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Mittwoch, 13. Mai 2009

Austrocknung des Sentiments durch Kreuzesrealismus

Beim Lesen eines Aufsatzes über Eugen Dühring: Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, im Leben erlittene Ungerechtigkeiten, Schmähungen, Lieblosigkeiten, schlicht: alle Formen von Verwundungen, würden auf gleich zu stellen sein. Wer in dieser Erwartung lebt, läßt sich immer mehr in eine Bewegung stellen, die dieses Teilwollen zum Hauptwollen umgestaltet, ja überhaupt erst zu einem absichtsvollen Wollen (wie in einer Ideologie) macht.

Es gibt nur einen Weg, mit diesen Verwundungen - die jeder Mensch am laufenden Band einzustecken hat - fertigzuwerden, das ist jener der Integration. Aber wenn das Insgesamt, die Mitte eines Menschen, stark genug ist, vermag er alles zu tragen, mit allem fertigzuwerden. Umso mehr, als er das Metaziel - im Kreuz - damit fruchtbar machen kann, wo Natur in Übernatur verwandelt und überstiegen wird. Der Unterschied zum Idealistischen liegt im Realismus, der sich im Kreuz in weit mehr als einer bloßen subjektivistischen/subjektiven (solipsistischen) Hilfe zur Lebensbewältigung ausdrücken muß.

Erst wo gesunder Realismus der Gnade aus dem Kreuz herrscht, und einen solchen kann wesentlich nur die soteriologische Dimension der Liturgie formen, wird auch die Gefahr gebannt, das Kreuz desintegriert als "Merite" und Anspruch auf Anerkennung in Hochmut und Vermessenheit, immer Selbstgerechtigkeit (die sich selbst Urteil und Wert bestimmt) manisch zu verunstalten. Erst auf solche Mißbräuche kann sich Kritik wie "Opium fürs Volk" beziehen, und hier ist sie sogar berechtigt.

Aus Gesagtem sollte auch vordergründigstes Ziel im Umgang mit dem Nächsten sein, den Rahmen dessen, was er zu tragen imstande ist, nicht zu überschreiten, nicht durch eigenes Verhalten zu überdehnen.

Meint man sohin einmal, ein Kreuz nicht tragen zu können, wäre zuvorderst die Frage zu stellen, wo wirkliches Kreuz endet beziehungsweise beginnt, nicht das Leid zweitwirklicher, nur vorgestellter Egozentrik, oder dem Irrtum, oder einem zeitgeistigen Ressentiment das kein Fundament in re hat, entspringt.

Daraus läßt sich ableiten, daß "gelungene Verarbeitung" nicht heißen kann, einen Schaden in den Blick zu rücken, sondern zum Gegenteil: die eigentlichen, hauptsächlichen Lebensziele ohne jede Utopie so zu stärken, daß sich vom Mittelpunkt ausgehend die Wunden schließen, zumindest integrieren können. (Manche Wunden können einfach nicht heilen, weil sie tatsächlich wesentliche Lebensvollzüge betreffen: wo eine Tat, da auch reale Folgen.) Hier ist subjektiver wie subjektivistischer Unrealismus allerdings oft wichtige Hilfestellung, wie ein Druckpolster, ein Warten auf bessere Zeiten.

Dühring hat sich in dieser nie endenden, ganz gewiß auch durch Lieblosigkeiten immer wieder aufgefrischten Erwartung - a-theistisch im eigentlichen Sinn einer erschütternden A-Religiosität - nicht runden können. Und das war wohl schade, weil es sein wirkliches Werk und seinen wirklichen Wert zunehmend verdüstert hat.




*130509*