Ehre bedeutet, der Vollkommenheit einer Sache, ihrer reinen Idee und damit ihrem Gesollten - dem göttlichen Willen und Auftrag also - mehr verpflichtet zu sein als den plumpen Möglichkeiten (Gelegenheiten) einer faktischen Welt. Sie bedeutet sohin, sich der Ideenwelt mehr verpflichtet zu fühlen als dem transzendenzlosen Materiellen. Nirgendwo lebt diese Haltung mehr als im Begriff des "Ritters," an den sich nahtlos der "Edle" ("Adelige") anschließt: als gestalthafte Anwesenheit des Zieles einer Kultur.
Eine Welt des Spannungsabbaus, eine Welt der puren immanenten Bedürfnisbefriedigung und des Subjektivismus kennt interessanterweise aber dennoch Ehre! Denn die Ehre bezieht sich eben auf das Verständnis der Welt und ihrer Natur. Das beweisen täglich die Hollywood-Filme, die über die Bildschirme laufen, und deren Dramaturgie nahezu ausschließlich auf einen Ehrbegriff abzielen, der den Wertegrund des Amerikanismus deutlich machen.
Als wäre Ehre in jedem Fall der Daseinsbogen des Menschen, der sein Handeln motiviert. Weil jeder Mensch auf Ideen bezogen lebt. Worauf sich Ehrbegriffe also beziehen, zeigt die Zukunft einer Gesellschaft, einer Kultur an, die durchaus ihr Selbstmord sein kann.
Der Verlust der Ehre - durch Urteil, aber auch Verleumdung, die anzeigt, wie jemand gegen einen Wertegrund verstößt, also außerhalb diesem steht - ist bis zum heutigen Tag ein Ausschluß aus einer Kultur, aus einem soziokulturellen Umfeld, und bringt für jeden, der die Absonderung des Ehrlosen durchbricht, dieselbe Aussonderung. Bis zum Zustand: "Vogelfrei".
Aber dieser Begriff ist relativ. Er bindet sich nicht an die absolute Werthaltigkeit einer Kultur, sondern zeigt nur ihre Verteidigungstendenz. Und: Es gibt dieses "vogelfrei sein" - der Verlust des Gebots des Respekts der Ehre - bis zum heutigen Tag. Und ich stehe nicht an, das Schicksal so vieler geschiedener Männer und Väter damit zu vergleichen. Denn die heutige, emotionale Wertewelt ist ein Resultat der Zerstörung der Ehre, der Erhebung der Ehrlosigkeit zum Lebensgesetz aus vermeintlicher Not - deren Hauptfeind der Mann als Ritter ist.
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