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Montag, 26. Januar 2009

Starke Frauen sanft geschmeichelt


KURIER: "Die Wirtin" lässt Sie nicht los – Ihre erste Fassung des Goldoni-Stücks stammt aus den 70ern. Das Stück dominiert eine sehr starke Frau. Sind Sie Feminist?

Peter Turrini: Mich faszinieren starke Frauen. Sie sind besonders liebevoll, während unterwürfige Frauen früher oder später verzweifeln und böse werden. Sie verfallen der inneren Frustvermehrung und der Dauerkeppelei. Je emanzipierter eine Frau ist, je mehr sie ihr eigenes berufliches Leben lebt, desto hingebungsvoller und weichherziger ist sie. Einige Kollegen haben das noch nicht ganz durchschaut ...

Ich bin mir nicht sicher, ob bei Turrini nicht diese riesenhafte Dimension annehmende Sehnsucht des Mannes den Blick trübt, die sich in eine solche Frau - und das erhofft man ja von einer Frau - mehr hineinträumt als sie real vorfindet. Ich kenne keine solche Frauen, wie Turrini hier anführt. Ich kenne nur einen unvereinbaren Zwiespalt in ihnen, der sie zwischen diesen Rollen s. o. hin- und herspringen läßt.

Ansonsten aber gibt sich Turrini schon seit Jahren sehr geläutert, was ihn als Künstler ausweist, der sich zwar lange wehren kann, aber langfristig zur wahren Form zurückkehrt. Denn sie ist es, die ihn überhaupt treibt. Damit höre ich auch gerne zu, wenn er über Theater und Dramaturgie spricht. Es gewinnt schon längere Zeit zunehmend Relevanz.

Diese Priorität der Form erkennt man bei ihm an Sätzen wie diesem:

In meine Fassung aus dem Jahre 1973 sind mir ein paar feministische Töne hineingerutscht, die weniger nach Literatur, mehr nach Zeitgeist klingen. Wann immer ich das Stück in den letzten dreißig Jahren gesehen habe, sind mir auch ein paar schlechte Sätze aufgefallen. Da hat mich kurzes, heftiges Leid ergriffen. Das habe ich jetzt geändert.

Wobei das durchaus ein wenig zornig macht. So leicht kann sich Saulus nicht als Paulus ausgeben. Turrini hat auch viel angerichtet, dem wiederum nur er - nicht aber andere - entfliehen können. Für so viele andere nämlich ist der Rucksack von ihm selbst sehr schwer gemacht worden. Er aber ist "mit der Bewegung groß geworden, er verdankt ihr alles." Er war ein Mitschwimmer.

Ob sich das wirklich noch ändert, wird man sehen. Die Hoffnung habe ich aber bei jedem Künstler, für den Wehrlosigkeit gegenüber der Wahrheit - als Gestalt, als Form, in seiner ihm gemäßen Darstellungsart - Fluch wie Gnade ist. Sein Leidensinstrument, sein Kreuz, ist eben die Form. Disput ist letztlich für ihn irrelevant, nur Instrument der Befreiung. Er ist nicht Philosoph.




*260109*