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Montag, 31. März 2008

Nie mehr ...

Als 1795 jenes Fallbeil gefallen war, das Robespierre's Kopf abgetrennt hatte, jubelte die Menge, ganz Paris fand sich im Freudentaumel: auf eigentümliche Weise hatte sich eine Art Massenrausch entzündet, der das Ende der Tyrannei überschwenglich feierte. Alles war nun recht, nur nicht ein ähnliches Schreckensregime.

Dabei war Robespierre nicht der Übelste der Revolutionäre! Ja, er war vielleicht sogar deren reinster und edelster. Aber er war in seinem idealistischen, ja selbstlosen Eifer der Tugend zu dienen zum Symbol für den Schrecken geworden, dem aufgrund seiner Untugend jeder zum Opfer zu fallen drohte bzw. befürchten mußte. Hätte sich z. B. Babeuf durchgesetzt, wäre eine totalitäre Tyrannei installiert worden, die alles bisher Gewesene in den Schatten gestellt hätte (und sich erst in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts verwirklichte).

Man bejubelte ... die Wiederkehr der "normalen Zeit". Die Revolution hatte sich ausgetobt, ihr Blutdurst war weitgehend gestillt. Henry Sanson (längst war sein Nervenzustand bedenklich, so sehr er sich darauf berief, daß er nur Instrument gewesen war) wurde dankbar verabschiedet, als er seine Guillotine abbaute, sein Wagen vom Wunsch der Pariser begleitet, man möge ihn nie mehr wiedersehen.

Jener Sanson, der in "Die Henker von Paris" (1862) die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben hatte, die in fünf Generationen jenen von Paris und zeitweise bis zu zwei Dutzend der Scharfrichter Frankreichs gestellt hatte, meinte, daß den Aufzeichnungen seines Großvaters gemäß "nicht der Konvent, sondern die so seltsam aufgebrochene, sich bei Robespierre's Hinrichtung wie entladende öffentliche Meinung" den Schritt aus dem blutigen Abgrund erzwungen hätte.





*310308*

Tagebucheintragung Henry Sanson

Tagebucheintragung Henry Sanson, 18. Prairial 1794:

"Die Tage folgen und gleichen einander. Wer da meinen sollte, daß man sich an das Blutvergießen gewöhnen könne, der irrt. Ich rede nicht einmal von mir, sondern nur von meinen





*310308*

Was Ehre bedeutet

Ehre bedeutet, der Vollkommenheit einer Sache, ihrer reinen Idee und damit ihrem Gesollten - dem göttlichen Willen und Auftrag also - mehr verpflichtet zu sein als den plumpen Möglichkeiten (Gelegenheiten) einer faktischen Welt. Sie bedeutet sohin, sich der Ideenwelt mehr verpflichtet zu fühlen als dem transzendenzlosen Materiellen. Nirgendwo lebt diese Haltung mehr als im Begriff des "Ritters," an den sich nahtlos der "Edle" ("Adelige") anschließt: als gestalthafte Anwesenheit des Zieles einer Kultur.

Eine Welt des Spannungsabbaus, eine Welt der puren immanenten Bedürfnisbefriedigung und des Subjektivismus kennt interessanterweise aber dennoch Ehre! Denn die Ehre bezieht sich eben auf das Verständnis der Welt und ihrer Natur. Das beweisen täglich die Hollywood-Filme, die über die Bildschirme laufen, und deren Dramaturgie nahezu ausschließlich auf einen Ehrbegriff abzielen, der den Wertegrund des Amerikanismus deutlich machen.

Als wäre Ehre in jedem Fall der Daseinsbogen des Menschen, der sein Handeln motiviert. Weil jeder Mensch auf Ideen bezogen lebt. Worauf sich Ehrbegriffe also beziehen, zeigt die Zukunft einer Gesellschaft, einer Kultur an, die durchaus ihr Selbstmord sein kann.

Der Verlust der Ehre - durch Urteil, aber auch Verleumdung, die anzeigt, wie jemand gegen einen Wertegrund verstößt, also außerhalb diesem steht - ist bis zum heutigen Tag ein Ausschluß aus einer Kultur, aus einem soziokulturellen Umfeld, und bringt für jeden, der die Absonderung des Ehrlosen durchbricht, dieselbe Aussonderung. Bis zum Zustand: "Vogelfrei".

Aber dieser Begriff ist relativ. Er bindet sich nicht an die absolute Werthaltigkeit einer Kultur, sondern zeigt nur ihre Verteidigungstendenz. Und: Es gibt dieses "vogelfrei sein" - der Verlust des Gebots des Respekts der Ehre - bis zum heutigen Tag. Und ich stehe nicht an, das Schicksal so vieler geschiedener Männer und Väter damit zu vergleichen. Denn die heutige, emotionale Wertewelt ist ein Resultat der Zerstörung der Ehre, der Erhebung der Ehrlosigkeit zum Lebensgesetz aus vermeintlicher Not - deren Hauptfeind der Mann als Ritter ist.





*310308*

Niederer, unehrenhafter Stand

Es galt stets als unehrenhaft, ein Mädchen von niedererem Stand zu erobern, zu verführen oder zu heiraten. Ein Ehrbegriff, der mit "Autoritätsmißbrauch" mehr als mit "Hochmut" - ja einzig - zu tun hat.

Während es als anmaßend galt, aber bis heute gilt ("angeheirateter Adel"), aus niederem Stand heraus höheren (durch Heirat u.ä.) anzustreben.





*310308*

Todesstrafen

Galt Hängen, schon gar Ersäufen (wie es bei Zauberern häufiger geschah) meist als unehrenhafte Todesart, weshalb Adelige meist nicht gehängt wurden, so war das Zerreißen der Körper durch das Vierteilen (Pferde) eine der schmerzhaftesten Prozeduren, die manchmal überhaupt erst durch das Durchtrennen der Sehnen des Delinquenten beendet werden konnten (worauf die Knochen aus den Gelenken gezogen werden konnten), denn die Pferde waren nicht immer stark genug, so daß sich die Prozedur Berichten nach über eine Stunde und länger hinzog.

Zwei Tage und mehr dauerte hingegen manchmal die Todesart, dem Verurteilten Stücke des Fleisches aus dem Körper zu reißen, diese dann mit Pech, flüssigem Eisen etc. anzufüllen oder einfach wieder sich über Wochen verschließen zu lassen, und das alles solange wiederholt, bis er tot war. Das Flechten aufs Rad war da noch "human" ... auch wenn es länger dauerte: es war ja nichts anderes als ein Brechen sämtlicher Knochen, woraufhin der Delinquent binnen weniger Stunden an Sepsis verstarb.

Das Köpfen ist aber so alt wie die Aufzeichnungen der Menschheit. Mit dem Schwert, dem Liktorenbündel, oder der Henkersaxt durchgeführt, war sie relativ rasch ausgeführt. Wobei auch hier mit Problemen ... ein trauriger Höhepunkt dürfte ein Fall in Frankreich gewesen sein, demnach ein Verurteilter nach elf Axthieben unter schrecklichen Verstümmelungen immer noch am Leben war ... einer jener aufsehenerregenden Fälle, die der Guillotine den Weg bereiteten.

Aber es mußte nicht immer der Kopf sein: Noch bis 1845 war in den französischen Gesetzen die Strafe des "Daumenabhackens" festgeschrieben, das letzte Relikt einer langen Reihe von Amputationsstrafen, die zum Beispiel das Abhacken der Hände bei Diebstahl, der Füße bei Verleumdung, der Nase, der Ohren, der Zunge usw. vorsah.

Die Guillotine - ein Schritt der Humanisierung des Strafvollzugs - wurde schon um 1500 in Neapel eingeführt, verbessert dann in der französischen Revolution zum regelrechten Massenhinrichtungsmittel eingesetzt. (Alleine in den 500 Tagen der Robespierre'schen Schreckensherrschaft gab es in Paris 2600 Hinrichtungen, alle übrigens von einem einzigen - bekannt königstreuen! - Henker ausgeführt, einem Sproß der berühmten Henkersfamilie Sanson, die über fünf Generationen und bis 1845 das Amt in Paris innehatte. Welch bemerkenswertes Berufsethos.)

In jedem Fall war es Tradition, VOR der Hinrichtung die Ehre und Stellung des Verurteilten in der Gesellschaft formal zu zerbrechen, ihn also zu desintegrieren. So zum Beispiel indem sein Wappenschild vor der Hinrichtung mit einem Hammer zertrümmert wurde. In jedem Fall durch das Transportieren mit einem Bauernkarren, was an sich als Entehrung galt und auch bei Prangerstrafen (die Ehre war also früher ein häufig eingesetztes, weil hochgeschätztes Gut, wie Ehrgefühl in jedem Fall Kultur anzeigt) in Spottumzügen gerne angewendet wurde.

