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Montag, 26. Januar 2009

Menschsein heißt immer, einem Volk anzugehören

Wenn ich mir die Freiheit nehme, mich als "Deutschen" zu sehen, so darf ich das wohl. Nicht nur, weil es mütterlicherseits auch, was die Nation anbelangt, stimmt. Auch wenn ich in Österreich geboren und hier aufgewachsen bin. Es ist ganz gewiß auch nicht nur deshalb, weil meine Mutter (als Schlesierin 1945 nach Österreich geflüchtet, vermeintlich interimistisch) mich im besonderen vielleicht - als dem Jüngsten, an dem "nichts mehr falsch gemacht" werden sollte - in ihrer ursprünglichen Intention aufzog: Als Fremden, inmitten einer Umgebung, die mir Heimat hätte sein sollen, sich aber stets verweigerte, weil auch ich mich ihr verweigerte. Eine Intention, die nur die Spitze des Kampfes gegen den Vater und seiner Identität - Bauernsohn aus Neuhofen/Ybbs: Gibt es Ursprünglicheres als Österreicher? - war. Oh, wie habe ich gelitten unter diesem "Schrein", den sie in sich trug und bis zum heutigen Tag trägt, diesem Allerheiligsten, von dem wir täglich Kommunion empfingen, nein, sie wie ein Schaubrot gezeigt erhielten, ohne je davon essen zu dürfen. Denn wir waren nicht rein ...

Wenn ich mir dennoch die Freiheit nehme, mich (zumindest: auch) als "Deutschen" zu sehen, weil ich mich als solcher zu begreifen lerne. Nicht erst, seit ich in der Dichte und Geschlossenheit Krakaus nahezu schockartig begriff, wie sehr diese mitteleuropäische Kultur in ihrem wirklichen Kern und Wurzelstock mir entspricht, mich darstellt, mir schlicht gefällt, wie sehr ich mir ihr verdanke, wie sehr sie in mir nämlich eine Antwort findet, so daß ich erstmals und bewußt diese Kultur als "Heimat" begreifen mußte, nicht nur konnte.

Sondern deshalb, weil ich diese Kultur als die meine zu empfinden begann. Oder mir diese Empfindung gestattete, einen Teil der Ängste ablegend, wo es einem seit 1945 verboten ist, dies auszusprechen. Oder: Wo so getan wird, als sei es verboten. Diese Angst ist nämlich ... neu! Sie stammt nicht aus der Zeit nach dem Krieg, fast im Gegenteil: damals waren die Kräfte stark und gut, die daran erinnerten, was die eigentlichen, die wirklichen, die guten Wurzeln jenes Volkes waren und sind, das sich in so unendliche Schuld hineinziehen ließ, sich damit besudelte und besudelt wurde.

Es ist dieselbe Bewegung, die meinen Vater (Generalsekretär des Bundes der "Freiheitskämpfer") bewog, in Neuhofen eine "Ostarrichi"-Gedenkstätte zu initiieren, auch wenn sich ein anderer heute mit deren Verwirklichung rühmt, wahrscheinlich schon zu Recht, das läßt sich nicht mehr eruieren, mein Vater ist - wie der andere - längst tot.

Dieselbe Bewegung, ja derselbe mythische Urgrund, wie ihn ... Kurt Kluge in seinem "Der Herr Kortüm" in den frühen 1950er-Jahren so berührend und begeisternd niederschrieb. Ein Buch, das es in vielerlei Hinsicht wert ist, dem Vergessen entrissen zu werden.

Voller Weisheit, und voller Poesie, aber auch in einer Metaphysik, die dem Leben jenen Zauber, jenes Geheimnis nicht gibt, sondern darauf verweist, den es hat. Und der es lebens- und liebenswert macht.

"Der Herr Kortüm" hat aber noch einen anderen Zauber, und ich glaube nicht, daß ich zufällig darauf gestoßen bin. Es macht einen Urgrund dieses Volkes greifbar, fühlbar, der berührt, und der zu einer Liebe kräftigt, die heute so fehlt. Eine Renaissance, wenn schon nicht dieses Buches - es hat, gegen Schluß, einen ganz leichten zeitbezogenen Zug, der aber nicht nur verzeihlich, sondern der ihm sogar zu Ehre und Rang gereicht, wenn auch vielleicht auf anderer Ebene, der Verfasser ist eben Protestant, insofern tendenziell Moralist, es sei ihm verziehen ... - so doch der Wiederbesinnung auf die Grundlagen als Volk, ist nicht schwer vorhersagbar. Vorausgesetzt, es gelingt rasch, diese Empfindung allem Nationalismus zu entreißen, indem man sie, weil schlicht natürlich, richtig und zur Regeneration des Besten in uns notwendig, aus der Schmuddelecke holt. Stattdessen: In der Liebe birgt!

Man ist Mensch, und man ist es immer ALS, immer ganz konkret - so ist man es immer auch als Deutscher, wenn man ein solcher ist.

Dies in seinen besten Wurzeln wiederzuentdecken, dazu trägt Kurt Kluge's "Der Herr Kortüm" in jedem Fall bei. Ich kann das so poetische Buch, das so voller Weisheit und Güte und Wahrheit ist, das einem so hilft, sich und die Welt zu verstehen und zu lieben, nur empfehlen, und damit zumindest ein wenig dem Vergessen entreißen. Eines jener Bücher, von denen ich sage: Es macht einen, als Kunstwerk (nicht als Moralverweis), zu einem besseren Menschen.




*260109*