Besonders die oft in naivsten Anschauungen mündende Überschätzung des utilitaristischen Aspekts in den Naturwissenschaften führt sich auf eine subjektive, emotionale Haltung der Wertschätzung der Erscheinungen der Natur zurück, die den Willen zeugte, das Beobachtete mit Hymnen der Sinnhaftigkeit zu beschreiben. Fleck führt als Beispiel an, daß es aus diesem Grund zu langlebigster Verbreitung von Irrtümern auch in den Lehrbüchern kam. So fand er während seiner Arbeiten kein einziges wirklichkeitsgemäßes Abbild der menschlichen Fortpflanzungsorgane, weil alle - selbst photographische Werke - eine herrschende Auffassung zum Ausdruck zu bringen suchten, in diesem Fall: der Analogie von männlichen und weiblichen Organen, eine dem Altertume entstammende Idee.
Oder die bekannte Geschichte von Häcker, der seine Deszendenztheorie (Evoluton) beweisen wollte, indem er in seine "Natürliche Schöpfungsgeschichte" massenhaft Abbildungen verwendete und anfertigte, die das Gewünschte in die "Erscheinungen" hineinlegte - die so entweder zur Metapher wurden, oder überhaupt Fakten hinzuerfanden. Teilweise verkündete er auch "Beweise" aufgrund von Forschungen, die sich später als Fälschungen erwiesen (Einer, Kammerer, der eine wichtige Rolle im "Erweis" bestimmter Vererbungsmechanismen spielte, erschoß sich, als das in seinem Fall entdeckt wurde). Seine Werke aber waren wesentliche Grundlage zumindest der Naturforschung in den nachmaligen kommunistischen Staaten!
Fleck: "In der Naturwissenschaft gibt es gleichwie in der Kunst und im Leben keine andere Naturtreue als die Kulturtreue. Jeder Legitimierungsversuch konkret ausgeführt hat einen nur beschränkten Wert: er ist an ein Denkkollektiv gebunden. Man ist nicht imstande den Stil der Auffassungen und die für jedes naturwissenschaftliche Untersuchen nötige technische Fertigkeit logisch zu fassen. Eine Legitimierung ist also nur dort möglich, wo sie eigentlich nicht mehr von Nöten ist, nämlich unter Menschen derselben denkstilgemäßen geistigen Verfassung und speziell annähernd gleicher Vorbildung."
Mit anderen Worten: Wissenschaftliche Erkenntnisse spiegeln lediglich den Zustand der gesellschaftlichen Strömungen und Auffassungen. Sie sind "für sich" aber immer relativ, wenn nicht fragwürdig, und bräuchten für ihre Verifizierung ein nicht in sie zweckinvolviertes, völlig "anderes" System. Denn systemimmanent ist auch ein "Widerspruch" kein Bruch des Denkstils, sondern wird integriert und verstärkt, auf irgerndwann nicht mehr nachvollziehbare Weise, die Denkkonvention.
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