Wie das zu sehen ist? Ich weiß es nicht. Sehenswert ist die Dokumentation über die Aktivitäten und Ziele der Moslembruderschaft in Europa - der vielleicht nicht einzigen, aber wohl einflußreichsten muslimischen Internationale - aber gewiß. Mit deutschen Untertiteln.
Europa überrumpeln? Man muß nicht Krieg führen, um zu siegen, meint der Imam. Weil es schon aus demographischen Gründen gewisse Wahrscheinlichkeit hat. Muslime treffen in Europa auf eine Gesellschaft, die in Dummheit und gleichzeitig überheblichem Moralismus stirbt.
Während mehr und mehr sogar der Begriff "Demokratie" zum schwammigen Irgendwas aus Lebensgefühl, Libertinität, Antiautoritarismus und Wohlstand gerät. Gezielt verwischt, um nicht-demokratischen Zielen zu dienen, von verschiedenen Seiten. Vielleicht von allen. Denn der Verdacht könnte sich aufdrängen, daß Demokratie in unserer Form nur deshalb so proklamiert wird, weil sich alle erhoffen, mehr als der Nächste an sich reißen zu können, klüger als alle zu sein.
Längst läßt es sich auf rein ideenphänomenologische Ebene herunterbrechen: Eine säkularisierte Welt zerfällt zwangsläufig, löst sich auf. Nachdem das Christentum in Europa auf kaum faßbare Weise verdunstet, verdunstet auch Europa. Religiosität ist ein menschlicher Grundakt. Es gab noch nie eine Kultur ohne Religion, und jeder Mensch ist auf eine Weise religiös, ob er das will oder nicht. Doch in Europa zeichnet sich eine erste wirklich a-religiöse Gesellschaft ab. Die Frage ist, wo sich die chthonischen Kräfte, die auch in diesen Menschen wirken, anbinden werden oder längst angebunden haben.
Es gibt gewiß auch Kluge, überall, auch im Islam: Da sagt einer der führenden Köpfe des Islam, der in Kairo in einer Wohnung lebt, die mehr einer Bibliothek gleicht, daß der Islam vor 1000 Jahren zu denken aufgehört habe. Die Muslime seien - sagt der Imam! - zu Affen geworden, die andere imitierten. Vielleicht beschreibt er einfach die Endlichkeit von Denksystemen des Irrtums? Denn nur die Wahrheit ist unendlich entfaltbar, nur die Wahrheit, die persönliche Wahrheit, nicht eine Lehre, ist ohne historische Formenbegrenztheit. Jedenfalls sagt er, daß die Muslime sich an jene Kulturen anpassen sollten, in denen sie wohnen. Es gibt keine Regeln, die den Hijab (den langen Schleier, Anm.) vorschreiben - das sind Identitätsmerkmale, politische Zeichen, keine Glaubenssätze. Damit schaden sie nur dem Ansehen des Islam.
Aber die Muslimbrüderschaft - eine politische Vereinigung mehr, als eine religiöse - ist höchst aktiv. 1920-1970 noch waren die Frauen in Ägypten von Frauen in Europa in Gehabe und Kleidung kaum zu unterscheiden. Noch 1995 hatten in Kairo kaum Studentinnen einen Schleier, um ihr Haar zu bedecken. 2004 haben bereits 90 % der Studentinnen an der Universität einen Schleier. Mit dem Schleier, den man den Frauen aber umhängt, erstirbt auch ihre Neugierde für die Welt.
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