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Donnerstag, 29. August 2024

Luthers social media

Auf der Filmakademie Baden, auf der ich 2010/11 unterrichtet hatte, waren die Studenten im Nachklang an die Nachrichten über Fukushima (das sie für eine Atomkatastrophe hielten, darüber habe ich aber kein Wort verloren, diese Arbeit schien mir über meine Kräfte zu gehen) verzweifelt, weil wir über so viele Dinge nicht informiert würden. Dabei einer Welt ausgeliefert seien, die uns mit einer Welt überwältigt, die nicht der von uns gewollten entspricht. 

Sie haben dann die Meinung diskutiert, ob man nicht die ganze Welt (!) ganz dicht mit Kameras übersäen müsse. Denn DANN würden sie immer über alles Bescheid wissen. 

Ich habe vorsichtig versucht, dagegen zu argumentieren, v. a. weil doch das, was man im Film sehe, überhaupt keine Relevanz habe(n könnte), stieß aber auf taube Ohren. Taub? Mehr, das Bild in den Studenten war im Grunde fertig, nur nicht artikuliert, und ließ keinen Spalt für den Rauch des Zweifels, der Kritik.

Damals hatte ich gerade für Sommerfestspiele (mit Schwerpunkt Medien) in einem Wiener Bezirk ein Konzept eingereicht, in dem ich ein Projekt mit höheren Schulklassen (das Gymnasium um die Ecke meiner damaligen Wohnung in Wien verstand sich als "Medienschule") vorschlug. Ich wollte mit den Jungen einen Tag lang beliebig Aufnahmen im Bezirk machen. 

Dann würde ich ihnen zeigen, wie man aus ein und demselben Filmmaterial nur durch Auswahl und Ordnung (und dann natürlich den Text, dabei insbesonders den Titel, den "Namen", denn v. a. der Name gibt bereits die Deutung vor) völlig konträre Filme (Botschaften) machen konnte. Die Bilder würden alle diese Botschaften "beweisen". 
Ich wollte ihnen zeigen, daß es immer um den Sinnhorizont geht, nie um die "Details". Keinem Ding ist seine Botschaft immanent, "Ereignisse" sind keine Botschaften. Die muß man "machen". 
Mit den Studenten in Baden habe ich (mein Fach war "Moderation") konkret am Fall "Karlich Show" erarbeitet, wie sich durch die Redaktion aus so einer scheinbar alle Seiten zur Sprache kommen lassenden Sendung eine Botschaft machen MUSZ, weil so eine Sendung sonst totlangweilig wird. Die scheinbar so harmlose und "objektive" Karlich Show LEBT von einer jede Sendung gemachten Botschaft. Das zu studieren hatte ich ja hinlänglich Gelegenheit, war ich doch fast ein Dutzend mal als Gast wie als Kandidat im Studiosaal am Rosenhügel in Wien gewesen.

Aber die meisten Studenten haben das nicht begriffen. Und einige hätten eigentlich lieber "gelernt", wie sie sich vor der Kamera verhalten sollten usw. (was ich in zwei Einheiten gestreift habe, die ich einem Kamerafreak überließ.)

Das lernen sie mit links, habe ich ihnen gesagt, denn das meiste macht ohnehin die Kameraperspektive, und damit die Regie. Auch DIE hat aber eine Botschaft, die sie via Regie (mit der Unterabteilung Bildregie) mit den Bildern "beweist". 

Und Karlich HAT eine Botschaft, obwohl sie so tut als ob nicht. Sie lebt davon, daß man ihr den Mythos abnimmt, daß sie keine Botschaft hat.
Moderation heißt aber, so meine "Lehre", die ich vorgetragen habe, daß der Moderator fähig ist, eine Botschaft zu formen. Dazu muß er dann die Gespräche so leiten, daß die Kandidaten die notwendigen "Details" liefern.
Dazu habe ich ihnen das Gerüst des aristotelischen 3- oder 5-Akters beigebracht, denn die Karlich Show funktioniert genau nach diesem Schema. (Das so nebenbei das Entfaltungsschema der Welt in der Zeit ist.) Das habe ich ihnen durch Videoaufnahmen von Karlich Shows bewiesen, man muß nur wissen, wonach man suchen muß.

