napoleons. Zu alt, zu wenig aktuell, und deshalb irrelevant. 
Dasselbe ließe sich zwar auch über die Naturwissenschaften sagen, aber das ist hier nicht Thema. Aber das hier Gesagte erklärt dem Einsichtigen die Rolle der (durch die Charakteristik ihrer Gründung sklerotisierte) USA in der Gegenwart. Wir befinden uns also im Jahre 1776. 
Und der Umstand, daß das dem Zeitgeist so unglaublich, ja abstrus erscheint, erklärt, daß wir uns dort befinden, wo wir uns befinden. Der Geist, der die Wahrheit für absurd hält, ist selber genau das: Absurd.
Wie die USA, die aus ihren Kriegserfahrungen nie begriffen hat, worum es eigentlich geht. Diese Strategie der schnellen Schlachtensiege, der Daueroffensive greift aber nicht, und hat nie gegriffen. Nicht bei Volkskriegen, also seit Napoleon. Auch der hat das nicht begriffen, und darum war er von Anfang an, allen spektakulären Schlachtenerfolgen zum Trotz, zur NIederlage verdammt, weil die Volkswirtschaft Frankreichs zugunsten der Schlachtenführung, die immer offensiv sein mußte, niedergelegt wurde - und ihm damit die Kraft ausgehen MUSZTE.
Man mußte also lediglich geduldig sein, abwarten. Nur war das damals für den Westen (und zwar ausnahmslos) neu. 
Zwar hätte man es nach dem 2. WK begreifen müssen. Aber scheinbar ist das nicht geschehen. Und dieser Repräsentant der militärischen Lehren des Westens (so sehe ich Oberst Reisner, denn ich gehe davon aus, daß er auch die Lehrinhalte und den Erkenntnisstand der MilAk repräsentiert, immerhin ist er Lehrbeauftragter an der österreichischen Militärakademike in Wiener Neustadt, deren Tradition bis Maria Theresia reicht) beweist das. 

Spätestens seit 1955 ist ja Österreichs Militärdoktrin zur Gänze in die NATO-Strategie eingebunden. Was freilich nie offen eingestanden worden ist. Reisner beweist sohin, daß man im Westen immer noch in den Kategorien Napoleons denkt, immer noch von Schlachten träumt, anstatt das Wesen des russischen Abnützungskrieges zu verstehen. 

Denn anders z. B., als Reisner sagt, ist das Defizit der Ukr nicht durch Waffenlieferungen des Westens auszugleichen, sodaß die ständig darauf warten müssen. Anders als Reisner darlegt ist dann nicht "Abnützung", wenn der eine oder andere länger am Schlachtfeld aushält, also eine punktuelle Folge, die mal hier, mal da auftritt. Sondern es ist ein Gesamtkonzept, wo man das Schlachtfeld in unmittelbarem Zusammenhang mit der Volkswirtschaft sehen muß. Das versteht Reisner aber nicht. Die Überlegenheit Rußlands ist NICHT, weil der Ukr Waffenlieferungen fehlen, sodaß deren Zusammenbruch an der Front eine Schuld des Westens wäre. 

Sondern es ist die Überlegenheit der gesamten Volkswirtschaften, die Ru ganz langsam und fokussiert verfolgt hat - und mit der es nun definitiv siegt. Das zeigt sich auch daran, daß Reisner sogar noch von F16 schwanert, ohne zu sehen, daß 30, 60 oder 120 F16 NICHTS ändern würden! Denn Ru produziert ein Mehrfaches an Abwehrraketen und Abfangjägern als der Westen. Das kann gar nicht durch Lieferungen ausgeglichen werden. Es wird also IMMER einen riesigen Mangel an der ukr Streitkraft geben, und der wuchs und wuchs, bis er jetzt so groß ist, daß (das sagt Reisner, aber es bleibt zusammenhanglos) diese nicht einmal aufsteigen geschweige denn in der Schlacht eingreifen können, weil sie sofort abgeschossen werden. Stattdessen phantasiert Reisner von Raketen, mit denen man Rußland in der Tiefe angreifen könnte. Strategisch vollkommen sinnlos, für den Ausgang des Krieges ohne Bedeutung. Mit einem Wort: Reisner hat wie der gesamte Westen das Undenkbare auch tatsächlich so abgesperrt, daß er nicht merkt, wie aussagelos er ist. Er kann nichts erklären, und perpetuiert stattdessen diesen lächerlichen Mythos, daß Ru (wörtlich) keinen Wert auf Menschenleben legte. Nichts aber mehr!

