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Samstag, 15. November 2008

"Sehenden Auges," meinte er damals.

H hatte es schon vor fünf Jahren gesagt. Bei fünf Bieren und durch den Zigarettenrauch nahezu blickdichter Atmosphäre im Café "Gitarre" im 4. Bezirk explizierte er erregt seine Meinung: "Dieser Greenspan steuert die USA auf eine Katastrophe zu! Das einzige, was denen seit vielen Jahren zur Konjunkturbelebung einfällt ist, die Zinsen zu senken. Das wird böse Folgen haben!"

Dadurch würden in der amerikanischen Wirtschaft, meinte er, sämtliche organische Strukturbereinigungen und Modernisierungsverfahren, die immer nur unter normalem Konkurrenzdruck entstünden, ausbleiben - die Effizienz sinke, schon gar unter globalen Wettbewerbsgesichtspunkten. Das führe dazu, daß das Geld tatsächlich billiger bleiben müsse, weil sonst der Kapitalmarkt die Unternehmenserträge weit übertreffen würde. Man würde nicht in Unternehmen und Investitionen investieren, sondern in Spekulationen, in Geldanlagen.

Damit aber würde in jedem Fall ein ungeheurer Sog, neues Geld zu besorgen oder gar zu schaffen, entstehen, mit gleichzeitiger Tendenz, Risikoanlagen zu forcieren, die hohe Renditen garantierten: denn die Banken hätten sonst keine Chance, das (durch das niedrige Zinsniveau) nachgefragte Geld aufzutreiben. Somit würden hochspekulative Papiere immer interessanter - und weltweit Geld ansaugen.

"Ein Wahnsinn," meinte er, schon lallend, und voller Sarkasmus, weil die Katastrophe nicht abwendbar sei. "In ein paar Jahren gehen denen dann alle Banken mit Pleite, wenn sie nicht aufpassen."

Das war 2003. Er war nicht der einzige, der es kommen sah. Aber die Visionen waren so düster, daß man sie gar nicht wirklich ernstnahm.

Wir können uns Katastrophen, wirkliche Notlagen, gar nicht mehr ernsthaft genug vorstellen. Bereits in zweiter Generation erleben wir einen Wohlstand, der unser gesamtes Welterleben verändert hat. Somit fehlt uns auch jedes Verständnis für wirkliche Not in unserer unmittelbare Umgebung - und damit meine ich gerade nicht die Spendenbereitschaft, die nur eine verlängerte Wohlstandsattitüde ist. Soziale Absicherung in jeder Hinsicht ist uns nahezu "angeborenes Merkmal" - ihre Brüchigkeit ist uns schlicht nicht vorstellbar. Was die Gefahr erhöht, radikalen Veränderungen zuzustimmen, die auch Gutes mit ausreißen.

Um diese soziale "Sicherheit" - die Merkmale von Etatismus, von totalitärer, zentraler Steuerung der Wirtschaftsprozesse - zu gewährleisten, ist längst die Zustimmung zu kommunistischen Tendenzen groß.

Die Bedrohung von Not und Armut wird umso ärger empfunden, als sie irrational, weil fern, unvorstellbar bleibt. Damit wird aber auch jene Erfahrung falsch eingeschätzt die besagt, daß man ... durch Geld nicht glücklich wird.

Damit aber wird die Gefahr groß, daß übersehen wird, daß alles Wirtschaften Ausfluß menschlicher Wirklichung ist. Eine Volkswirtschaft ist nur bedingt durch staatliche Maßnahmen als "Ding an sich" ansprechbar. Wird sie zu sehr aber zum Phänomen - durch Abhängigkeiten vom staatlichen und direkten Einfluß auf die Konjunktur, die nämlich mit der Zeit entstehen -

Eine weitere Lehre sollte sein, daß die Zusammenfassung in große Wirtschaftsräume - wie in Europa in der EU - den Verzicht auf wichtige Steuerungsmaßnahmen bedeutet, mit denen ein Volk, ein Staat, seine Kernbereiche vor internationalen Entwicklungen schützen kann, wenn es notwendig ist. Auch wenn sonst der Weg eines Landes vielleicht etwas mühsamer verläuft.

In jedem Fall aber müssen wir - gerade in Österreich - wieder neu begreifen, daß das Leben im Normalfall ein Auf und Ab ist, und daß wir uns jahrzehntelang falsch angewöhnt haben, jedes Fieber sofort zu unterdrücken. Weil es keine Krisen geben darf, die eben wirklich mit Rückgängen auch im Wohlstand einhergehen.

Auf eine weitgehend krisenfreie Weiterentwicklung auf Jahrzehnte hinaus zu setzen - und wir tun es immer noch: nach wie vor findet die Demographie viel zu wenig Berücksichtigung in den politischen Maßnahmen - ist nicht besonders friedliebend, sondern besonders dumm. Und es sind dann nicht unglückliche einzelne Ereignisse und Zusammenfälle, die die Kartenhäuser zum Einsturz bringen.

Wir wollten zu viel, und zu viel mit Gewalt. Und nun wollen wir erst recht zu viel: alles ist uns recht, solange sich nichts ändert. Ändert sich das aber nicht, wird eine nächste und noch größere Krise absehbar. Es IST absehbar - so wie die jetzige es schon viele Jahre lang war: nichts davon ist überraschend.




*151108*