Aber natürlich habe ich damals noch nicht gewußt, was die KI (bzw. eigentlich nur die heute gewaltig höhere Leistungsfähigkeit der Computer und Prozessoren) bedeutet. Die JEDES Bild als Wahrheitsträger endgültig entwertet (und ... immer eine Botschaft "macht".) Zukünftig werden wir uns nie mehr sicher sein können, ob das was wir sehen, ÜBERHAUPT einer Realität entspricht.

Was übrigens noch nicht einmal etwas sagt, ob das fertige Produkt nicht vielleicht WAHRER ist als die faktische Realität. Denn das ist auch das Kriterium jeder Dramaturgie, und die Aufgabe jeder Kunst: Wahrer zu sein als die faktische Realität (im Rahmen der herrschenden, allgemeinen gesellschaftlichen Erzählungen.) Wahr ist die Botschaft, nicht das "Bild".

Und dieses Video beweist das.


Ich habe dort übrigens nach einem Semester die Segel gestreift. Weil ich erkannt habe, daß es nichts bringt, wenn man noch so gute Inhalte vermitteln will, weil der einzelne Vortragende ZUERST seine Autorität von der Autorität der Institution (die Filmakademie Baden war ein privates Unternehmen) bezieht. Wenn die (wie in dem Fall) einen "wenig autoritativen" Ruf hat, kann man sich den Arsch aufreißen und noch so beliebt sein (wie ich war), man kann nichts vermitteln. Die Studenten nehmen nichts an. Und ich habe später im Gespräch mit Dozenten an Hochschulen diese Tatsache bestätigt gefunden.

Aber das Problem liegt nicht in den Dozenten begründet, sondern in der Stellung, die die Schule/Akademie/Hochschule selbst einnimmt. Also im Verhältnis, das die Studierenden zu dieser Einrichtung haben, und wie sie an das herangehen, was sie dort gewinnen könnten. Dazu gäbe es viel zu sagen, ich beschränke mich aber darauf, daß ich dieses Verhältnis als "gestalthaft leer" bezeichne.

Natürlich habe ich versucht, diese Leere der Hülle durch besondere Bemühung, durch das Herausarbeiten der Vorlesungen zu "Ereignissen", zu kompensieren. Bis ich gesehen habe, daß das nicht geht. Ich kann so tun, und die übrigen Vortragenden taten so, aber wirklich vermitteln kann man nichts. Dazu hätte ich das Wesen des Lehrens aufgeben müssen.

Das braucht Autorität, die meine übersteigt. Die bestimmt, ob und was die Studenten aufnehmen. Alles andere ist quasi "Zeitvertreib". Ich habe aber viel dort erkannt, das war wohl der Sinn des Ganzen für mich. 
Aber auch dort habe ich gesehen, daß eine längst gemachte Grundsatzerfahrung einfach immer gilt: Man kann kein System "von unten aus" bestimmen, schon gar aber nicht ändern.
Für mich ist die Kernfrage unserer Kultur/Gesellschaft(en) die nach der Autorität. Denn Erkenntnis ist Seinsübergang, nicht das oder das Ergebnis aus dem, was wir als "Diskurs" bezeichnen. Erkenntnis ist dann das Wirk-same, weil es auf der Ebene der Wirklichkeit steht. 

Abre darin wird das Wort "Wahrheit" vollkommen falsch verstanden. Sie wird als Frage der Richtigkeit behandelt. Aber ohne das persönliche (und damit hierarchische, autoritative) Verhältnis zum Erkenntnisträger (-vermittler, also GEBENDEN, also persönlichen Träger, immer also inkarniert, fleischliche Gestalt) gibt es gar keine Wahrheit. Was im letzten natürlich in Christus beginnt wie endet. Nur so ist begreifbar, daß alles in Gott ist und an ihm (Christus) hängt. Nur in diesem persönlichen Verhältnis läßt sich überhaupt das Wesen der Erlösung durch Jesus Christus verstehen.

