Schiller an Goethe:
"Man hat in den letzten Jahren über dem Bestreben der Poesie einen höheren Grad zu geben ihren Begriff verwirrt. Jeder der imstande ist, seinen Empfindungszustand in ein Objekt zu legen, so, daß dieses Objekt mich nötigt, in jenen Empfindungszustand überzugehen, folglich lebendig auf mich wirkt, heiße ich einen Poeten, einen Macher. Aber nicht jeder Poet ist darum dem Grad nach ein vortrefflicher. Der Grad ... [beruht] ... auf dem Reichtum, den er in sich hat, und ... auf dem Grad der Notwendigkeit, die sein 'Werk ausübt. Je subjektiver sein Empfinden ist, desto zufälliger ist es; die objektive Kraft beruht auf dem Ideellen. ... Es leben jetzt mehrere so weit ausgebildete Menschen, die nur das ganz Vortreffliche befriedigt, die aber nicht im Stande wären, auch nur etwas Gutes hervorzubringen. Sie können nichts machen, ihnen ist der Weg vom Subjekt zum Objekt verschlossen; aber eben dieser Schritt macht mit den Poeten.
Ebenso gibt es Dichter genug, die etwas Gutes und Charakteristisches hervorbringen können, aber mit ihrem Produkt jene hohen Forderungen nicht erreichen, ja [nicht einmal jene erreichen] die sie an sich selbst machen. Diesen nun, sage ich, fehlt nur der Grad, jenen fehlt aber die Art, und dies, meine ich, wird jetzt zu wenig unterschieden."
*240109*