Bis 1871 gab es in Frankreich - in ganz Europa sinngemäß natürlich ebenfalls - sogar die Brandmarkung (das Kainsmal), die ebenfalls VOR der Bestrafung (und zwar jeder Art) zu einem Ausstoß des Verurteilten aus der menschlichen Kultur, zumindest aus seinem sozialen Umfeld führte - bis man darüber nachdachte, daß Reue, Besserung und Wiedereingliederung sinnlos war, weil die Verurteilten völlig an die Wand gedrückt wurden, nichts mehr zu verlieren hatten - und sich entsprechend verhielten.

Übrigens war die Anwesenheit bei Hinrichtungen keinesfalls eine Konzession an die Blutrünstigkeit des gemeinen Volkes, und auch nicht einfach der Abschreckung wegen eingeführt. Vielmehr stand hinter dieser Volksanwesenheit (häufig war sie verpflichtend) der Gedanke, daß die Menschen auch sehen sollten, was das andere Ende der Fahnenstange ihres Lebens und ihrer Kultur war, an der sie beteiligt waren - immerhin wurde die Todesstrafe immer als Notwehr und Schutz des Volkes angesehen.

Interessante Prozeduren bei Hinrichtungen, in die an sich "normale" Bürger involviert waren - wie zum Beispiel normale Soldaten beim Erschießen - um den Einzelnen von seiner Last zu befreien, ihm zumindest die Möglichkeit zur Entlastung zu geben: Schossen mehrere auf den Verurteilten, konnte niemand sagen, welcher Schuß diesen zum Tode befördert hatte. Es war deshalb unehrenhaft und unkameradschaftlich, nicht treffen zu wollen! Auch wenn die Scheu groß war, den Schuß tödlich zu platzieren, was zu bekannten Folgen führte: viele Delinquenten überlebten ja die erste Salvenwelle.

Ähnliche Folgen hat ja die Steinigung - auch sie läßt offen, wer getötet hat, operiert mit Gesamtschuld, wenn schon.





*310308* 

Rechtssicherheit durch Folter und geregelte Todesstrafe

Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, griff man weltweit immer wieder zu den sogenannten "Gottesurteilen" - den Beschuldigten wurden unter eine Probe gestellt, deren Ausgang meist ein direktes Eingreifen Gottes provozieren sollte: wenn Ihm an Delinquenten etwas lag, so sollten übernatürliche Vorgänge dafür sorgen, daß er ...

... beim dreimaligen Eintauchen in kochendes Wasser, aus dem er einen Ring zu holen hatte, nicht
    verbrüht wurde
... beim Eintauchen in siedendes Öl keine Brandwunden zeigte
... beim Gang über glühendes Eisen nicht verletzt wurde
... beim Eingetauchtwerden in den Fluß - gefesselt - AUFTAUCHTE (also eine NATÜRLICHE
    Reaktion zeigte - eine interessante Variante der Umkehrung der s. o. genannten Prinzipien)

Bis ins 13., ja 14. Jahrhundert galt übrigens der EID auf die Bibel als BEWEIS: schwor der Angeklagte, nicht schuldig zu sein, so war er entlassen! Erst als die Meineide erwiesenermaßen zunahmen, wurde nach anderen Methoden gesucht, um die Richtigkeit von Anschuldigungen zu untersuchen. Abgesehen davon, daß es immer kritische Stimmen gab, ob ein Eid auf die Bibel nicht der Gotteslästerung Vorschub leistete.

Die Festlegung der Folter selbst, wie sie im späten Mittelalter - ausgehend von den Vorschriften Karls V. - geschah, war ein weiterer Rechtsfortschritt, um jeder Willkür (insbesonders auch bei den Beschuldigungen) Vorschub zu leisten. Die Problematik, daß unter der Folter jeder alles gestand, war allerdings bekannt. Doch wußte man vorerst keinen anderen Weg. Schritt für Schritt wurde die Bestrafung aber "humanisiert." So war es zum Beispiel üblich, daß bei Verbrennungen (eine häufige Art der Todesstrafe) der Henker eine Lanze so anbrachte, daß sie im (rund um den zentralen Baum, den "Schandpfahl", an den der Delinquent - an Hals, Schultern/Brust und Händen - angebunden wurde aufgeschichteten) Stroh verborgen bei Entzündung des Feuers dem Verurteilten ins Herz gestoßen wurde.

Der Kopf mußte freilich lange Zeit unbedingt himmelwärts schauen, und wenn er "gedreht" wurde ... denn von dort kam Heil und Gerechtigkeit.





*310308* 

Und sie würfelten um seine Unterkleider ...

Das Recht auf die Kleider des Delinquenten galt als uraltes Sonderrecht der Henker - so wie es auch bei Jesus geschah. Wobei nicht überall und immer gleich geregelt war, ob nur die Oberkleider oder auch die Unterkleider dem Henker gehören sollten. In fast jedem Fall wurde den Angehörigen des Delinquenten eine Rechnung über die Hinrichtungskosten gestellt. Letztere Sitte hat sich ja bis ins Dritte Reich hinein erhalten.

Henker wurden seit jeher mit Sonderrechten bedacht, denn die Ehrbarkeit und damit Attraktivität ihres Berufes war lange Zeit nicht gegeben. So durften sie nicht innerhalb der Stadtmauern jener Stadt wohnen, für die sie das Amt innehatten, ja man durfte Henker nicht einmal berühren. Überliefert ist z. B. auch, wie die Verleihung des Amts die Stellung des Henkers ausdrückte: bis 1645 wurde in Frankreich dem Henker die Ernennungsurkunde nicht überreicht (Thema der Schuldhaftigkeit!), sondern das Papier unter den Tisch geworfen, sodaß dieser sich danach bücken mußte - zugleich eine für beide Seiten deutliche Geste, daß der Henker ein Dienender (und kein Berufssadist) war bzw. sein sollte.

Nicht selten waren Fälle, wo zum Tode Verurteilten das Leben geschenkt wurde, wenn sie bereit waren, hinkünftig als Henker zu dienen.

Übrigens: es gab auch Frauen in diesem Beruf, ja fast überall galt der Grundsatz, daß Frauen (auch die Folter war ja Angelegenheit der Henker) nur von Frauen bestraft werden dürften. Was aber nur selten eingehalten werden konnte, weil nur wenige Frauen diesen Beruf ergriffen. Der aus verständlichen Gründen meist sogar erblich wurde - denn es fanden sich kaum Bürger, die ihn ergriffen. Weshalb er mit großen Privilegien ausgestattet wurde, Henkersfamilien häufig sehr vermögend wurden.

Um dieses einträgliche Geschäft nicht zu verlieren, schreibt Henri Sanson 1845, sei einer seiner Vorfahren Mitte des 18. Jahrhunderts sogar von der Mutter bereits im Alter von sieben Jahren in den Beruf der Obrigkeit genannt und praktisch eingeführt worden: Fortan mußte das Kind bei sämtlichen Hinrichtungen deren Rechtlichkeit wegen anwesend sein. Der Betreffende schickte später seine Kinder (er war ja reich) bis in die Pubertät aufs Land, um sie dort erziehen zu lassen.





*310308*

Sonntag, 30. März 2008

Ein ungebrochener Weg des Schreckens

L. Lenz - voller Unverständnis für die der "Sterilisierung zur Ausmerzung unerwünschter Vererbungsmerkmale" ablehnend gegenüberstehende Weimarer Republik bzw. Kirche: "... und wir Idealisten haben immer geglaubt, daß wir die Welt verbessern könnten!" Zum Beispiel um "Sexualverbrecher" (Lenz war auch Gutachter in zahllosen Sexualdeliktsprozessen) auszumerzen.


(Cit. aus L. Lenz, "Erinnerungen eines Sexualarztes", Bad Cannstatt 1941/1953) "

... (der Mensch vermag Atomkraft zu bändigen, Öl zu fördern etc.) ... aber er vermag es nicht, Lebensbedingungen, Einrichtungen und Gesetze zu schaffen, um die Sexualverbrecher auszumerzen. Denn es kann gar keinen Zweifel geben: Sterilisiert man die Menschen, von denen nur ein erbkranker Nachwuchs zu erwarten ist, so wird die Kriminalität der Sexualverbrechen um 50 Prozent fallen. Schafft man für labile und gefährdete Charaktere Stätten, wo sie verstanden und in angepaßter Weise beschäftigt werden, so wird man die diesbezügliche Kriminalität um weitere 30 Prozent herunterdrücken und kastriert man Gewohnheits-Sexualverbrecher, so kann man nochmals 10 Prozent gewinnen." (Im nächsten Absatz befaßt sich Lenz mit Kleptomanen ... wo er exemplarisch hinweist, wie sehr geistige Abweichungen auf körperlichen Mißbildungen beruhen, wie sehr solche "armen Menschen nicht in Gefängnisse, sondern in Krankenanstalten gehören"

Es braucht nicht viel Scharfsinn, um die NIE GEBROCHENE Aktualität dieser (alles andere als neuen) Gedanken zu entdecken. Denn mit den Möglichkeiten der Gentechnik wird dieses Kapitel auf eine Weise aufgewärmt, das einen Schrecken auf den Horizont malt, vor dem man gar nicht genug warnen kann. Dieser Schrecken aber ist eine Tangente - kein neues Kapitel - des heutigen Denkens.