Nimm nur das gestrige Tagesevangelium, und an Belegstellen aus der Heiligen Schrift ließen sich viele viele weitere heranziehen. Es ist wie die Bestätigung für diese auch im banalen Leben gültige und zu findende Wirklichkeit. Nicht das Detail, das konkrete Opfer, sondern der Altar ist es, um den es geht. Der Geist macht lebendig, nicht das Fleisch.

Für mich ist aus dem Gesagten der Ansatz von Bedeutung, wie ich auch die Medien - alle, Mainstream wie alternative Medien, aber noch mehr die MedienMITTEL, im besonderen die social media - danach zu bewerten habe.

Oder, anders und zur Illustration gesagt: Luther war eine Folge der Entwicklungen in den Medien (Druck), nicht die Ursache. Seine Hauptsünde ist, daß er auf diese Ebene gestiegen ist, und sich fortan alles auf dieser Ebene abgespielt hat. Luther ist der wirklichen Auseinandersetzung damit entflohen. Er war ein Symptom von Bewegungen, die viel mächtiger und ursächlicher, ursprünglicher waren als er. 

Diese Wellen hat er dann ausgenützt, und zwar ganz persönlich, und so getan, als wären diese bewegten Oberflächen dann die eigentliche Ebene. Ich nehme Luther, weil ich meine, daß seit dieser Zeit unsere ganze Kultur (als Gestalt einer Gemeinschaft von Menschen) wie ein Luftballon aufgestiegen ist und sich vom Wirklichen abgelöst hat.
Deshalb weiß ich noch nicht, wie ich die Bestrebungen einschätzen soll, die versuchen, diesen Luftballon wieder einzufangen. Durch Zensur, Beschränkungen der social media usw. Aber da geht es nicht um "Inhalte", sondern um die Betätigung. 
Das heißt, daß die Lizenz sich in den Medien zu betätigen nicht von den Inhalten abhängt, sondern von Fragen der Betätigung selbst, als Konsument wie als Macher (wobei diese Ebenen ja verschwimmen, und das alleine zeigt schon viel.)

"Die Frau schweige in der Versammlung," nur als weitere Andeutung.

Die Selbstermächtigung, sich die Information zusammenzusuchen und zu bewerten, die man selbst sucht und findet, ist schon die Aporie zum Wesen der Erkenntnis. Unabhängig davon, daß auf der Naturebene natürlich die Einwirkung von Autorität beim Informationssuchenden eine große Rolle spielt.

So nebenbei hat die Politik (als politische Absicht) selbst den Geist aus der Flasche gelassen, weil sie (oder einzelne Gruppen, ich meine: die in der Minderheit, die die Mehrheit bzw. die Macht selber wollten) ihn als nützlich sah, und versucht jetzt panisch, ihn wieder dorthin zurück zu stopfen. Und steht in der Aporie, daß genau dieses Freisetzen des Geistes auch der Mechanismus ist, dem sie in der Demokratie die Macht verdankt. 
Das wird nun über die Inhalte versucht. 
Wie sich Politik überhaupt - als Methode, die Macht der Familienstruktur einer monarchischen Gesellschaft zu brechen, das heißt eigentlich, den familiären Beziehungen zu entfliehen, weil sie sich darin keinen Weg sah, die Macht selbst zu besitzen - als auf Inhalte ("Fähigkeiten", was nur technizistisch zu verstehen ist) bezogen definiert. Was einer magischen (und immer irrationalen) Auffassung entspricht.

Die das Problem evoziert, daß es ihr an dem mangelt, was Politik überhaupt erst mit Sinn erfüllt - Autorität, und zwar "natürliche" Autorität. Also Autorität, die in der Natur des Menschseins wurzelt. Die nicht aus der Gewalt erwächst, die die Politik in der Demkratie mit deren Dauer immer mehr als Mittel einsetzt, sondern im Gegenteil: Mit deren Fortdauer als Bindemittel für einen gesellschaftlichen Körper mit dem natürlichen Empfinden der Menschen in ein immer größeres Spannungsverhältnis gerät.