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Montag, 3. September 2007

Abendrot und Morgendämmerung - Philosophie und Kunst

"Ins Bewußtsein steigt als Bild, was fehlt" - diese meine Feststellung läßt sich in der Geschichte der Philosophie sehr schön nachweisen, wo die größten gesamtheitlichen Systeme zu Zeiten des Kulturverfalls, des Entgleitens und Sterbens der Formen entworfen wurden. Der Leichengeruch unserer Kultur lag somit bereits im Spätmittelalter über den Dächern - so ist Thomas v. Aquin verstehbar, dessen (fälschlich oft positivistisch, ja dogmatisch verstandenes) Denken den Gipfelpunkt menschlicher Vernunft darstellt. Mit apokalyptischer Dimension.

So wird auch verständlicher, was ich über das Wesen des Künstlers und des Philosophen sage - die beide und sehr persönlich "aus dem Zeitstrom Herausgenommene" sind. Indem sie diesen Schritt schaffen, überwinden sie die Zeit in ihrer historischen Problematik und beziehen sie auf das Ewige, immer Gleichbleibende, Prinzipielle, dem alles zugrunde liegt, gerade in dem was Leid verursachte, weil beide in eine konkrete Situation hineingeboren wurden, die sie mit geprägt hat.

Der Künstler selbst überschreitet freilich die reine Analyse des Philosophen, indem er darstellungshaft das Gesicht des Ewigen - das Faktische in seinem Drama, seinem Kampf mit dem um Gestalt ringenden Ewigen - von seinen historischen Schleiern befreiend gebiert. Das gibt ihm in der Tat prophetische Dimension. Und es macht ihn zum Priester der Wahrheit, macht sein Werk zum Pharmakon in der Selbstäußerung auf der Grundlage der absichtslosen Wahrhaftigkeit, der "Figurlosigkeit". Ein Werk, dessen Ursprung aus der Kreuzigung erfließt, die zum paradiesischen Menschen formt, der das der Zeit querstehende Ewige in seiner Spannung zur Geschichte bildenden Zeit in Händen zu halten versucht. Damit zeigt er das wahre Gesicht der Welt und Wirklichkeit, das im Trubel des Lebens, das partielle Interessen von den Menschen einer Kultur fordert, unter Sedimentschichten und Schlacken aus dem Blick gerät.

Sehr schöne prinzipielle Aussagen von Robert Spaemann, die ich in ihrer Übereinstimmung mit meinem Denken nur bestätigen kann. "Man wird wie das, was man anschaut."

 





*030907*