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Montag, 22. November 2010

Wie er's auch macht - es ist falsch

Er kann einem schon leid tun, dieser Silvio Berlusconi. Was er auch macht - man kreidet es ihm an. Und wenn er nur seinen Duppio nicht in der Parlamentskantine einnimmt, schreit schon irgend jemand, nun sei das Faß am Überlaufen.

Was war es diesmal? Eine nächste 16jährige, die ihn grob fahrlässig über ihr Alter hinwegtäuschte, nur um eine Rolle in einer seiner nächsten Theaterproduktionen zu erhalten? Gefehlt!  Nach diesen Kriterien hätte man ihm höchstens Geriatophilie (oder wie das heißt) ankreiden können, mit einem Hauch (aber in der Antike selbst irgendwie zu rechtfertigender) Homophilie.

Um endlich aus dem Tagesgeschehen herauszukommen, hatte Berlusconi an zwei Statuen in einem der zahllosen Regierungsgebäude, dem Palazzo Chigi, sanieren lassen. Auf eigene Faust, schreien die Medien. Und so hatte ein Künstler des heutigen Rom am antiken Mars den Schniedel, sowie an einer ihm nahe stehenden (man beachte die Rechtschreibung: getrennt) Venus zwei Finger, die im Laufe der Jahrtausende abhanden gekommen waren, wieder (chirurgisch betrachtet:) angenäht, pardon: kreativ ergänzt, also in alter Pracht wiedererstehen (nein! ach, lassen wir das ...) lassen.

Dabei wußte man doch seit je um seine Liebe zur eigenen Geschichte! Berlusconi ist doch ein anerkannter Sammler antiker, oder so irgendwie antiker, Kunstgegenstände, vorwiegend zum Zwecke anthropologischer Studien! Ja! Der Mann ist halt voller Wiedersprüche! Hier alt, dprt neu - offen für alles. Das war immer schon so sein gewissermaßen Prinzip der Inspiration.

Aber anstatt daß sich nun wenigstens einige ein BISSCHEN anerkennend vor ihm verneigen, und wenn schon das nicht, nur einmal, nur DIESMAL geschwiegen hätten, ging das Konzert erst recht los:

Er habe auf unverantwortliche, fahrlässige und dumme Weise wertvollste antike Güter beschädigt (sic! dabei hat er sie reparieren lassen!), und außerdem wäre in derselben Zeit, wo begnadete Künstler der jetzigen Generation an der bildhauerischen Perfektionierung antiker Gedanken gearbeitet hätten, in Pompeji ein baufälliges Relikt - das Haus der Gladiatoren - eingestürzt und verloren. Und das nur, weil die 70.000 Euro hier, und nicht dort, eingesetzt waren. Was komme als nächstes? Die Renovierung des Trajanssäule?

Zwar mag man eingestehen, daß ein marsianischer Pimmel, trotz seiner gewiß hohen Symbolik, und zwei venusianische Finger (über Zusammenhänge zwischen dem Fehlen dieser anatomisch nicht unzusammenpassenden Teile schweigt die Chronik) um 70.000 Euro schon mehr Vorzüge haben sollten, als nur magere wenige Zentimeter (!) Skulpturfehlstelle zu füllen. Denn: das Bemerkenswerte an antiken Statuen ist ja die Größe (oder: genau diese nicht) des männlichen Geschlechts, das den Grad der Vergeistigung unserer Vorfahren nur andeutungsweise erfahren läßt, der die Länge der Finger auf bemerkenswerte Weise nicht korrespondiert.

Aber wäre es wirklich, auch und gerade für die Linke, wünschenswerter gewesen, ein antikes Gebäude in Pracht wiedererstehen zu sehen, das den lebendigen Beweis liefern hätte können, daß die Geknechteten früherer Epochen keineswegs solche waren, sondern wie die Fürsten logiert und wie die Dichter geehrt worden waren? Konnte, kann man nicht einmal einsehen, daß Berlusconi, gerade nach den letzten neuerlichen Verleumdungen seines hohen Gemüts als Kinderschänder, nachgerade, auch sehr persönliche, versöhnliche, und gutmeinende Gesten zu setzen in der Lage ist?

Oder lag's am Gegenstand? Wäre es manchen lieber gewesen, er hätte zwei Zehen und eine Kniescheibe ergänzen lassen, denn die fehlen nämlichem Männeke gleichfalls? War es ihnen allen also erneut zu unzüchtig? Zeihen sie ihn des unerträglichen Machismo? Beachtet denn niemand die Züchtigkeit, die gerade im Wechselspiel dieser beiden Gesten, die NUN ERST wieder in aller Moral erfaßt werden können, zum Ausdrucke kommt? Gerade hier hat sich doch seine Liebe zum Leben - und nicht zu den todgeweihten, martialischen Schlächtern, den Gladiatoren, pfui! - erneut bewiesen?

Herrschaften, Herrschaften, es wird immer mysteriöser. Man läßt diesem Mann doch wirklich keine Chance, sich einmal, nur einmal und endlich als Wohltäter seiner Nation zu verwirklichen. Man hätte doch genauso geschrien, wenn er noch weitere Finger abgerissen hätte?!

Vielleicht hätte ihm das mehr Spaß gemacht. So im Nachhinein betrachtet. Die Resonanz in den Medien - und wir wissen doch alle um diese seine kleine Schwäche, die Präsenz in den Medien - wäre die selbe gewesen.

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