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Donnerstag, 5. Juni 2014

Ende der Fahnenstange

Tja, da hört es eben auf. Da sendet die Agenda Austria einen ihrer manchmal recht brauchbaren Rundbriefe aus. In denen zwar richtig aufgezeigt wird, daß die Lohnsteuern in Österreich nur ein Drittel der staatlichen Einnahmen, die Sozialabgaben aber fast die Hälfte ausmachen (den Rest füllen Konsumsteuern wie Mehrwertsteuer auf) - aber greift tüchtig in den "Gatsch", wenn sie deshalb vorschlägt, die Krankenvorsorge auf Konkurrenz aufbauen. 

Einen Mythos durch einen anderen ersetzen? Wie das? Denn Krankenfürsorge ist niemals ein Objekt der Konkurrenz. Er ist eine Sache der Nächstenliebe. Und deshalb - und DAS ist der Krebsschaden, der sich auf Bismarck zurückführt - darf Krankenfürsorge auch nie Gegenstand von Konkurrenz- und Gewinndenken sein. Denn Nächstenliebe ist immer persönlicher Akt. 

Deshalb kann es eine Gesundung der Sozialsysteme nur geben, wenn die Sozialität gewissermaßen auf Personen - und auf eine sittliche Leistung, die auch verweigert werden kann! - zurückgeführt, und das heißt: zerschlagen, auf Lokalität, bis auf die Gemeindeebene - keine historisch ältere Stadt, die kein Armenhaus, kein Bürgerspital gehabt hätte - zurückgeführt wird. Bei allem Versagen, das hier im Versagen des einzelnen Menschen begründet liegt. Anders geht es eben nicht. Nach wie vor versagen die Menschen, aber im Gesamtsystem potenziert wirkt es sich auch noch doppelt und mehrfach aus. So ist eben das Leben, so sind die Menschen - man muß mit Versagen leben. 

Alle Versuche, die Unmenschlichkeit der Einzelnen auszuschalten, durch System, im Namen einer Idee, sind nicht nur längst gescheitert, sondern produzieren noch mehr Unmenschlichkeit. Und, erstaunlicherweise: mehr Kosten. Verluste drücken immer eine falsche Gewichtung von realen menschlichen Verhältnissen aus.

Bereits jetzt ist die Explosion der Krankenfürsorgekosten auf eben dieses Geschäftsprinzip zurückzuführen, zumindest: zum großen Teil. Operationen, die ausgeführt werden, um den Kostendeckungsbeitrag des Krankenhauses zu steigern, sind nach neuesten Untersuchungen in Deutschland zu mindestens einem Drittel unnotwendig und medizinisch fragwürdig. Und wir wollen hier gar nicht in die Tiefe gehen, oder gar in die Thesen der Schmerzvermeidung um jeden Preis, denn da würde sich noch so manches aufdecken, über das zu reden schmerzhafter ist - als es einfach ... zu tun, weil es aus der menschlichen Logik. (der MENSCHLICHEN) erfließt.

Hier plötzlich in eine mythisch-vernebelte Utopie auszuweichen ist nur noch lächerlich, werte Herren. Deshalb kann auch das Konzept der Überregionalisierung, noch weit mehr Entkoppelung von Erfahrung der Zusammenhänge von Beitragszahlung und Sozialmaßnahme, und deshalb auch die von Euch propagierte Zusammenlegung der Sozialversicherungen nicht greifen, im Gegenteil: noch mehr Regionalisierung ist notwendig, will man zur Gesundung des Landes beitragen. Der Arzt, der Krankenhausbetreiber muß es mit einem persönlichen - und das heißt: von Personen getragenen - Anliegen zu tun haben, nicht mit einer per staatlich festgelegten Abrechnungstarif verrechenbaren Geschäftsleistung. Und schon gar nicht ist Krankenfürsorge "vergleichbar", als kaufte man einen Laptop bei MediaMarkt oder Saturn.

Und Krankenvorsorge heißt auch nicht, um jeden Preis Schmerz zu vermeiden. Hier hat die Palleativ-Medizin übrigens ein erstaunlich unversorgtes Sinnloch.




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