"Was natürlich ist kann nicht unsittlich sein!" - Dieser völlig richtige Grundsatz der katholischen Sittenlehre wie aber AUCH jenes Denkens, das uns seine Fratze im Nationalsozialismus wie im Kommunismus wie heute (wo es uns mangels Abstand nur nicht so sichtbar ist) so deutlich gezeigt hat, ist also nicht das Kriterium!

Es geht um die alles entscheidende, aber nicht innerhalb der Naturwissenschaft (diese kann hier nur falsifizierende/verifizierende Belege liefern) zu klärenden Frage: Was ist natürlich!? Was ist das Wollen der Dinge jeweils aus sich selbst heraus? (Für den Katholiken ist DARIN nämlich der Wille Gottes ausgedrückt - weil Gott die Welt geschaffen und als GUT geschaffen hat.)





*300308*

... wählen ihre Schlächter selber ...

Das Bemerkenswerte, Interessante an den "Erinnerungen eines Sexualarztes" von Dr. L. Lenz (verfaßt 1941, redigiert 1953 in Cairo, denn der Verfasser mußte 1933 aus Berlin fliehen) ist, daß er nicht sieht, wie sich jene Staatsmacht, der er selbst zum Opfer fiel, aus den von ihm selbst vertretenen Gedanken entfalten konnte - und kann.

Lenz - Mechanist und Naturalist - fordert z. B. "Volkshygiene", indem er auf die seiner Meinung nach an sich vorbildlichen, nur im Fall der Juden "mißbrauchten" Sterilisationsgesetze des Dritten Reiches hinweist. Die Gesetze (auch Abtreibung betreffend) seien aber im Fall sexueller Abartigkeit, Schwachsinn etc. etc. (also: "lebensunwertes Leben", das als Begriff nicht per se ethisch verwerflich ist, sondern wo die Ethik von der Fassung des Begriffs abhängt, was denn lebensunwert sei - ob soziale Ursachen oder das, was "normal" ist, ist nebensächlich) notwendig.

Das Entlarvende, ja Aufweckende an seinem Buch aber ist, daß es so "modern" wirkt. Daß sich die von Lenz darin entworfenen Grundzüge einer medizinischen Ethik so lückenlos ins Heute fügen. Daß also ersichtlich wird, wie DIESELBE Ethik, die dem Nationalsozialismus zugrunde lag, auch der heutigen Volksethik zugrunde liegt, daß sich ihr Eingrenzung nur aus Gründen ergibt, die nie in der Sache (Naturrecht), sondern in ideologischen Thesen und Moralvorstellungen liegen.

Und sie fußt in denselben Ideen, die um die Wende 19./20. Jahrhundert entstanden: einer Ideenwelt einer zusammenbrechenden Kultur, die meinte, sich aus historischen Erweisen, Fakten und Folgen geistig neu begründen und orientieren zu müssen.





*300308*

Sexuelle Abartigkeiten

L. Lenz schreibt in seinen "Erinnerungen eines Sexualarztes" über das Berliner Institut für Sexualforschung, an dem er jahrelang tätig gewesen war: Es sei noch vor allen anderen Einrichtungen von den Nazis nach deren Machtergreifung geschlossen worden, weil (so behauptet es Lenz) eine hohe Anzahl führender Nazis bei diesem Institut eine Karteikarte hatte - somit seine sexuellen Neigungen bekannt waren. Lenz schreibt, daß 1933 über 40.000 "Sexualbeichten" im Institut gelagert gewesen seien ...

Insbesonders behauptet Lenz auch (er ist damit einer Meinung u.a. mit Erich Fromm, s. u. a. in "Anatomie menschlicher Destruktivität") Hitler sei sexuell abartig veranlagt gewesen - zumindest attestiert er ihm Kompensation seiner Weiblichkeit durch übertriebene Männlichkeitsposen und -riten.

Dies hätte auch ein ehemaliges "Verhältnis" von Röhm (SA-Chef bis 1934) betont, ein junger Mann, der wörtlich Hitler sogar als "den Perversesten von uns allen, ein weichliches Weib, aber augenblicklich macht er in ganz großer heroischer Moral" beschrieben habe.

Lenz beschreibt Hitler als schizothymen Charakter, der noch dazu mit hoher Suggestivkraft ausgestattet gewesen sei.





*300308*

Zeitalter der Muttersöhnchen

Auch die letzte (neuerliche) Phase der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus, der ja zwangsläufig auch ein Hitlerismus war, stärkte den Punkt, daß ich der Ansicht bin, daß Hitler ein Muttersöhnchen war. Die Weltgeschichte ist gerade in ihren schrecklichsten Diktatoren voll von solchen Charakterdeformierten, nicht zuletzt Stalin, Napoleon und Bismarck zählen dazu.

Was es zu sagen hat, daß wir heute in einem "Zeitalter der Muttersöhnchen" leben, daß jene Eigenschaften und Charakterzüge, die wir als Kinder noch verachtet und ausgestoßen haben, heute als allgemeine und gesollte Moral anzusehen sind, überlasse ich dem Leser.





*300308*

Unfrisierte Gedanken

Stanislaw Jerzy Lec (1909-1966)


Am gemeinsten drückt der fremde Schuh.

Je üppiger die Phantasie, die ein Mensch hat, umso bescheidener sein Selbstbewußtsein.

Schreckgespenst der Zukunft: Denkmäler, die reden.

Man darf die Hoffnung nicht verlieren. Eines Tages entpuppen sich die Bestien als Menschen und können für das Bestialische dann nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.

Es ist leichter, mehrere eigene Bücher vorzuweisen als eine einzige eigene Meinung.

Ich verlor ein Heft mit meinen unveröffentlichten "Gedanken". Vielleicht fallen sie mir mit der Zeit wieder ein? Aber wenn, dann, leider, um wieviel reifer!

Ich habe von Freud geträumt. Was bedeutet das?

O dieser Buckelige, den ich für Atlas hält.

Der wahre Exhibitionismus besteht im Vorzeigen dessen, was man nicht hat.

Große Männer werden nicht von einer Mutter geboren, sondern von einem Plutarch.

Alle Menschen schauspielern. Auf das Repertoire kommt es an.

"Ich habe gehört, die Welt sei schön," sagte der Blinde.
"Angeblich," antwortete der Sehende.

Es ist keine Kunst auf ein Ziel zu schießen, wenn es da ist.

Auch ein Eunuch sagt MEIN Harem.

Was geschieht mit der optimistischen Literatur beim Weltuntergang?

Seitdem er verkalkt ist, hält er sich für ein Denkmal.

Mein Haß ist gealtert. Nun ist er Verachtung.

Manche Narrenschellen schellen einfach falsch.

Viele verschweigen in den Lebensläufen ihr Nichtvorhandensein.

Immer fürchte ich diejenigen, die nach der Hegemonie der Seelen verlangen. Was tun sie mit den Körpern?

Behüten wir die genialen Gedanken vor dem Betreten eines schwachen Kopfes!

Man bringt keine Götter um, an die man nicht glaubt.

Ich bin gespannt, wie meine Gedanken wären, wenn sie sicher sein könnten, daß ich sie nicht aufschreibe.

Darf man an der Wahrheit vorbeigehen? Ja, wenn man ihr vorauseilt.

Das menschliche Gesicht ist so gebaut, daß es den Mund nicht mehr hält, sobald die Augen geöffnet sind.

Wundere Dich nicht, wenn der, der nicht duftet, es mag, wenn er beweihräuchert wird.

Mit einem Papageien finden Menschen leicht eine gemeinsame Sprache.





*300308*

Samstag, 29. März 2008

Prinzessin Hohenstein

Ein nicht ganz so moralisches Mädchen hatte sich mit einem verheirateten Manne, den es am selben Tage kennengelernt hatte, in einem Hotel als Ehepaar eingebucht. In der Nacht war sie noch Zigaretten holen gegangen, entdeckte bei der Rückkehr aber, daß sie in der Eile vergessen hatte, in welchem Zimmer sie logierten.

Auch der Nachtportier konnte nicht helfen - denn ihr fiel nicht einmal mehr ein, unter welchem Namen ihr Liebhaber sie beide eingetragen hatte. Da sagte sie zu dem verblüfften Manne: "Ich bin die Prinzessin Hohenstein, und mein Mann wollte inkognito reisen, und hat sich unter einem fremden Namen eingetragen - den ich nun vergessen habe."

Der Portier - die "Prinzessin" mit Ehrerbietungen und Dienstbereitschaftserklärungen überschüttend - läutete in seiner Not den Direktor des Hotels aus den Federn. Dem fiel angesichts der heiklen Lage der Hotelprominenz nichts besseres ein als den Tagportier ins Hotel zu bestellen, der sich auch prompt noch erinnern konnte, daß die beiden Durchlauchten unter dem Namen "Berger" im Zimmer XY Quartier genommen hatten.

