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Freitag, 31. August 2012

Begegnung im Stiegenhaus - II

Forts. von gestern) Mit dieser Ankündigung aber hat der Konzern, der seit Jahren große Renditeprobleme hat, etwas wie einen Schock ausgelöst. Er hat vielen bewußt gemacht, daß es in Europa "nach unten" geht. Und hier, im Stiegenhaus, treffen wir uns plötzlich mit den Ärmsten der Welt, die bisher weit weit weg, nie mehr als eine Nachricht in den Medien waren, Objekt des Beweises sozialen Denkens.

Aber die Folgerichtigkeit dahinter ist in mehrfacher Hinsicht gegeben, und ist nicht einfach mit Wirtschaftskrise und Eurowahnsinn und Regierungsversagen abzutun, und noch weniger mit reflexartigen Antikapitalismusgesten, die häufigste Art der beobachteten Reaktion. Wenn von unverschämten Gewinnspannen die Rede ist, von Ausbeuterei und Nutznießerei an den Ärmsten der Armen, nun also auch bei uns. Oder, wie einer es durchaus mit einem gehörigen Portiönchen Wahrheit darin ausdrückte, als Abschöpfen des Sozialleistungen der Staaten durch Konzerne.

Denn für Unilever (und andere) ist das ein logischer Schritt auf einem Markt, der schon lange maßgeblich ein Verdrängungsmarkt ist, wo die Konkurrenz auf gesättigten Märkten die Verdienstspannen so gedrückt hat, daß die Existenz aller am Spiel steht. Bei dieser Strategie sind zwar die Gesamtmengen geringer, aber die Margen bei den nunmehr kleineren Gebinden prozentuell deutlich höher. Weniger aber mehr, das ist also nun die Devise, und sie bedeutet einen Paradigmenwandel.

Aus Nachfragemärkten nach dem Krieg 1945, wurden in den 1970ern erstmals gesättigte Märkte. Darauf haben die Staaten reagiert, und durch Umschichtungen, Umverteilungen, und direkte Markteingriffe, vor allem aber durch direkte Staatsausgaben, nicht zuletzt über den immer weiter ausgebauten Sozialstaat, die "Kaufkraft" über die Geldmenge erhöht. Plötzlich drehte sich auch in den Haushalten das Klima, auch dort begann man in den 1970er-Jahren, Schulden zu machen. Bis dorthin war es soziales Stigma wenn es hieß, einer "hat Schulden". Das kümmerte bald niemanden mehr, weil jeder Schulden machte.

So wuchs und wuchs unser "Wohlstand", wie man an allen Zahlen ablesen zu können meinte: das BIP pro Kopf stieg, die verfügbaren Haushaltseinkommen, die Nachfrage, das Angebot, die Versorgtheit mit Gütern. Die Euphorie, die um sich griff, und den Schwung noch aus dem Wirtschaftswunder nach 1945 bezog - wo alles kaputt, der Bedarf nach allem gegeben war, und wo (man vergißt das meist völlig) der Zustrom von Bewohnern aus ehemaligen, nun verlorenen Ostgebieten die relativen Bevölkerungszahlen (und das heißt: als Arbeitskräfte, als Menschen, die ihr Leben gestalten, bedürfen wie produzieren) in die Höhe schnellen ließ - verdankte sich vor allem auch der Umschichtung innerhalb der Einkommensverwendung.

Staatliche Subventionen und europaweite Preis- und Mengenregelungen, dazu die Schaffung von Weltmärkten (wie im GATT) vor allem für Lebensmittel, schufen unnatürlich verzerrte lokale Märkte. Klartext: nur so konnte man vermeiden, daß der gestiegene Umlauf von Geld sich - wie es zu erwarten wäre - in Preiserhöhungen abschöpfte. Und nur so schuf man "Nachfrage" nach neuen Produkten. Und die gab es vor allem in den 1980ern, als die Computertechnik - vielfach und fälschlich als "letzte große Marktrevolution" bezeichnet, sie war nämlich nur eine Verlagerung, nicht einmal eine Innovation - Einzug hielt und die gesamte Konsumlandschaft verändert, eben durch Verlagerung. Das alles auf der Grundlage von ... Staatsausgaben, nämlich auch durch Infrastruktur (Autobahnen etc.), wodurch man die Geschwindigkeit der Durchsätze erhöhte. Immer mehr und immer schneller wurde die Devise. Nicht einfach als lockerer Wahlspruch, sondern als das gesamte Wirtschaftsverhalten durchwirkendes Prinzip. Bei Verbrauchern wie bei Unternehmen.


Forts. Teil 3 morgen





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