In den Duineser Elegien setzt Rilke sich mit einem Zustand auseinander, in den die Figurlosigkeit des Künstlers einerseits zwangsläufig mündet, zugleich aber, in welchen Konflikt es gerade durch seine höchste geistige Möglichkeit gerät. Traurig und resigniert nimmt er zur Kenntnis, daß das Menschsein in ihm noch immer so weit lebt, als es ihm Fesseln auferlegt, die das Aufsteigen eines Teils seiner Selbst, der ihm das Eigentlichere scheint, hindert: dem alle Süße entsteigt, die dem Kosten einer Welt entspringt, die uns so offen scheint, und die wir doch nur je durch Fenster erblicken können.
Zwischen Engel und Tier - der Mensch.
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Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,
kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,
Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen
nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;
das was man war in unendlich ängstlichen Händen,
nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen
wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.
Seltsam, die Wünsche nicht weiterzuwünschen. Seltsam,
alles, was sich bezog, so lose im Raume
flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam
und voller Nachholn, daß man allmählich ein wenig
Ewigkeit spürt. - Aber Lebendige machen
alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.
Engel(sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter
Lebenden gehn oder Toten.
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(aus: Duineser Elegien - Die erste Elegie)
Heißt Künstlersein: Auch kein Engel sein zu wollen? Oder mehr: nicht nur Engel sein wollen? Ja: nicht dürfen!
*120908*