Es schaudert einen, angesichts einer Dimension der Folgen der Lüge, die sich auf den Angelogenen und sein gesamtes Lebensfundament bezieht:
Die Lüge untergräbt im Angelogenen (langfristig auch beim Lügner selbst, denn diesem fehlt zunehmend das Vertrauen in den anderen) auf zerstörerische Weise das Vertrauen in das Sein. Weil es das Wissen, die Vernunft in einen Zwiespalt mit dem Wahrgenommenen bringt.
Sohin beginnt der Angelogene, an seiner Wahrnehmung zu zweifeln, und stürzt fast unabänderlich in Wahn.
Gegenwehr gegen die Lüge - als Gegenwehr gegen den Lügner - ist nur möglich, indem dieser generell aus dem Wahrnehmungskreis ausgeschlossen, also ignoriert wird. (Was manchmal nicht einmal möglich ist - man denke an vom Lügner abhängigen Kinder, denen bestenfalls die Flucht in "Separatwelten" möglich ist.) Der Lügner verbreitet somit Wahn und Verzweiflung am Gut der Welt, der ein Gut nur noch mit Gewalt entrissen werden kann. Während - zugleich mit dem Verlust des Selbststandes, der Abhängigkeit also - die Angst vor dem eigenen Handeln wächst, weil dessen Folgen in keinem Zusammenhang mit der eigenen Vernunft stehen.
Verankert sich dieser Mensch nicht - gnadenhaft - in einer immer weitergehenden Hingabe an Gott selbst, die auf alles Gut der Welt verzichtet, zugunsten der späteren Welt. Dann ist die Lüge des anderen auch mit einer Prüfung zu vergleichen, in der Gott die Welt der Methode und Technik entreißt, um den personalen Charakter der Kommunikation (Welt IST Kommunikation Gottes mit den Menschen) auszuschmelzen. Wobei der einzige Rückzugspunkt noch ... A-Figuralität ist. Wie beim Künstler, beim Priester, beim Philosophen.
In Anklängen findet sich dieser Gedanke im "Josef", dem Alterswerk des Thomas Mann, von dem Golo Mann meint, es sei dessen Entscheidendes, dargestellt: als Jaakob vom (angeblichen) Tod des Josef (durch wilde Tiere) erfährt. Als Zweifel, ob Gott die Welt noch nach Vernunft und Weisheit lenkt, ja ob er sie überhaupt noch beherrscht. Indem das reale Geschehen alles, was Gott gesagt hat, widerlegt. Jaakob sieht es wider die Abmachung Abrahams, dessen Bund mit Gott. Im letzten bleibt ihm sohin nur noch der völlige Weltverzicht.
*030908*