Es ist nicht möglich, schreibt Ortega Y Gasset, das menschliche Denken (weil: überhaupt den Menschen) aus seiner Geschichtlichkeit lösen zu wollen. Denn es bleibt auch in der Reflexion zeit- und damit und vor allem ortsgebunden. Nicht also gilt "cogito ergo sum" des Descartes, sondern "sumus, ergo cogitamus": erst SIND wir, und deshalb denken wir auch. Aber dieses Denken bleibt in seiner Weise immer naiv an die begegnende Welt gebunden, steht mit dieser in einem Dialog, der in Haltungen, Überzeugungen wurzelt.
Deshalb ist dem Menschen das "absolute Denken" gar nicht möglich. Er selbst ist vielmehr nur aus seinem Insgesamt heraus zu verstehen - aus seiner ontologischen Situation, die eine des Lebens ist. Und die es aus den bloß faktischen Vollzügen herauszulösen gilt.
Die absolute Gewißheit aus dem Denken heraus ist dem Menschen unzugänglich. Wo er das glaubt - also: zu glauben vorgibt - versucht er etwas anders damit zu bewirken. Er findet sich aber immer an jenes Licht gebunden, das ihm das Geglaubte spendet, und deshalb offenbart sich im Reden und Denken des anderen auch, wenn man genau hinsieht, woran er glaubt.
Nicht die Denkinhalte also sind es primär, die das menschliche Denken kennzeichnen. Vielmehr ist es die Melodie seines Denkens als lebendigem Akt, der wir in diesen Äußerungen gegenüberstehen. Wir haben uns also bei dem, was ein Mensch als Gedanken hat und äußert zuerst zu fragen, was ist das, was er damit will, und: was will er eigentlich?
Der Mensch aber bleibt ein Verlorener, ein Fremder, ein Schiffbrüchiger. Der der Welt gegenübersteht, einerseits, der anderseits nur in dieser Parallelität - Mensch und Umwelt - verstehbar wird. Die sich ihm als Problem stellt, der er zum Problem wird.
Deshalb ist auch die Gestalt der Wahrheit nur als lebendige - und damit: als Person - denkbar. Und sie ist etwas, das dem Menschen auferlegt ist, die er sich nicht "machen" kann, ja, das Licht, das das menschliche Denken erst wirklichkeitsrelevant macht, muß geoffenbart werden. Sodaß sich die Wahrheit seines Denkens aus der Wahrhaftigkeit dieser personalen Begegnung, der Haltung, in der er ihr entgegensteht, ergibt. Denn das Wirkliche, das ein prozessuales Geschen ist bzw. sich darin zeigt, können wir nur staunend annehmen, um so an ihm teilzunehmen.
Die Wirklichkeit des Menschen, der er nie entfliehen kann, in die er immer eingebunden bleibt, erschließt sich deshalb weder in einem archäologistischen Rückgriff, noch in einem utopisch starren Bild eines "vollkommenen Lebens". Das Ewige bricht je nur ein in ein geschichtlich bedingtes Jetzt.
***