Der Schwindel wurde nie bekannt. Jedoch wurde hinkünftig das Mädchen als "Hoheit" im Hotel begrüßt. Woraufhin sie ihre Preise kräftig erhöhte.




*290308*

Unmöglich schuldig am Tod Jesu

Als während der Judenverfolgungen im frühen Mittelalter diese Verfolgungen damit begründet wurden, daß die Juden für den Tod Christi verantwortlich seien, antworteten die Regensburger Juden in einer Verteidigungsschrift, daß dieser Vorwurf unmöglich für sie zutreffen könne: Sie seien nämlich schon zumindest seit dem Jahre 31 am Limes Romanus ansässig. Sie könnten also unmöglich am Tode Jesu beteiligt sein.





*290308*

Dummheit - Sittlichkeit - Alkohol - Erbe

Der amerikanische Biologe Pelmann führt 1930 in einer Arbeit (zitiert von L. Lenz in "Erinnerungen eines Sexualarztes", Cairo/Bad Cannstatt, 1941/1953) über die Zusammenhänge von Alkoholismus - Schwachsinnigkeit (Demenz) - Sittenleben sowie die Weitergabe (psychisch-soziokulturelle oder physisch-erbliche Einflüsse sind in dieser Studie nicht differenziert) an Nachkommen einen Fall einer amerikanischen Prostituierten an:

Unter 700 Nachkommen einer im Jahre 1740 verstorbenen alkoholkranken Bordellwirtin waren 106 Uneheliche, 181 Prostituierte, 143 Bettler und Vagabunden (Obdachlose), 64 Armenhäusler (Sozialfälle, nicht selbsterhaltungsfähige Menschen), 76 Verbrecher, 7 Mörder und nur 123 "Normale". Im ganzen hatten diese Nachkommen 116 Jahre im Gefängnis verbüßt, 734 Jahre lang öffentliche Unterstützung bezogen und den Staat etwa fünf Millionen Dollar (Geldwert von 1930) gekostet.

Im Fall der Schweizerin Ada Jucke, geboren 1740, und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts als Trinkerin, Diebin und Vagabundin lebend, konnte eine direkte Nachkommenschaft von 834 Personen nachgewiesen werden. Diese eine einzige Familie hatte dem Staat im Laufe von 75 Jahren an Gefängniskosten, Unterstützungen und an direktem Schaden einen Aufwand von rund 5 Millionen Mark verursacht.




*290308*

Unendliches Mosaik

Die Welt (die Schöpfung) ist ein gigantisches Mosaik aus unzählbaren, möglicherweise unendlichen "Einheiten" (Entitäten), die zu ihrer Wirksamkeit nicht (zumindest nicht auf Dauer) auf ihre physische Präsenz verzichten können, weil das Wesen der Welt physische Präsenz von die Welt konstruierenden, darstellenden (und damit seienden) Einheiten ist.

Die katholische Engel-Lehre (die sehr spekulativ ist) meint, daß hinter jeder dieser Entitäten ein Engel stünde - als Geist vom Geiste Gottes, dessen Wesen der Wille ist, Gestalt zu nehmen bzw. zu werden. (Während das Wesen Satans genau das Gegenteil eben ist - der Wille zur Gestaltvernichtung bzw. -verhinderung.)

Diese Geistweisen stehen zueinander - wie es eben die Welt der Physis ist - in einem unbedingten Abhängigkeits- und Gehorsamsverhältnis. Bricht dieses, fällt auch die Möglichkeit zu ihrer physischen Präsenz.

So, wie Erkenntnis und Leben zwei Sichtweisen einer Ganzheit sind: auch sie sind direkt vom Sein abhängig, an dem sie über die Sinne teilhaben können.





*290308*

Nicht stetiger, linearer Weltaufbau

Die Physik spaltet sich mittlerweile in drei Physiken auf, für die jeweils andere Gesetze gelten:

Die Physik der kleinsten Teile, der Quanten, die Physik der Körper in begrenzten Systemen (auf der Erde), so etwas also wie die "Physik der menschlichen Wahrnehmung und des Alltags" und die Megaphysik, wo die Newtonschen Gesetze nicht mehr gelten, wie sie für astronomische Dimensionen - dazu zählen auch letzte Begriffe wie Zeit, Licht, Raum ... - angewendet werden muß.

Die Welt der Körper zu erklären scheint also nicht zu gelingen, sobald man einen bloßen (weltimmanenten) Mechanismus zugrunde legt, der alle Dinge konstituiert (und aufgibt den längst langweiligen Satz als maßgebend herzunehmen, demgemäß irgendwann schon auch das noch ergründet werden würde, was derzeit eben noch nicht bekannt sei ... denn die Erfahrung zeigt, daß mit jedem scheinbaren neuen Wissen weit mehr als beantwortete neue unbeantwortbare Fragen auftauchen)

Vielmehr verlangt die Physik die Kategorisierung der Welt in Ordnungseinheiten, die jeweils neue Wahrscheinlichkeiten des Auftauchens (= "physikalische Gesetze") bestimmter Prinzipien zeigen. Jede dieser Kategorien, von denen oben drei genannt sind, widerspricht also einer kontinuierlichen Entwicklung der Welt aus rein materialistischen Zufälligkeiten.

Dies ist nach wie vor das dramatischste und rein naturwissenschaftlich-immanente fundamentale Gegenargument gegen den Evolutionismus bzw. Darwinismus. Darwin erklärte selbst, daß über diese (ihm - und bis heute - nicht nachweisbare) Stetigkeit seine Theorie stand oder fiel.




*290308*

Geschichte einer Rache

Ein reicher Mühlenbesitzer, soweit gut verheiratet, lernte 1926 bei einer Geschäftsreise nach München einen Mann kennen, mit dem er sich nach angenehm verbrachtem Abend einließ, auf ein Zimmer zu gehen. Nicht nur das, tauschten die beiden auch nachher noch einige Zeit Briefe, bis der Münchner Freund begann, den reichen Müller, der das Verhältnis beenden wollte, zu erpressen: Er würde an Frau und Öffentlichkeit herantreten und seine geheimen Neigungen bekanntmachen. Der Skandal würde den Mann, der in der Provinz lebte, ruinieren. Der Freund aus München führte sich hingegen als regelmäßiger Familiengast ein.

Der Müller ließ sich also einschüchtern, und zahlte - so lange, bis er auf diese Weise dahingelangt vor dem Ruin stand. Seine Ehe ging unter der andauernden psychischen Belastung - neben der materiellen Situation - ebenfalls in die Brüche. Der Mann verlor also Frau, Kinder und Vermögen. Schließlich wurde auch noch seine vorgebliche homoerotische Neigung auf dem Gerüchtewege bekannt, sodaß er auch sein gesamtes soziales Umfeld verlor, denn man hielt ihn für einen Schurken, der um seiner Leidenschaft willen Familie und Vermögen verspielt hatte.

Da verabredete sich der Müller mit dem Münchner Freund in einem Hotel unter der Ankündigung, nach all den Turbulenzen einen Neuanfang auch in der Liebe setzen zu wollen, nun habe er ja nichts mehr zu verlieren. Dazu gehörte es auch, daß sie sich zuvor noch gemeinsam photographieren ließen.

Im gemieteten Hotelzimmer zog allerdings der Mühlenbesitzer eine Pistole, und erschoß sich auf eine genau überlegte Weise, sodaß der Selbstmord als Mord erscheinen mußte. Der Münchner wurde auch tatsächlich für den Mörder gehalten, und vom Gericht (1929) zum Tode verurteilt.

L. Lenz, "Erinnerungen eines Sexualdoktors"




*290308*

Freitag, 28. März 2008

Traumhafte Liebe

Ein Ägypter hatte sich in die wunderschöne griechische Hetäre Archidike rettungslos verliebt - eine der begehrtesten Kokotten des alten Athen. War aber über den geforderten Liebeslohn für eine Nacht nicht mit ihr einig geworden. In seiner leidenschaftlichen Not ging er zu den Priestern des Tempels der Aphrodite, die ihm rieten, die Nacht auf den Stufen vor dem Abbild der Göttin zu verbringen. Der Mann tat wie geheißen - und erhielt als Dank so intensive Träume von seiner Geliebten, daß er des Morgens völlig zufrieden abzog, weil er meinte, er habe sie tatsächlich besessen.

Darüber war Archidike gar nicht erfreut - und verklagte die Priester auf Schadenersatz: immerhin hatte deren Rat ihr das Geschäft verhindert. Die Richter gaben der Hetäre wirklich recht, und verurteilten die Priester zu erheblichem Schadenersatz - den die Klägerin sich erträumen durfte ...





 *280308*

Es gibt nichts mehr zu erkennen

Das Repertoire der heutigen Welt ist eine Kultur der Schwächung des Seins: Allem Begegnenden, allem Existierenden soll seine Seinsstärke genommen werden, um den Schmerz des Erkennens zu umgehen. Die Welt selbst wird uns angepaßt. Wir sind uns genug.

