Werte Leser, liebe Freunde!
Gewiß, es war eine beträchtliche Gesundheitskrise, die mir das Frühjahr zu einer Phase schwerer Kämpfe gemacht hat. Aber ich glaube, das überwunden zu haben, und ich sehe es an einer wiedergewonnenen Beweglichkeit und Bewegungsfreude, die für meine Verhältnisse beachlich ist, und mir wieder viel und "ganz banale" Lebensfreude von dieser Seite her bringt.
Aber es hängt wohl zusammen - diese Seite war mir recht gleichgültig. Denn seit November vorigen Jahres arbeite ich an einem Manuskript, das mir wahre Freude zuführt. Dabei nahm die Sache einen ganz eigenartigen Verlauf. Ich habe bis Februar an einem Roman geschrieben, der bereits auf 600 Seiten Umfang gediehen war, und dessen Gesamtkonturen bereits deutlich vor mir gelegen sind. Es war das Entdecken von etwas, von dem ich ohne diese Arbeit nichts gewußt hätte.
Und so begann ich auch eine kleine Erzählung innerhalb dieser Erzählung. Sie sollte nur eine kleine Episode werden, ich würde schätzen, daß sie auf 20 Seiten - HÖCHSTENS - angelegt war. Da ist etwas Merkwürdiges passiert.
Eine Figur, die ich als völlig belanglose Nebenfigur angesehen hatte udn erst nur als kleiner Schatten der Erinnerung aufgetaucht ist, auf den ich bislang nicht einmal genau hingesehen habe, begann plötzlich nach vor zu treten. Die Figur hat mich angesehen und ... gepackt. Sie hat mich gepackt, weil ich entdeckt habe, daß SIE es war, die mich seit fünfundzwanzig Jahren beschäftigt hat, ohne daß ich sie beachtet hätte! Denn diese Figur war ... demütig. Und zwar wirklich demütig. Das hat mic mit einem mal faszinier, sodaß ich weiterschrieb udn weiterschrieb, ein Detail ums andere auftauchte, eine Wendung, eine Handlung nach der anderen, bis ich mich im März entschlossen habe, DIESES Buch zuerst fertig zu schreiben.
Dabei hat siuch aus einer 26jährigen Muslima für meine (bereits bestehende) Hauptfigur, die ihr kompliziertes Leben erzählt haben wollte, eine Liebesgeschichte entwickelt, die mich erst überrascht, bald aber völlig in ihren Bann gezogen hat. Je näher ich diese Frau betrachtet habe, je länger ich mit ihr geredet habe, je mehr ich sie kennengelernt habe, desto meht war ich überwältigt von ihr.
Eine Welt autonomer Menschen verliert ihr Weltsein und fällt ins Nichts. Genau das erlebt nun der Westen und jedes mit ihm assoziierte Volk. Unter Berücksichtigung der besonderen Rolle, die die Frau dabei spielt, ist nur noch die Frage zu klären, wo es noch Kulturen und Völker gibt, die jene Frauen hervorbringen, an denen die Welt genesen kann, weil sie vom Eros mächtig bewegt - zu sich berufen wird.Ich spreche hier von den ersten Grundvoraussetzungen des Weltseins überhaupt. Also vom (neuen) Adam und der (neuen) Eva. Die in einem geschichtsbegründenden Akt der Geist Gottes überschattete, und die deshalb mit der Welt schwanger wurde, die sie dann als einzig weltzeugende wie -erhaltende Gestalt gebar. In der erst die Welt aus ihrer Todesspirale aussteigen und ins innertrinitarische Leben wieder eingebunden werden konnte.So wuchs die Episode auf 80, dann 100, dann 120 Seiten (dazwischen fiel ein wahrlich katastrophaler Computerfehler, der mich hunderte Seiten Manuskript gekostet hat, die rettungslos verloren sind), dann 200 Seiten, und dann ... Ich stehe derzeit auf Seite 381, anderen Formatierungen nach sind es sogar 450.
Das neue Buch, an dem ich seither Tag für Tag arbeite, in seiner alle meine Kräfte aufzehrenden Intensivität, überrascht sogar langjährige Freunde. Wie sollte es anders sein, denn auch ich hätte nie vorhergesehen, was daraus geworden ist - und was deshalb aus mir geworden ist. Es ist wahrhaft ein nächster Lebensabschnitt.
Die Geschichte ist seit drei Wochen im wesentlichen "durchgeschrieben". Seither arbeite ich an Details, Glattstrichen, Korrekturen, Streichungen, Ergänzungen (verhexterweise halten sich die Textlängen dabei ungefähr die Waage, ich streiche hier, aber ergänze dort immer ungefähr dieselben Textmengen), also an allem, was es eben an einem so umfassenden Werk zu tun gilt.
Das noch dazu auf eine so ungeplante Weise entstehen hatte wollen (oder sollen?), was ganz andere, neue Arten der Überarbeitung erfordert. Das macht die Arbeit oft recht mühsam und zäh, so sehr ich sie liebe. Aber es war eben nichts geplant, wie man es sonst tut, nichts war vorgezeichnet, sondern alles hat sich "von selbst" herausgetrieben und fortgeschrieben. Das kleine Fischlein steckte in einem größeren, dieses wieder in einem größeren - bis sich zeigte, daß ein Wal an der Angel hing, der an Land wollte.
