Golo Mann stellt in "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" die Frage, ob das alte Preußen nicht ein Staat war, der sein Volk gesucht hat. Um nicht zu sagen: dem es egal war, welches Volk er regierte.
Ähnliches könnte man sich fragen, liest man die Titelschlagzeile einer gestrigen Wiener Gratiszeitung: 92% der Unverheirateten Österreichs lehnen Ehe aus Angst vor den Folgen ab. Stellt man dem die Ergebnisse der Werteumfragen der letzten Jahre, ja Jahrzehnte gegenüber, so fällt auf, daß eine gelungene Ehe und Familie in den Wunschvorstellungen der jungen (unverheirateten) Menschen Österreichs an erster Stelle steht. Man damit am meisten den Wunsch nach einem gelungenen und glücklichen Leben verbindet.
Denn dann darf man sich fragen, welche Umerziehungsweltmeister da in den letzten Jahrzehnten am Werke waren, wenn sie genau das, was die Menschen am meisten wollen, so erfolgreich (um)gestaltet haben, daß es keiner mehr realisierbar sieht. Das gesagt, auch wenn man Aussagen wie genannte mit vielen "naja's" versehen kann.
In jedem Fall dürfen sich andere ebenfalls Weltmeister nennen - die Gelingen von Ehe und Familie immer noch, ja noch mehr denn je, fast ausschließlich mittlerweile, von subjektivem Moral- und Wertebemühen abhängig machen. Oder Gnade des Standes als Gutschein für Dauerwunder betrachten, sonst ist ihr Verhalten nicht nachvollziehbar.
Aber was kümmert's die Generationen der Beamten und Wohlstandseinbetonierten, daß mit so geringer Ehewilligkeit Verkaufsverhandlungen um diesen Staat und sonstige Institutionen geführt werden sollten, solange er noch was wert ist. Ohne Volk ist er's nämlich eines Tages nicht mehr.
Dann wird er sich ein nächstes Volk suchen, das ihn ernährt.
*220708*