Denn es soll heute kein Erkennen mehr geben. Wir HABEN erkannt. Nur so ist unsere Selbstsicherheit aufrechtzuhalten. Nur so kann dem Schmerz des Gehorsams - die Voraussetzung für Erkenntnis - ausgewichen werden. Wir sind nicht mehr die Krone der Schöpfung (die sich verdankt), sondern wir sind HEUTE die Krone alles Seienden, das nur durch uns am Sein teil hat. Wir sind Gott. Erkennen wird zur Gefahr.





*280308*

Vom Paradiese kündend


(Titelverlinkung: Was ist Kunst? Ein Beitrag des MUMOK, Wien - mit besonderem, wahrscheinlich sogar unbeabsichtigtem Humorfaktor für die Punkte "Wir stellen die Fragen ..." beim Thema "Alltagsgegenstände in der Kunst")

Kunst ist die Dimension des Paradieses inmitten dieser Welt. Sie erlaubt das direkte Schauen des Wahren und damit Gottes, des Seins, im betrachtenden Übergang.

Weil alles Werk von seinem Schöpfer kündet, weil nämlich alles nach seiner Art schafft, ist die Aufgabe des Künstlers die Heiligung in dem Sinne, als er innerhalb seiner Begabung jene Freiheit in der Wahrheit und Wahrhaftigkeit seiner Persönlichkeit sucht, die ihn völlig frei (ungetrieben) sein läßt.

Kunst ist deshalb eine Frage der Freiheit, und damit der Wahrheit des Kunstschaffenden. Der Künstler ist in der Lage, über alles Faktische der Realität hinaus die Wirklichkeit zu schauen. Weshalb der Begriff der Kunst ja auch in anderen Tätigkeiten überlebt hat, für manche Berufe sogar generell galt: ich denke an die "Kunst der Ärzte" (was meist fälschlich als bloße große "techné" = Fertigkeit übersetzt wird). Vielmehr kannte ich selbst noch Ärzte, die den Patienten ansahen und - gestützt von Fakten - eine Gesamtthese bildeten, die die Gesamtwirklichkeit des Patienten auf beeindruckende Weise beschrieb. Ferner war ja die Medizin neben der Juristerei und der Theologie lange Zeit eine Wissenschaft (von Kunst ja nicht zu trennen) für sich.

Kann man aber nun sagen, daß - weil jeder Mensch zur Heiligkeit und damit zum Paradiesesbewohner gerufen wäre - auch jeder Mensch zum Künstler berufen IST? Ist also JEDE Tätigkeit zur Kunst "erhebbar"? So also, wie es Deschamps vor 100 Jahren definierte, als er eine Kloschüssel (als die vollkommene Form eines Teilbereichs des Menschseins) ausstellte?





*280308*

Donnerstag, 27. März 2008

Gute Sitte macht Männer

"Wie gute Sitte doch das Kind zum Mann macht - indessen böse Sitten ihn vertieren ..."

Francesco in "Die weiße Teufelin" von John Webster
England, 16. Jahrhundert




*270308*

Trigger-Erlebnisse

Z verlangte, daß jeder meditativ in seine Kindheit "hinabsteige" und sich das gräßlichste Erlebnis vergegenwärtige ("But: no personal bullshit! I'm not interested in! Keep it out!") Daraufhin hatte sich jeder das eigene damalige Erleben zu vergegenwärtigen, und als "trigger" zu speichern, sich wie vor die Stirn zu nageln.

Y meinte, er wisse nicht, was gemeint sei. Denn er habe kein solches entscheidendes "trigger"-Erlebnis, so sehr er sich auch in die Kindheit versetze. Da brüllte Z ihn an: er sabotiere ihre Arbeit, indem er aussteige, er solle sofort schweigen. Neuerlich versuchte Y, von ihr zu erfragen, was damit gemeint sei. Denn er ... Da zieh sie ihn vor versammelter Mannschaft der Unkollegialität, denn er koste aller Zeit und Konzentration. Wenn er noch einmal nicht einfach tue, was sie verlange, sei er gefeuert.

Irritiert schwieg Y. Sein Gegenüber grinste. Später zeigte er die größte Berührtheit von allen: sein Trigger-Erlebnis war das Beeindruckendste. Unter Tränen berichtete er darüber. "Excellent," raunte Z!

Vermutlich lautete die dahinterstehende Theorie, daß es für jeden ein grundsätzliches traumatisches Erlebnis gebe, das ihn wie eine Wurzel mit bestimmten Säften bis in die letzte Pore hinein färbe, alles vergälle. Der eine der beiden Pole. Nach dieser Theorie. Ob es das Sein und das Nichts bedeuten konnte? Er behielt die Gedanken für sich.

Nachtrag:

Oscar fürs Schauspiel

Z verlangte von den Schülern zu spielen, wie man selbst - als Schauspieler - sich verhalten würde, erhielte man den Oscar.

Einer nach dem anderen erledigte seine (Improvisations-)Aufgabe. "Ja. Schauspieler, die einen Oscar erhalten - gut, richtig ..." So und ähnlich lauteten die Urteile.

Dann kam Y an die Reihe. Als er geendet hatte war das Auditorium irritiert. Man habe einen äußerst souveränen Mann gesehen, nicht aber einen Schauspieler, der einen Oscar erhalten habe, der ihm regelrecht zustehe. Z tadelte gar das "geringe Spiel", auch wenn eindeutig zu sagen war, daß es zu keinen privaten Momenten - dem Ende jedes Spiels - gekommen war.

***

Mario Adorf meinte einmal in einem Interview: "Was ist ein Schauspieler, wenn er nicht eine Rolle spiele? Er ist ... nichts. Ein Klempner bleibt ein Klempner, ob er Feierabend hat oder nicht. Ein Schauspieler aber? Er existiert nur, wenn er eine Rolle spielt, auf der Bühne, vor der Kamera steht. Was ist er nachher sonst als ... ein ganz normaler Mann?"

***

Da hatte Y das Gefühl, daß er es weit bringen würde, wenn ihn Erfolg interessieren würde.





*270308*

Seltsamkeiten und Dalai-Lama


Peter Scholl-Latour meint über den Buddhismus der Tibetaner besonders VOR der Okkupation der Chinesen 1950:

"Eine ,Insel der Seligen' ist diese isolierte Hochgebirgslandschaft nie gewesen. Der Lamaismus war dort in Zauberei, in einer Horrorwelt von Teufeln und Dämonen erstarrt. Die Masse der Bevölkerung lebte als feudalistische Untertanen, wenn nicht als Sklaven. Im Potala-Palast in Lhasa spielten sich mörderische Intrigen ab. Die meisten Vorgänger des heutigen Dalai-Lama starben an Gift. Es handelte sich um eine religiös verbrämte Tyrannei." Auch der tibetische Buddhismus ist nicht so gewaltfrei, wie er oft dargestellt wird. Ehemalige Mitarbeiter des Dalai-Lama bezeichnen die jährlichen Kalachakra-Rituale als Veranstaltungen zur Rekrutierung von "Shambhala-Kriegern" (buddhistische "Gotteskrieger"), die eine buddhistische Weltherrschaft vorbereiten sollen. Laut Kamphuis spielen Frauen eine untergeordnete Rolle. In der höchsten Meditationsform, Tantra, sei Sexualmagie ein wesentlicher Faktor: "Hierbei werden Frauen von dem Meditierenden sexuell für einen spirituellen Aufstieg gebraucht."

Manche Stimmen meinen, daß die Religionsfreiheit seit dem Einmarsch der Chinesen erst "erreicht" war. Der Schweizer Religionswissenschaftler Prof. Peter Schmid (Zürich) beschreibt die vergangenen fünfzig Jahre so: "Bis die Heere Maos einmarschierten und die alten Strukturen aufbrachen, hielten die Lamas - die tibetischen Mönche - das ,Dach der Welt' in eisernem Griff. Das Jahr 1950 markiert den Übergang im Leiden der Tibeter von der religiös-totalitären Feudalherrschaft der Lamas zu einer harten kommunistischen Fremdherrschaft. Unter dem roten Regime dürfte sich allerdings der Freiraum der Tibeter, ihre Religion zu wählen und zu leben, vergrößert haben." Das sollte allen zu denken geben, die laut "Spiegel" "Tibet als Symbol des Guten betrachten, als letzten Hort der Spiritualität, wo Weisheit und Harmonie bewahrt werden" und von China Religionsfreiheit für Tibet fordern. Es wäre nach den Vorstellungen der Tibeter nur Freiheit für den Buddhismus, nicht aber auch für den christlichen Glauben.

