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Freitag, 19. November 2010

Wissenschaftliche Freiheitszirkel

Die Wissenschaft ist uns nicht mehr selbst Ziel, Methode der Erweiterung unseres Teilhabens an der Vernunft, an der Weisheit, sondern sie hat ihre Grenzen innerhalb eines streng definierten Utilitarismus gezogen: es geht nicht mehr um das, "was" etwas ist, sondern nur noch, "wie" es funktioniert, um es zu manipulieren.

Früher, schreibt Spaemann, sei die Wissenschaft Betätigung der Muße gewesen, NACH der Bewältigung des Lebenskampfes. Heute habe sie überhaupt nur noch den Zweck der Erleichterung des Lebenskampfes. Sie erforscht, welcher Mechanismen wir uns bedienen müssen, um unsere Ziele zu erreichen. Damit soll der Mensch von den Zwängen der Natur befreit werden.

Zu einem immer höheren Preis: Die letzten dreihundert Jahre sind eine exemplarische Geschichte von immer lückenloser gebauten Mechanismen, in die sich der Einzelne einzufügen hat, weil sonst die Nützlichkeit des Gesamtapparats nicht gewährleistet ist. Das wissenschaftlich organisierte System der Bedürfnisbefriedigung - samt Reparaturwerkstätten, wie z. B. die Medizin, die Psychologie - wird immer anspruchsvoller, selbst die Gottesverehrung wird dareingefügt.

Denn weil das wissenschaftliche System der Neuzeit in sich bleibt, keinen transzendenten Bezug mehr annimmt, sondern in einem spiralförmig gedachten Zirkelbezug nur noch Bezüge auf einander, in jeweiligen Teildisziplinen, nimmt, kann es auch keinen Gott denken - dazu müßte es sich überschreiten, und damit seine eigenen Ansprüche, die das System ja so unangreifbar und hermetisch machen, verletzen.

Innerhalb des Systems gibt es nur noch Bedürfnisbefriedigung - Gott zu verehren befriedigt genauso ein subjektives Bedürfnis wie jemandem etwas zu schenken. Richtig und falsch wird ersetzt durch "besser fühlen". Aber vernünftige Gründe, dieses oder jenes zu wollen, gibt es nicht mehr. Schon gar, weil es keine Freiheit mehr gibt. So beherrschen wir die Optionen der Welt zunehmend, aber es fehlt an der Möglichkeit, zu wählen.

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