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Sonntag, 30. März 2008

... wählen ihre Schlächter selber ...

Das Bemerkenswerte, Interessante an den "Erinnerungen eines Sexualarztes" von Dr. L. Lenz (verfaßt 1941, redigiert 1953 in Cairo, denn der Verfasser mußte 1933 aus Berlin fliehen) ist, daß er nicht sieht, wie sich jene Staatsmacht, der er selbst zum Opfer fiel, aus den von ihm selbst vertretenen Gedanken entfalten konnte - und kann.

Lenz - Mechanist und Naturalist - fordert z. B. "Volkshygiene", indem er auf die seiner Meinung nach an sich vorbildlichen, nur im Fall der Juden "mißbrauchten" Sterilisationsgesetze des Dritten Reiches hinweist. Die Gesetze (auch Abtreibung betreffend) seien aber im Fall sexueller Abartigkeit, Schwachsinn etc. etc. (also: "lebensunwertes Leben", das als Begriff nicht per se ethisch verwerflich ist, sondern wo die Ethik von der Fassung des Begriffs abhängt, was denn lebensunwert sei - ob soziale Ursachen oder das, was "normal" ist, ist nebensächlich) notwendig.

Das Entlarvende, ja Aufweckende an seinem Buch aber ist, daß es so "modern" wirkt. Daß sich die von Lenz darin entworfenen Grundzüge einer medizinischen Ethik so lückenlos ins Heute fügen. Daß also ersichtlich wird, wie DIESELBE Ethik, die dem Nationalsozialismus zugrunde lag, auch der heutigen Volksethik zugrunde liegt, daß sich ihr Eingrenzung nur aus Gründen ergibt, die nie in der Sache (Naturrecht), sondern in ideologischen Thesen und Moralvorstellungen liegen.

Und sie fußt in denselben Ideen, die um die Wende 19./20. Jahrhundert entstanden: einer Ideenwelt einer zusammenbrechenden Kultur, die meinte, sich aus historischen Erweisen, Fakten und Folgen geistig neu begründen und orientieren zu müssen.





*300308*