(Bericht kath.net/idea; siehe Verlinkung der Titelleiste)




*270308*

Dienstag, 18. März 2008

Verloren gegangene Priesterberufungen

Eine nie zu klärende, aber aus persönlichen Eindrücken äußerst wichtige Frage, ist die Frage der verloren gegangenen Priesterberufungen. Nicht nur daß ich erstaunlich viele Männer bereits traf, die in ihrer Kindheit und Jugend den Wunsch hatten, Priester zu werden, doch aus irgendwelchen Gründen im "Zivilleben" landeten, hatte ich erst unlängst aus dem Gespräch mit G. erfahren, daß alleine in diesem Jahr in der Mitte der 80er Jahre drei Seminaristen aus dem Kloster NN sich wieder verabschiedet hatten: Sie waren von der liberalen, ja freizügigen Art des vorgefundenen Klosterlebens enttäuscht und abgestoßen. (Der damalige Novizenmeister ist heute Abt eines Schwesterklosters.)

Einer hatte sogar die ganz simple Angst, Alkoholiker zu werden. Er meinte zu mir: "Wenn aber sogar Mönche am Abend die Flucht in den Rausch benötigen, weil sie ihr Leben sonst nicht aushalten ... ?" Als er sich vorsichtig zu beschweren versuchte, ignorierte man ihn.

Beinahe alle diese "verlorenen Priesterberufungen" werden aber diese Berufung nie ganz los. Auf irgendeine Art versuchen alle, sie zu leben, auch wenn sie verheiratet sind, Kinder haben etc. Fast immer habe ich den Eindruck, daß sie diese ihre Berufung als Auftrag ernster nehmen als sämtliche spätere Lebens- und Standesentscheidungen. Dieser eine versucht heute, wiewohl ebenfalls verheiratet, eine Form von monastischem, kontemplativem Leben des "Immerwährenden Jesus-Gebets" inmitten seines Zivillebens zu führen, denn es hat ihn dieses damalige Ideal nie in Ruhe gelassen. Nun, vierzig, in jenem Alter also, wo ein normaler Mensch ernst macht, ist seine Entschlossenheit groß wie nie. "Vielleicht kommt noch der Tag der 'viri probati'" meinte er.




*180308*

Samstag, 15. März 2008

Details zu Viten historischer Personen

Oft habe ich mich schon gefragt, wie Viten, literarische Komplexe, volle Details, entstehen, die uns noch Dinge beschreiben, von denen man kaum fassen kann, daß die überliefert sind - oder daß man die überhaupt festhielt.

Wo darüber noch Verwunderung herrschte, schlug sie nun in Bewunderung für solches Faktensammeln um, weil mir solche Biographien als Summe oft unendlicher Akribie deutlich wurde. Am Beispiel: Johann Gottfried Herder (1744-1803). Noch nie hatte ich gehört, daß der lebenslang an einer mehr als lästigen Entzündung des rechten Auges litt.

Bis ich über ihn in autobiographischen Notizen bei Goethe las, der beschreibt, daß Herder, den er in Straßburg kennengelernt hat, an die Ursache dafür ein nicht vorhandener Tränenkanal im rechten Auge war. Dadurch war dieses Auge ständig gerötet, tränte stark, was nicht unerheblich zur häufigen Gereiztheit Herder's beigetragen haben mag, wie sie Goethe oft - und unverzüglich mit Herder's gesundheitlicher Belastung entschuldigend - erwähnt.

Herder erhoffte in Straßburg (um 1770; Herder war damals 26 Jahre alt, Goethe 21, als sie sich ebendort kennenlernten) von einer Operation durch Lobstein, einen international anerkannten Spezialisten für Augenoperationen dieser Art, Linderung. In welcher in den Knochen der Augenhöhle ein Loch gebohrt wurde, durch das die sich ständig sammelnde Tränenflüssigkeit abfließen können sollte.

Die Operation gelang soweit (dachte man erst) und um dieses Loch offenzuhalten, um zu erreichen, daß der Kanal als offener vernarbte, zog man ein Pferdehaar ein.

Doch leider genügte das nicht. Die Öffnung wuchs immer wieder zu, die Operation wurde wiederholt - ohne Erfolg. Herder hatte also monatelange Qualen zu erdulden, um dann am Ende doch aufgeben zu müssen. Sein Augenleiden blieb ihm bis zum Tode (1803) erhalten.





*150308*

Ein schrecklicher Text, meinte Goethe.

Edward Young (1681-1765)

"Then old Age und Experience, hand in hand,
Lead him to death, and make him understand,
After a search so painful and so long,
That all his life he has been in the wrong."

Manchmal könnte einen schon die Panik darüber ergreifen, wie ungewiß die Lebensfahrt ist.
Manchmal könnte einen die Panik erfassen, wenn man erkennt, daß alle eigene Kraft nicht reicht, daß man selbst nach größter Anstrengung noch weit mehr der Barmherzigkeit bedarf, als man hoffte. Weil man vorausblickt, aus seinem Körpergefängnis (denn das wird er dann, bzw. wird einem dann bewußt, daß er das in dieser Welt ist) hinausblickt und plötzlich ist's einem, als würden sich vor einem nur wahre Hürdenläufe aus Schleiern und Hindernissen auftun und als blitzte erst weit weit dahinter das lichte Feld der uneingeschränkten Wahrheit.

Man kann nur hoffen, daß einen diese Panik nicht am Totenbett erst überfällt. Wenn der Körper kraftlos wird, sich von der Seele zu lösen beginnt - und damit diese losläßt. Und man selber plötzlich frei wird von allen Selbsttäuschungsmechanismen und Lügenapparaten, die man sich ein Lebtag lang angezüchtet hat.





*150308*

Freitag, 14. März 2008

Heilsmöglich und heilsnotwendig ...

Zwei schöne Begriffe der Katholischen Dogmatik - jener der HEILSNOTWENDIGKEIT sowie jener der HEILSMÖGLICHKEIT. Schön gar in ihrer Verbindung mit den Begriffen der "dogmatischen" und der "bürgerlichen" Toleranz (siehe die Karfreitagsbitten).

War immer klar, daß die Kirche heilsnotwendig (eben er die erste, im Umstand Jesus/Gott gesehen und damit mementorial innewohnende, im Geist wunderbarerweise wirkliche, fleischgewordene wie sukzessiv -gebliebene, und damit wirklich gewordene Verbindung von Übernatur und Natur) ist, formte sich etwa ab Ambrosius und seinem Schüler Augustinus (in Zusammenhang mit der Begierdetaufe) der Begriff der Heilsmöglichkeit aus. Augustinus geht sogar so weit, daß er die Häretiker unterscheidet in "formelle" und "materielle" Häretiker. Nur ersteren sei das Heil (weil bewußt gewollt, als Zielrichtung ihrer Existenz quasi) verwehrt, letzteren (den unbewußten Häretikern also) nicht unbedingt.

Vor allem im Eindringen gewisser Annahmen wie Erkenntnisse der (heute: an sich) materialistisch-mechanistischen Psychologie wird auch die formelle Häresie zunehmend aufgeweichter gesehen. (Wieweit "will" ein Mensch, was er "will"? Wo und wann ist jenes Zentrum motiviert, wenn er als "ich will" zu bewegen scheint?) Ab wann ist ein gesprochenes Wort, ein gefaßter Gedanke bindekräftig, weil er frei gefaßt ist?

Hier kannte das Christentum in seiner (philosophisch fundierten - als Geistseele begriffen wohl die adäquate Wissenschaft) Seelenkunde bereits ein Unbewußtes, als Freud noch nicht einmal angedacht war ...

Der Begriff der Heilsmöglichkeit freilich wurde in seiner Unsagbarkeit, Unbestimmbarkeit (er schließt ja nur nicht aus, nicht hingegen explizit ein) dort problematisch eingesetzt, wo diese Unsagbarkeit zur Heilsgewißheit mißgedeutet wurde. Die Rezeptionsgeschichte von "Lumen gentium" (Vat. II) ist eine Geschichte dieser Mißdeutungen. Ja für manche Kreise ist dieser Begriff zum Angelpunkt einer neuen (und synkretistischen) Theologie geworden.





*140308*

Gibt es Christentum als Politik?

(Titelverlinkung: Homepage der Partei "Die Christen" in NÖ)

Bei den NÖ-Landtagswahlen ist wieder einmal eine Partei angetreten, die schon im Parteinamen "Die Christen" vermeint klare politische Forderungen stellt - was mich höchst seltsam berührt. "Christentum" an sich ist nämlich leer, ist wie das Aroma, das eine konkrete Materie und Lebensaufgabe durchdringt. Politik selbst ist aber ebenfalls keine Regelung des Lebensalltags, sondern hat stets nur in Subsidiarität die Rahmenbedingungen zu einem gedeihlichen, naturrechtlich respektierten Leben der Bürger zu gewährleisten. Dieses aber nicht vorzuschreiben. Sohin: zu ermöglichen, Christ zu sein. Was "Christliche Politik" sei, das ist mir aber nicht klar.

