Fährt man durch den Oderbruch, sieht man zwar große agrarwirtschaftlich genutzte Flächen. Aber die Bevölkerung singt ein Klagelied über den völligen Niedergang der Landwirtschaft, vor allem des Produktenhandels und der Weiterverarbeitung. Mit den neuen Bedingungen seit 1989, der "Wende", herrschten auch die Bedingungen der EU, weshalb die Produktion landwirtschaftlicher Güter auf diesen Flächen nicht mehr notwendig war - es herrscht in der EU Überproduktion. Also wurde stillgelegt.
Doch ausländische - man hört: vor allem niederländische - Pächter umgehen elegant die nationalen Brache-Vorschriften. Und sie freuen sich auch über die vorgefundenen Bedingungen: die ehemalige Kolchosenwirtschaft brachte große zusammenhängende Flächen, die auch bestens für den Maschineneinsatz geeignet sind. So pflügen und säen und ernten niederländische Bauern im Land des Friedericus Rex, während die ansässige Landbevölkerung arbeitslos ist und die Orte durch Abwanderung veröden.
Aber das Problem ist keineswegs aus den besonderen Bedingungen der "Wende" entstanden. Seit zwei Jahren gibt es weltweit einen definitiven Trend: Länder und Konzerne kaufen oder pachten riesige Landflächen, natürlich vor allem in armen Ländern, um dort Produkte (vor allem Reis und Mais) für Nahrung oder Biosprit anzubauen. Dabei geht es nicht nur um ein gutes Geschäft, denn die Produktpreise sind weltweit nach wie vor hoch, sondern immer mehr auch um existentiell notwendige Lösungen für den Nahrungsmittelbedarf.
Zielländer sind vor allem Afrika und Asien, die Investorenländer stammen natürlich aus den Kreisen der Industrieländer. China, aber auch die arabischen und islamischen Länder sind hier besonders zu nennen.
Solche der Kolonisation nicht unähnliche Landnahmen gehen freilich nicht immer ohne Widerstand ab. So hat sich die Bevölkerung von Mosambik erfolgreich dagegen gewehrt, daß China achthundert Millionen Euro in Land investiert hätte, um Reis anzubauen. Man prognostiziert für China, daß es in wenigen Jahren den Eigenbedarf an Lebensmitteln nicht mehr selber decken kann. In Kambodscha ist China schon jahrelang weit willkommener, dort fehlt wie in allen Entwicklungsländern das Geld für die Entwicklung der Infrastruktur. Dort gibt es auch wenig Widerstand gegen die Chuzpe, die China in Mosambik so große Schwierigkeiten gemacht hatte: man wollte auch zehntausend Bauernfamilien ansiedeln, die den Reisanbau bewerkstelligt hätten. Damit aber wären keine Arbeitsplätze in Mosambik entstanden.
Ähnliche Gründe hatte der Widerstand in Madagaskar, wo der südkoreanische Daewoo-Konzern eine Fläche, die so groß ist wie halb Belgien, 1,3 Millionen Hektar, kaufen und mit Ölfrüchten (Mais, Palmöl) zur Biosprit-Gewinnung bebauen wollte.
Längst ist solche "Landnahme per Scheckbuch" (andere nennen es "land grabbing" oder "Neokolonialismus") in großem Maßstab im Gange. Besonders die Nahrungsmittelkrise von 2007 und 2008 hat, begünstigt durch die Weltwirtschaftskrise 2009, die den Finanzbedarf für arme Länder noch weiter erhöht hat, hat diesen Trend initiiert. So wurde unlängst bekannt, daß Mercedes riesige Landflächen in Südafrika gekauft hat. Und der Kongo witterte offenbar ein Geschäft - und bot Südafrika weitere zehn Millionen Hektar Land zur wirtschaftlichen Nutzung an.
Denn die Folgen werden von Fachleuten nicht nur negativ gesehen. Vor allem Investitionen in die Infrastruktur werden so initiiert und tatsächlich durchgeführt, die anders nicht finanzierbar gewesen wären, oder wo Korruption die Entwicklungsförderungsgelder in dunkle Kanäle geleitet hätte. Denn es ist eine Tatsache, daß viele der sogenannten "Entwicklungsländer" von Korruption geprägt sind. Was zur Aussage führender Experten der UNO geführt hat, daß der Hunger in den meisten Ländern ein "hausgemachtes Problem" sei! Der Grund: Während die Regierungen die Produktion von Lebensmitteln im eigenen Land mit hohen Steuern belegen (Exportsteuern, Produktionssteuern), und der eigenen darbenden Landbevölkerung Produktenpreise bezahlen, die kaum die Hälfte der Weltmarktpreise für die Güter betragen, stecken korrupte Eliten die Differenz zu den Erlösen am Weltmarkt - denn natürlich werden die Produkte dort veräußert - in ihre Taschen.
Weltweit geht man von einer Milliarde Menschen aus, die unter der Hungergrenze leben müssen.
*280509*