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Montag, 24. Oktober 2011

Sentire ecclesiam

Der jüngst verstorbene Friedrich Kittler bringt es einmal auf den Punkt: die neuen Medien, der Computer, bringt nicht eine Auseinandersetzung mit "Inhalten", sondern mit der Wirklichkeit der Programmierer. Deren Auffassung von Welt und Wirklichkeit übermittelt sich letztlich als Botschaft dem, der sie liest. Die Inhalte sind für Kittler überhaupt nur Schein.

So reduziert sich ihm Kulturgeschichte überhaupt zur Mediengeschichte, zur Medienanalyse. Denn weil der Mensch die Sprache übernimmt, ist sein Denken immer Abbild der Medien, die ihm Sprache vermittelt haben. Deren Gesetzlichkeiten finden sich im Rezipienten als Merkmale seiner Weltanschauung.

Womit sich seine Aussagen zu hohen Teilen mit dem decken, was ich im letzten Jahr vermehrt darzustellen versucht habe: wo ich aus Beobachtungen zunehmend geahnt habe, daß das, was das Internet bei den Menschen auslöst und bewirkt ganz anders gelagert ist, als gemeiniglich geglaubt wird - ein Glaube, der dem Schein auf den Leim gegangen ist, dem eigentlichsten Merkmal des Internet. Des Internet. Nicht des Blog, Twitter, was auch immer.

Vielmehr zwingt sich das Medium die Inhalte unter seine Fuchtel, prägt ihnen ihre Charakteristika auf. Bestimmend wird aber nun die reine Technik selbst, die die Menschen regelrecht ihren Gesetzen gemäß umerzieht - als Technik, nicht über Inhalte, noch einmal sei es wiederholt. Der Rezipient eines Mediums wird in erster Linie von dieser Technik bestimmt.

Umso prägnanter und schreiender tritt die Bedeutung des Kults, der Liturgie in den Vordergrund. Und ich gestatte mir noch die Querverbindung zu Giorgio Agamben, den ich mir zuletzt entdecke: der da vor Augen führt, wie sehr die Dinge IM VOLLZUG erst entstehen (nicht, wie oft abschwächend gemeint wird, quasi posthoc vollzogen, quasi sinnbildlich, aber eigentlich funktionslos dargestellt werden), im Kult, im Prozedere, in der alltäglichen Liturgie. Das Tun des Menschen hebt sich sohin in eine (soll ich sagen: fast? nein, wir sprechen unter Getauften ...) sakramentale Dimension.

Kultur, jedenfalls, ist, was in ihren institutionalisierten Vollzügen auch tatsächlich vorhanden ist. Und völlig deckungsgleich mit dem berühmten "sentire ecclesiam", wird sie so zur pädagogischen Maschine der Tugend - oder des Untergangs.


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