Ist also diese Gruppierung nichts als die nächste Gruppierung der "besseren Katholiken", der noch moralischeren Menschen, die in die "Sakristei drängen" (Wortoriginal von Bischof Krenn) als eine Art "Parallelkirche", ja täuschlerisch sich als konservativ gebende, aber revolutionäre, ja besonders heimtückische "Kirche von unten"-Bewegung, als Ansammlung von Wichtigmachern, Möchtegern-Klerikern (mit besonders hohem Anteil an Frauen und Männern, die eigentlich mal Priester werden wollten) und Verstiegenen? Von historischen Bezügen auf den bisher gewaltigsten Versuch - und der mußte auch scheitern, wie gesagt: was IST Christentum als Politik? Genau das war doch schon die Enttäuschung, die Christus selbst spätestens nach dem Palmsonntag allen bereitet hatte!!! - Der Verbindung von Politik und Christentum im Ständestaat des Österreich von 1933ff ist nichts zu merken, auch nicht von den gewaltigen und bemerkenswerten theoretischen Anstrengungen, die damals stattfanden. Namen wir E. K. Winter oder Seipel oder Messner etc. etc. zu finden wäre zwar zuviel verlangt, aber diese neue Partei scheint sowieso die Welt neu erfinden zu wollen.

Was ist also "christliche Politik", betrachtet man das Programm der Partei "Die Christen"?

Um das zu ergründen, habe ich nun die konkreten Forderungen auf deren Homepage angesehen. (Das Abschneiden bei der Wahl letzten März-Sonntag war ja mit zweieinhalb Prozent der Wählerstimmen durchwachsen.) Gleich der erste Eindruck: Es sind (fast möchte ich polemisch sagen: erwartungsgemäß) nur zum Teil POLITISCHE Forderungen, keinesfalls ist es ein Gesamtprogramm, sondern bestenfalls Ergänzung zu bestehenden Grundzügen mancher Parteien, sprich: der ÖVP. Wenn auch der webtechnische Menüpunkt "Schwerpunkte" suggeriert, daß sehr wohl eine gesamtpolitische Vorstellung existiert. (Was ich bestreite, s. u., zu viele Widersprüche existieren.)

Ich bin also wahllos und klicke das Nächstliegende an ... wobei es mir gleich bei den Forderungen zur "Kultur" kalt über den Rücken läuft: Denn hier wird ganz klar eine Ideologisierung der Kunst gefordert, und damit deren Tod. Wo die Kunst tot ist - ist es auch bald die Religion. Das haben die Herrschaften aber wohl noch nie gehört, schon gar nicht reflektiert. Also finden sich die alten Forderungen, wie sie eben ideologisierte Idioten immer gestellt haben und stellen: Freiheit der Kunst, natürlich, ABER NUR WENN ...

Keine Ahnung von Kunst und so wird auch hier - bei welcher Partei derzeit nicht? Da muß man sogar lobend die ÖVP, ab und zu auch die SPÖ erwähnen! Nur dort bzw. bei manchen ihrer Bundesproponenten hatte ich bisher den Eindruck, daß Freiheit und Kunst etwas miteinander zu tun haben - Kunst, Künstler und Verwendung von Kunst wahllos durcheinander geworfen, ja in eins gesetzt, um die Bedrohung - und Kunst ist IMMER eine Bedrohung, wenn sie denn Kunst ist - hintanzuhalten. Jeder Künstler müßte sich also fürchten! Was er bisher lediglich bei FPÖ und den Grünen müßte, deren Ideologisierungsforderung von Kunst unübertreffbar und eindeutig innerhalb der Fußstapfen des guten alten Funktionärs-Mäzenatentums liegt. (Der Forderung nach einer angeblichen Pflicht der Politik nach direkter "Förderung der Kunst" - was ist das? - kann ich nie etwas abgewinnen.)

Themenwechsel. Ich klicke mich gleich weiter.

Die Forderung nach Lebensschutz ist - na net nana - uneingeschränkt zu unterstützen, keine Frage. Ich bin ja sowieso gespannt, wie lange die Kirche den von Schönborn medial erst unlängst wieder so süß vertretenen Weg - ein unendlicher Spagat - aushält, einerseits die Abtreibung als das bewertet zu wissen, was sie naturrechtlich ist - Mord - und anderseits diesen Mord nicht bestraft gewußt zu wollen. Aber Schönborn wird das schon wissen. "Die Christen" scheinen es aber auch mit Schönborn zu haben, denn sie schweigen sich ebenfalls dazu aus. Aha. Das klare Wort haben die Herrschaften also nicht erfunden. Wer aber ... wenn nicht die Politik? Was ist dann das Programm der "Christen"? Sie haben doch sonst nix, wie sich gleich herausstellen wird! Da bringen die sich also um einen der wenigen wirklichen politischen Punkte ... das verstehe mal einer.

Die Forderung nach dem "umfassenden Rechtsschutz" des Lebens hinkt nämlich damit entscheidend in diesem Punkt. (Auch hier wäre übrigens bereits nach bestehenden österreichischen Gesetzen, für die Abtreibung nach wie vor ganz klar strafrechtlich relevanter Mord ist, lediglich ein Gesetz WEGZUNEHMEN, nämlich jenes über die Aussetzung der Strafverfolgung unter bestimmten Bedingungen - die sogenannte Fristenlösung.)

Ähnliches betrifft die übrigen Forderungen zu diesem Themenkreis: Eigentlich ist derzeit noch alles per Gesetz zumindest implizit geschützt, (meist nicht einmal) diskutierte neue Gesetze betreffen die Umgehung oder Aussetzung der bestehenden Gesetze (Embryonen, Euthanasie). Somit halte ich es für nicht nur nicht notwendig, sondern sogar politisch wie medientechnisch unklug, diese Themen überhaupt anzuziehen.

Das Thema "Bildung und Erziehung" enttäuscht vorerst sogar noch mehr: außer allgemeinen Floskeln und ein wenig (ja, stichhaltiger) Jammerei über (ja, kann man irgendwie schon so sehen) pädagogische wie lehrinhaltliche Mißstände ist nichts zu finden.

Außer etwas Augenfälliges ... als Höhepunkt findet sich doch tatsächlich ein Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (also was jetzt? die fordern doch auch die "Antidiskriminierung von Homosexuellen und Frauen" etc.?) Mehr ist leider zu diesem Thema nicht zu finden. Ginge ich wählen - wozu sollte ich also zustimmen, außer nebulosem "Erziehung nach christlichen Werten"? Erst sollte man da außerdem endlich den Kirchen (und Klöstern) ans Krawattel fassen!!! Denn in welcher kirchlichen Schule, wählt man sie als Eltern, ist das noch als (v. a. dimensionale) Ergänzung zum elterlichen Auftrag gewährleistet, sind die angeführten Mißstände s. o. nicht zu finden!? In so gut wie keiner, behaupte ich, und zwar aus eigener und jüngerer Erfahrung.

Die einzige heraus lesbare irgendwie originäre POLITISCHE Forderung könnte aber nicht mehr als ein großes Mißverständnis, ja sogar eine große Drohung sein - da steht nämlich:

>>Der Staat hat zu gewährleisten, dass Erziehung und Unterricht der Kinder entsprechend den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern stattfinden. Wir treten dafür ein, dass unsere christlichen Wertvorstellungen über den Lebensschutz, über Ehe, Familie und Kultur in der Kindererziehung und in der Erwachsenenbildung zum Tragen kommen.<<

Der Staat also hat zu gewährleisten ... aha. Da haben die Herrschaften den Kakao der Aufklärung schon etwas sehr bereitwillig geschlürft, durch den wir gezogen wurden - als die Bildung (das geht nicht ohne Inhalte) als Aufgabe des Staates okkupiert wurde. Bildung und Ausbildung ist und bleibt EIN RECHT (wir eine Pflicht) der Eltern, und von dort ausgehend den je weiteren Gemeinschaften, in welchen sich diese befinden. Der Staat hat bestenfalls dafür zu sorgen, daß die Eltern etc. dies ausüben können, ja er hat es auf eine Weise (aber: wie?) sogar zu fordern, um das Recht der Kinder bei elenden Eltern (angeblich heute bereits wieder etwa 10 Prozent !!!) durch Forderung derer Pflichten zu stärken.

Schon gar nicht beitreten aber kann ich aus realpolitischen Gründen - wir leben nicht mehr in der kulturellen Geschlossenheit des Mittelalters!!! - der Forderung nach "Werteerziehung" und sei es noch so gut gemeint. (Sieht man davon ab, daß es einem kalt über den Rücken läuft, wenn man das Pädagogik-Verständnis dahinter ahnt. Pädagogik ist nämlich zuallererst immanent, der "Duft der Lebensweise"!) Der Staat hat sich nicht um die Implantierung von Werthaltungen meiner Kinder zu kümmern, aus und Maus! Das kann mir als Eltern niemand abnehmen, das auf gesamtstaatlichen Maßstab abzutreten ist totalitaristisch, nicht einmal stände-elitistisch zu begründen.