Rußland marschiert nicht deshalb - als Beispiel - so "langsam" vor, weil die Ukrainer sich so phantastisch verteidigen, sondern weil die Russische Armee gar nicht "angreift"! Auch Reisner warte also immer noch auf die große russische Offensive, und erwartet sie also nun für nächsten Winter, denn sie ist ja immer noch nicht erfolgt. 

Sie wird auch nicht erfolgen. Sondern die russische Armee mit ihrer mittlerweile sagenhaften Luftüberlegenheit bomben einfach die ukrainischen Verteidigungslinien so lange nieder, bis die Ukrainer ihre zerlegten Stellungen (das ist der taktische Zweck der Gleitbomben) verlassen und zurückgehen, und so nebenbei riesige Verluste haben. 

DANN dringen die russischen Kräfte vor. Kampflos, gewissermaßen. Nahezu verlustlos. Mittlerweile schätzen sogar westliche Militärstragen (siehe MacGregor) die russischen Verluste auf lediglich ein Zehntel der ukrainischen. Denn wenn stärkerer Kampf droht, ziehen sich die Russen einfach wieder zurück, oder gehen gar nicht vor. 
Aber das begreift Reisner einfach nicht. Es würde aussagen, daß alles, was der Westen noch versucht, sinnlos ist und an der Niederlage der Ukr nichts mehr ändern wird.
Und ich behaupte, daß das in die Schädel westlicher Militärs auch gar nicht reingeht. Denn das kennen die nicht. Die USA haben das auch in Vietnam nicht begriffen, braucht es mehr Beispiele? Alle übrigen der über 70 seit 1945 von den USA geführten Kriege waren völlig atypisch, waren nie wirkliche Kriege, nie gegen wirklich organisierte Armeen geführt. Westliche Militärs kennen nur das übliche Schema. Attacke - Abwehr, und daraus folgend Sieg oder Niederlage. So wird es ja seit zweihundert Jahren praktiziert, und so hat es den europäischen Mächten eine Niederlage nach der anderen eingebracht. Intern und extern.
Man könnte dabei den Europäern zugute halten, daß in diesem Konzept von Krieg noch das Urbild des Kriegers mitschwingt. Jenes mutigen, tapferen Einzelkämpfers, der mannhaft gegen den Feind das Schwert zieht, und sich ohne Ansehung der Todesgefahr in den Kampf wirft. Daß eine Auffassung mitwirkt, die letztlich Europa entstehen hat lassen, die in ihrem tiefsten Kern sohin das Wesen des Christen ausmacht. 
Und die schon Aeschylos in "Die Perser" als Gründungsmoment des Abendlandes erfaßt hat. Als er die Kraft des Individuums als die entscheidende Kulturkraft darstellt, die dem gesichtslosen Massenmenschen des Ostens unendlich überlegen ist (und somit den zahlenmäßig weit überlegenen Persern die Niederlagen bei Marathon und Salamis zugefügt hat.) Dieses Konzept mag tatsächlich den größeren Edelmut verkörpern. 
Aber es war auch abendländisches Denken, das seine Mitte verlor, pervertiert wurde, und die daraus die Strategie des Zwecks, der alle Mittel heiligt, hervorbrachte. Es waren die Schweizer, es waren die Preußen, es waren die Franzosen, die dem Krieg diese Individualkultur nahmen. 
Und es waren die Revolutionäre, die dieses Prinzip ins Selbstbegreifen des Europäers einsenkten, sodaß genau das HEUTE Europa auseinanderreißt. 
Ohne sich freilich von den ersten Prinzipien des Menschseins - das immer ein Menschsein in einer Kultur ist, und hier: Des Abendlands, das nur ein christliches Abendland war und sein kann - lösen zu können. 
Und das ist es dann, was sich in der "westlichen" Militärstrategie in ihrem tiefsten Denkgrund, dem sich keiner entziehen kann, wiederfindet. Und das nun aber im globalen Maßstab gesehen endgültig versagt. Wie sehr versagt, schreibt der Ukrainekrieg lediglich als Menetekel an die Wand. 
Es wird sich bald global und ganz deutlich zeigen, denn die westliche Unterlegenheit ist systemisch. So immanent damit, daß der Westen sie nicht begreift.

 Morgen Teil 2)