Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 23. September 2008

Wiederkehr der "nuclear primacy"

Die USA wären durch die Stationierung eines Raketen"abwehr"systems in Polen und der Tschechei erstmals seit den 1950er Jahren (erst da hatte die Sowjetunion den Rückstand in der nuklearen Rüstung aufgeholt) militärisch wieder in der Lage, einen erfolgreichen nuklearen Erstschlag gegen Rußland durchzuführen. Deshalb war, was für Europa überraschende Aggression war - die russische Aktion im Kaukasus der jüngsten Zeit - für Rußland ein Befreiungsschlag! Rußland hat so seinen Einfluß am Kaukasus lediglich behauptet, fühlt sich psychologisch bedrängt und militärisch eingekreist.

So Militärexperten im Hessischen Rundfunk. Unter diesem Gesichtspunkt und Zusammenhang müsse man auch die Reaktion Rußlands auf einen Nato-Beitritt der ehemaligen "Satelliten" sehen, womit die Nato erstmals direkt an den Grenzen Rußlands stünde. Dies muß Rußland als Aggression werten, weil es die eigene Position im Eventualfall schwächt! "Strategisch hat, wer Mitteleuropa kontrolliert, den gesamten eurasischen Raum im Griff. Wer die Ukraine kontrolliert wiederum hat den Kaukasus - neuralgischer Energieversorgungspunkt Europas - in der Tasche," so ein britischer Militärstratege. Die EU bräuchte nur die Türkei und die Ukraine integrieren - schon wäre es strategisch Sieger.

Vielleicht sollte man an dieser Stelle auch die Prämissen des "Kalten Krieges" erinnern: der nominelle "Friede" beruhte darauf, daß keine der Weltmächte (die weitgehend mit den Mächten mit atomarem Rüstungspotential ident waren, also Rußland, USA und China) in der Lage gewesen wäre, einen atomaren Krieg zu gewinnen, weil kein Land einen erfolgreichen nuklearen Erstschlag hätte führen können: die Reaktionsfähigkeit des Gegners wäre immer noch so weit vorhanden gewesen, als der Zweitschlag den Angreifer in selbem Maß getroffen hätte.

Ein deutscher Rußland-Experte: "Es ist nicht die Spintisiererei eines Putin oder Medwedjew,  sondern die Meinung der Menschen in Rußland: Man fühlt, denkt europäisch, fühlt sich aber durch NATO und EU aus Europa ausgegrenzt. Deshalb die Annäherungen an Asien, die rein strategischer Natur sind."

Dazu noch ein weiterer Hintergrund: die Ölreserven in der Nordsee gehen in absehbarer Zeit zu Ende. Die Abhängigkeit Europas von eurasischen bzw. russischen Energielieferungen wird in jedem Fall weiter steigen. Ersatzlieferanten wie der Iran sind aber für die USA strategisch unerwünscht.

Gleichzeitig würde eine Forcierung der Ölversorgung über die Ostsee oder Polen/Weißrußland Europa von den von den USA kontrollierten Energieversorgungslinien in Eurasien unabhängig (und damit den Einfluß der Amerikaner zunichte) machen ...
"Geopolitisch könnte man die Frage stellen, ob nicht der wahre Konflikt zwischen der EU und den USA besteht: um die Rohstoffversorgung der Zukunft! Die USA hat bereits einmal - in den 1930er Jahren: JAPAN - einem Konkurrenten die Rohstoffversorgung abgesperrt!"

Zur Erinnerung ein paar Stichworte: Weltwirtschaftskrise - New Deal (USA) ... Wir haben uns auf eine seltsame Weise angewöhnt, insofern wirklichkeitsfremd zu denken, als wir aus unseren Urteilskriterien ausschließen, was aber sehr rasch eintritt: daß nämlich ein Entscheidungsträger, ein Land, relativ rasch unter das Gesetz des geringeren Übels kommen kann, und im Sinne eines Überlebens als Gesamtes auch eine militärische Krise riskiert. Man nennt das: Realismus.

Gerade die jungen Menschen Europas scheinen fest überzeugt zu sein, daß ein Krieg nur eine Frage einer kontrollierbaren Moral - und damit sowieso: der anderen - mit einem klar definierbaren Bösen sei.



Wir haben jeden Gedanken, jedes Gefühl dafür verloren, wie sehr die Geopolitik seit über zweihundert Jahren klare Fragestellungen aufgedrängt hat, mit denen wir heute nicht minder als damals - nur in anderen Stadien der Entwicklung - zu tun haben. Und die uns heute bestimmen, wie auf die historischen Entwicklungen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts viel Licht werfen.




*230908*