Ich kann mir als Eltern die Schule aussuchen, gut und richtig, und diese Möglichkeit haben wir in Österreich übrigens VORBILDLICH! Anders als in Deutschland beispielsweise. Da gibt es in Österreich also nichts zu fordern, das will auch hierzulande niemand antasten. Wie also das Problem der ideologischen Ausrichtung von Wissenschaften wie Lehrern in den Griff kriegen? Das geht gar nicht. Es sei denn, man reduziert die Schule zumindest in den unteren Stufen wieder auf die überschaubare Gemeindeebene! Eine solche Forderung - wie überhaupt eine Forderung nach "Verkleinerung" der Strukturen - findet sich aber nicht, die wäre aber real, und die ist real auch berechtigt zu erheben, weil sich in allen Bundesländern (Unterricht auf Grundstufen ist in Österreich Ländersache!) die deutliche und ganz praktische Tendenz zur Zentralisierung der Grundschulen durchzusetzen beginnt. Von konkreten Vorschlägen aber ist auch hier sohin nichts, rein gar nichts zu finden.

Konzentrieren wir uns zu guter Letzt auf das erwartungsgemäß ergiebiger ausgeführte Thema "Ehe und Familie" - hier ist auf der im Titel dieses Blog-Beitrags verlinkten Homepage zu lesen:

>>Wir fordern daher:
Rechtliche Neuordnung der Institution Ehe mit dem Ziel, das Hineinwirken staatlicher Organe in die Familie zurückzudrängen.
Die Ehe ist die einzige Form der Lebensgemeinschaft, die den Interessen und der Menschenwürde der Kinder gerecht wird, und ist daher rechtlich zu schützen.
Strafgesetzlicher Schutz gegen die Herabwürdigung von Ehe und Familie.
Die gesetzlichen Privilegien für Homosexuelle sind rückgängig zu machen.
Förderung von Ehe und Familie in wirtschaftlicher Hinsicht durch:
Familiensplitting im Steuerrecht
Müttergehalt mit Sozialversicherung und Pensionsanspruch
Direkte finanzielle Förderung von Eltern und Familien
Wahlrecht der Eltern für ihre Kinder
Erziehungsgeld: Wer Kinder selbst betreut, soll bekommen, was der Staat für Kindergärten, Hort, usw. ausgibt.<<

Zwar wäre z. B. ein Hinausdrängen der Politik aus Ehe und Familie nur zu unterstützenswert (was m. E. aber keine Neuregelung verlangte, sondern lediglich eine Beendigung der Verflachung - die Auflösung geschieht auf diesem Weg - der Ehe und Familie über die Veränderung umgebender Gesetze), doch lese ich die weiteren Forderungen, nehme ich den Herrschaften das einfach nicht ab: Denn die weiteren Punkte haben genau das zum Inhalt, ein weiteres Einmischen lediglich unter anderen Vorzeichen. Und zum mindesten über Geld und Geldverteilung. Privilegien für Homosexuelle kann ich (noch) nicht ausnehmen, sieht man von den EU-"Menschenrechts"-Trotteleien ab (die Kirche hat damals einen EU-Beitritt übrigens unterstützt und mitmanipuliert, also soll sie nun den Mund halten und Abbitte leisten, statt zu versuchen, die Schuld an allem was ihr nun nicht so paßt anderen in die Schuhe zu schieben) - allerdings auch keine Diskriminierung, wie andere meinen.

Regelrecht treuherzig-dumm schon finde ich das in Kirchenkreisen gern verbreitete "Geldverteilungsspielchen" - wo man meint, über das Finden neuer Sozialleistungen Politik machen zu müssen. Das hat man in den 60er-, 70er Jahren auch geglaubt.

Denn net bös sein: Sozialleistungen dürfen lediglich subsidiär sein. Das müßte also nun nicht heißen: Geld für jene, die die Subsidiaritätsleistung des Staates NICHT benötigen, also z. B. die Kinder selbst erziehen! "Auf was hinauf?" Da fehlt es am Bewußtsein, was denn solche Leistungen überhaupt sind - eben Leistungen, die der Staat übernimmt, wenn die Einzelnen (Familien) Leistungen nicht mehr erbringen können. Ansonsten aber hat der Staat die Aufgabe, sich diskret auf jeder Kindererziehung etc. herauszuhalten! (siehe Forderung 1 ...).

Noch hirnrissiger sehe ich die "moderne" Forderung, den Müttern ein Gehalt zu zahlen. Woher - wenn nicht von den Männern, den Werktätigen (und wenn das nicht die Frauen sind, dann sind es ...? Richtig, die Männer), denn den wirklichen Geldvermehrungsapparat hat nicht einmal der Turbokapitalismus bisher erfinden können - das kommen soll, ist den "christlichen Wertequatschern" wohl auch gleichgültig.

Erfahrungsgemäß sind übrigens solche Aktivisten in hohem Maß Beamte bzw. Menschen in öffentlicher, rückwirkungsunabhängiger Besoldung, und Pensionisten - nicht zufällig daher auch diese strukturell ewig gleichen Forderungen, geboren aus der Langeweile.

Ebenfalls abzulehnen ist dieses alte, schon so abgestandene und so absehbar politisch irrsinnige Spiel, mehr Förderungen würden den Familien helfen (den Sozialstaat heutiger Ausprägung können wir uns doch jetzt schon nicht mehr leisten!). Nicht MEHR Förderungen den Familien (und damit weitere Stärkung deren Abhängigkeiten vom Staat!) - sondern WENIGER Förderungen den Nicht-Familien, so muß ein sozial gerechtes System lauten, das mit dem Begriff "Kostenwahrheit" etwas anfangen kann. Als da sind folgende Beispiele: höhere Besteuerung (Renten) für Alleinstehende (dafür von mir aus geringere für Familien), höhere Sozialabgaben für dieselben, generell: Abgeltung der höheren Infrastrukturkosten für Alleinstehende.

Politische Ahnungslosigkeit - auch so typisch für kirchennahe Kreise - kann man deshalb der Forderung nach Müttergehalt attestieren. Denn über diese Zwangsumverteilung (Mann zu Frau) wird DIREKT in die Ehe eingegriffen. Und außerdem einem Denken Vorschub geleistet, das meint, das Dasein selbst wäre in allen seinen Lebensäußerungen mit Geld zu bewerten. So nebenher wird nämlich der "Verdrießlichkeitsaspekt" bei den das Leben bestimmenden Verrichtungen - Arbeit, Gebrauchtheit, Sinn! - auf eigentümliche Weise deshalb verstärkt, als das "Unangenehme" durch Geld abzugelten sei.

Stattdessen würde es bei einer solchen Verschiebung von Macht über Entkoppelung der Herkunft jener innerhalb der Familien (die am schlimmsten durch "Verrechtung" geschieht) zu deren weiterer Auflösung kommen. So wie ich der festen Überzeugung bin, daß eine der weitreichendsten und wirksamsten Maßnahmen der sozialistischen Familienpolitik war, die Rechte auf Kinderbeihilfe, Steuerausgleichszahlungen für Kinder etc. AUF DIE FRAU zu legen. Unmerklich hat man damit auch die Macht innerhalt der Familien verändert, und deren Auflösung über Aufweichung des Einheitsprinzips beschleunigt.

Sohin bleibt neben der Forderung nach Zurückdrängen der Politik aus Ehe und Familie - die die (demokratische) Partei "Die Christen" schon im nächsten Atemzug in der Praxis aber widerruft - nur noch eine einzige sinnvolle Forderung aus dem Bereich "Familie und Ehe", nämlich jene nach dem Familienwahlrecht, dem nach Kinderköpfen gewichteten Wahlrecht der Eltern.

Das ist SEHR wenig.

Eine Partei für Christen? Keine Ahnung, was die über die Kirche hinaus als Institution noch zu brauchen meinen. Aus ihrem Programm heraus wird es jedenfalls nicht klar. Das ist nicht gescheiter oder klüger oder weniger beängstigend (da darf man doch mal darauf hinweisen, daß der scheinbare Friede der Kirche - dessen Dauer sich in Jahrzehnten bemißt! - mit der Demokratie nicht auf deren Naturgemäßheit beruht, sondern realpolitischer wie historisch-bedingter Kompromiß war wie ist! Insofern ist in der Demokratie JEDE politische Forderung aus ihrer Natur heraus erst mal FURCHTERREGEND, weil sie aus ihrer Natur heraus bereits geringeres Übel - wo sie noch "gut" - aber nicht, ja niemals einfach an sich gut ist!) nicht einmal ethisch-verantwortlicher als anderswo. Bestenfalls naiver.

Das gar nicht unbeachtliche Ergebnis bei den letzten Landtagswahlen deutet zwar auf ein Grundbedürfnis nach klarer, naturrechtlich fundierter Politik, wie sie ÖVP oder FPÖ nicht bieten. Aber es ist auf ein Mißverständnis zurückzuführen, auf absolut unklare Aussagen darüber, wie Christentum überhaupt politisch verstanden werden kann. Was umso bedauerlicher ist, als sich in der Parteileitung Juristen finden - die sich aber offensichtlich auch nicht auf ihre Kernkompetenz konzentrieren, sondern etwas anderes spielen wollen.





*140308*