Sodaß noch mehr wie sonst arbeiten heißt, zu entdecken, was auf geheimnisvolle Wiese "da war" bzw. da ist. Ich muß es nur mit viel Schweiß und Geduld herausmeißeln.
Es ist also kein Thesenroman, weil es keine These gab, die vorausging. Ich bion nur den Figuren nachgegangen, nur ihnen sah ich mich zu Gehorsam verpflichtet.
Umso größer war mein Staunen, als ich mit der Zeit festgestellt habe, daß hinter allem eine These erkennbar wurde, die mir in dieser Form neu war, aber gewaltige Erhellungskraft besitzt.
Wobei mir die gesundheitlichen Hemmnisse insoweit entgegenkommen, als ich zu Pausen gezwungen bin, die aber stets wertvoll sind. Weil sie ausfällen, aussintern, was der Ehrgeiz oder Wille, das Buch fertigzukriegen, schneller machen wollte, viel schneller bewältigt haben wollte.
Nein, sagt da der Körper, genug für heute, morgen geht es weiter. Und dann überlege ich, erlebe daß es dann weiter und weiter läuft. Und wieder kommen neue Aspekte ans Tageslicht, nicht zuletzt und wunderbarerweise während der Hl. Messe, die ich fast täglich besuche und wo ich oft dasitze und dem Textfluß zuhöre, der in mir fließt.
Rettung kann nur durch eine Person kommen. Doch diese Person kann nicht aus der Welt selbst stammen, sondern muß diese Welt in sich und durch sich tragen. Als Gott und Mensch zugleich.
Es ist eine wunderbare Geschichte, das kann ich schon verraten. Nicht nur in meinen Augen. Auch liebe Freunde kennen bereits einige Stellen, und sie sind (ich glaube nicht, daß sie mir etwas vormachen) überaus angetan. Erst gestern habe ich von einem freund gehört, daß er vom Zauber der Figur, um die es vor allem geht, erfaßt wurde, und sie mittlerweile fast so liebt, wie ich es tue.
Aber es wird noch viele Wochen brauchen, bis ich ein Manuskript habe, das erstmals in Gänze und halbwegs paßt, stimmig ist, und vor allem: Das meine Geschichte wirklich erzählt. Dann muß ich wieder Zeit verstreichen lassen, weil es abhängen muß, wie Doderer das nennt, und dann ... ja dann ... werden wir sehen.
Jedenfalls durchlebe ich eine Zeit, die ich seit über einem halben Jahr in einer fast als "Klosteraufenthalt" zu bezeichnenden Weise verbringe. Mit einem recht stabilen Rhythmus aus schreiben - beten, kochen und essen (wenn es nicht zu lästig ist), den Ruhepausen (ich muß leider täglich mehrere Stunden liegen), dem nächtlichen Schlaf und vor allem ... den Träumen. Die dann in den dem anbrechenden Tag hinüer führen.
Der selbst etwas wie ein Traum ist. In dem ich nämlich mit Menschen lebe, die es eigentlich "nicht gibt"- und doch, wenn es etwas gibt, dann ... diese Menschen. Und vor allem diese Frau, die mir schon so mit der Gottesmutter Maria - DER FRAU - verschwommen ist, daß ich beide nicht mehr wirklich auseinanderhalten kann.
Dabei (und von ihr bewegt) geht der männliche Held Phasen und Stadien durch, die alles andere als "heilig" sind. Manchmal verzweifle ich fast, weil ich gewisse furchtbare Passagen schreiben "muß", weil sonst die Geschichte nicht aufgeht. Es sind ja immer auch die Schatten, die die Dinge zeigen. Es braucht oft die Folie der Häßlichkeit und Furchtbarkeit, weil daraus dann ... die Lotusblüte rein aus dem Schlamm emporwächst.
Wer mich kennt weiß ohnehin, daß ich mein Publikum immer durch ein Stahlbad der Realität schicke. Weil ich meine, daß es keinen Sinn hat an "Höheres" zu binden, wenn die Grundlagen, die Basis nicht absolut wirklichkeitsaffin ist. Und die Wirklichkeit, in der wir heute leben, kommt in unsrem Sprach- und Lebensgebrauch nicht einmal mehr in Spuren vor. Also muß auch viel abfaulen und zu Staub werden.
Schon sehr lange bin ich deshalb der Ansicht, daß wir in einer Zeit leben, in der sich Wahrheit als lebendige Entität, als Person, von der faktischen "Realität" nahezu völlig entfernt hat. Als lebten wir in eionem Figurenkabinett der Gespenster, die so ganz anders aussehen als die Substanz, an der sie in einem kleinen Rest noch hängen. Aber nur darauf warten, daß man sie wie Spinnweben wegwischt. Es ist also kaum zu glauben, daß es noch "etwas gibt". Weil wir das Sein nicht mehr sehen. Man sieht aber nur, was man kennt. Es muß dafür aber einen Grund haben.
Morgen Teil 2) Kein Thesenroman. Doch ein Roman mit einer Grammatik.