Walter Ong schreibt in seinem als Klassiker des Genres angesehenen Orality and Literacy, daß mit der Einführung von Schriftsprache auch die Art des Denkens fundamental anders wurde: Eine mündliche Kultur muß ihren geistigen Besitzstand nicht nur durch Erzählen präsent halten, sondern nur in älteren Menschen sammelt sich auf diese Weise ein entsprechender Wissensschatz. Sie werden zu leibhaften Präsentanzen der Weisheit.
Mit der Schriftlichkeit wird das Wissen aber zum "Wissen wo es steht". Die Kraft eines Gedanken (=Sprache) verändert sich fundamental, Denken wird zunehmend auf einen vordergründigen Nominalgehalt heruntergebrochen. Schon gar mit dem nächsten Schritt, der im späten Mittelalter eintritt: dem leisen Lesen, dem Schreiben in geteilten Worten als dessen Grundlage.
Und mit einem mal werden auch die Erzähler, die "Wissenden" ... jünger! Und mit einem mal wird auch deren Drang, Neues, Unerprobtes zu implementieren, ausschlaggebend für die Texte, die eine Kultur prägen.
Und mit einem mal werden auch die Erzähler, die "Wissenden" ... jünger! Und mit einem mal wird auch deren Drang, Neues, Unerprobtes zu implementieren, ausschlaggebend für die Texte, die eine Kultur prägen.
Das führt zu dem Gedanken, daß das heute beobachtbare Vergessen des Vorhandenen, aber Früheren, das so nebenbei zur Illusion führt, der Mensch der Gegenwart würde ständig "innovativ" sein (während er nur wiederholt, was längst gegeben war, nur weiß er das nicht einmal mehr). Während genau also das Gegenteil der Fall ist: Neues entsteht nur auf der Grundlage des Verstehens des Bestehenden. Und man versteht nur, was man wurde, was man also ist. Und dazu muß man es fleischlich präsent haben, in einem drin, als Vorspannung gewissermaßen besitzen. Nicht zufällig werden Inhalte "verdaut", Lügen "gefressen", Geschichten "aufgesogen" etc. Es geht um die Fleischlichkeit, auch in diesem Punkt.
Daß also dieses Vergessen auf die Veränderung der Lebensgewohnheiten zurückzuführen ist.
Teil 2 morgen)
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