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Dienstag, 13. Dezember 2011

Amerikanische Mißbrauchsklarheiten

Es lohnt, die amerikanischen Studien zu dem Thema näher anzusehen. Die es dort längst und seit Jahrzehnten gibt, auch im Netz und leicht aufzufinden. Die aber in Europa, speziell in Deutschland und Österreich, gewiß aus politisch-ideologischen Gründen regelrecht verschwiegen werden. Denn schon nach den ersten Lektüren ist der Autor dieser Zeilen perplex, wie exakt die seelische Befindlichkeit eines Mißbrauchten mit dem übereinstimmt, wie er aus vielfachen Beobachtungen es erfaßt und in "Helena" beschrieben hat.*

Nur einige Fakten, zum Hineinschnuppern, und aus mehreren Studien quergeprüft: Während 55 % der Mißbräuche durch Männer geschehen, passieren fast gleich so viele, nämlich 45 %, durch Frauen. Kennzeichnend für den Mißbrauch durch Frauen ist die oft große Zeitdauer, die brutalere Gewaltanwendung (vor allem seelisch) und die deutlich tiefergehenden Folgen.

65 % der Mißbraucher als Männer sind von Frauen mißbraucht worden, und wollen mit ihrer Täterschaft ein daraus resultierendes Problem bewältigen, eine Reaktion setzen, die ihnen versagt geblieben ist.

So wie überraschenderweise festgestellt wurde, daß der Anteil an lesbischen Akten äußerst hoch (25 %!) ist. Und wer sich damit einmal befaßt, wird die aggressive, bösartige Natur solchen Mißbrauchs durch Frauen bestätigen. (Es ist auch aus Gefangenenlagern jeder Art bekannt, daß weibliche Wächter den anvertrauten Frauen gegenüber häufig weit sadistischer waren, als Männern gegenüber.)

Mißbrauch ist also im Grunde kein sexuelles Problem! Es ist ein hoch komplexes seelisches Problem. Der Mißbrauchte bildet eine Art "Parallelidentität", weil das Geschehen unbewußt nicht in sein Beziehungsschema paßt, und baut eine zweite Persönlichkeit auf, die er dann "vergißt". Beim Mißbrauch durch die Mutter (oder weiblichen Personen ähnlich familiären bzw. für die Identität bedeutenden Status - etwas was gerne übersehen wird, weil es Mißbrauch durch Priester zum Inzest macht, nicht zur Vergewaltigung o. ä.) greift die Verstörung natürlich enorm tief.

Besonders erwähnenswert sind auch die Ausführungen diesbezüglich, daß der Mißbrauch nicht nur beim Opfer, sondern auch beim Täter oft dramatische unterbewußte Reaktionen der Schuldbewältigung auslöst!

Und auch wenn der Verfasser dieser Zeilen es nicht auf sexuellen Mißbrauch beschränken will, so ist dies das wahrscheinlich ausschlaggebendste Problem des Identitätshasses, der die Kirche seitens gewisser Personenkreise seit Jahrzehnten prägt, weil - und das ist Teil des Problems, ich habe es hier mehrmals bereits unter "Muttersöhnchen" angespielt - auch die vorzufindenden Charaktertypologien in der Kirche eine sehr spezifische Personengruppe mit Identitäts- und Frauenproblemen ist. Gerade, weil sie es abstreitet, bei anderen (!) thematisiert.

Insofern ist die Aussage zutreffend, daß es keinen "typischen" Mißbraucher gibt, was seine soziologischen Merkmale anbelangt. Was bei den wesenshaften Ursachen aber nicht mehr zutrifft. So wenig Mißbrauch prognostizierbar ist.

Noch ein Wort aber: schon vor Jahrzehnten hat der Verfasser dieser Zeilen resigniert zur Kenntnis nehmen müssen, daß der Mißbrauch durch "Verwahrlosung", die ein massives Herunterziehen der Würde des Schutzbefohlenen bedeutet,  sodaß derjenige seine Identität darauf aufsetzt - von österreichischen Gerichten, Jugendämtern und Sozialstellen nicht zur Kenntnis genommen, sondern auf fast lächerliche Offensichtlichkeiten reduziert wurde. Das stimmt aber nicht - Verwahrlosung ist in ihren Folgen dem Mißbrauch weitgehend gleich, und die amerikanischen Studien bestätigen das auch.


*Ein entscheidender Moment in der Konzeption des Romans war, als ich an einem Abschlußkonzert der Musikschule des Marktes beiwohnte, in dem ich damals lebte. Und an dem auch Kinder von mir mitwirkten. Da saß einige Stuhlreihen vor mir eine Mutter, die mir schon aufgefallen war, als sie ihre Tochter gebracht hatte: ein zehnjähriges Mädchen, geschminkt, bekleidet und zugerichtet wie eine Nutte. Dazu das seltsame Grinsen der Mutter, die in einem vulgären Lederrock dasaß und sich regelrecht an der Nacktheit ihrer Tochter delektierte. Aus deren Verhalten, aus dem Verhalten des (armen) Mädchens blitzte mir plötzlich etwas entgegen, und mit einem Schlag lag das Wesen der Mutter-Tochter-Beziehung vor mir, aufgeblättert wie ein Buch.

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