Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Verlust der Selbstkontrolle

Das sicherste Kriterium zur Bestimmung, ob eine Kultur sich aufbaut, oder niederbricht, ist Zuwachs oder Verlust an Selbstbestimmung (der Individuen). Das heißt: das Potential kreativer Lebensbewältigung.

In Spät- oder Zerfallsphasen von Kulturen ist nicht nur eine immer breitere Kluft zwischen den Führungsschichten und der Bevölkerungsmasse zu beobachten, sondern auch eine Kluft zwischen dem "elitären Denken" und der Wirklichkeitsbewältigungsstrategien jener. Und hier muß man Toynbee erweitern: denn diese Kluft, zwischen dem Geist und der Vernunft des Einzelnen, hat ein absolutes Kriterium, das in Zeiten des Aufbaus die "elitäre Geisteskraft" (weil der Wahrheit näher) zum Erstrebenswerten und Aufbauenden macht. Während, wenn diese Geisteskraft der Elite versagt, diese Kluft zu einem definitiven Abstoßungsprozeß führt: neue Eliten kommen zur Wirkung.

Mechanisierung kultureller Institutionen ist so ein Maß des Verlustes der Selbstbestimmung, weil nicht mehr die Prozesse dem Menschen, sondern der Mensch in immer breiterem Maß den Prozessen zu dienen hat. Der Organismus einer Gesellschaft verbraucht zunehmend mehr Anteile seiner Energie zur Selbstorganisation, zum Selbsterhalt (u. a. in der Zahl der Gesetze und den Beamten bzw. im unmittelbaren Staatszielen dienenden Bevölkerungsanteil erkennbar).

Ein fatales Detail dabei: Selbstbestimmung ist nicht der heute vorzufindende Autonomismus, also Willkür (der eine Form des Mangels an Selbstbestimmung ist), ebenso wenig wie Kreativität den Abbruch alles Bestehenden (sondern: dessen neue Assemblierung durch Konkretisierung des abstrahierten, somit lebendigen Gehalts) bedeutet.




*011009*