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Sonntag, 31. Mai 2009

Berlusconi I: Vom Humor in der Politik


Man kann sagen was man will - an Köstlichkeit ist Silvio Berlusconi, der schon zweimalige italienische Ministerpräsident, nicht mehr zu überbieten. Und er macht einem Italien, das Land der "Mama", "Spaghetti" und "Ragazzi", noch sympathischer als es einem ohnehin bereits war. Weil er ein richtiger Gewinn für die nationale wie internationale Politik ist. Bücher mit Anekdoten werden einmal Kassenschlager sein, mit Beweisen seiner realistischen, volksnahen Einstellung, seiner großartigen "Italianitá", und vor allem: seinem unüberbietbaren Sinn für Humor. Fellini hätte seiner Heimat keine größere Liebeserklärung machen können. Hier einige Beispiele.

Seine Reaktion auf die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten der USA zeigte schon, daß auch die sogenannte Hohe Politik nicht mehr ist als ein Job: "Er ist jung, gut aussehend und sogar braungebrannt." Auf eine Frage über Unterschiede zwischen ihm und Obama antwortete er wahrheitsgetreu: "Ich bin blasser, auch weil ich seit langem nicht in der Sonne gewesen bin. Obama ist schöner, jünger und größer."

Obama soll nicht so tun, er hat auch schon genug Böcke geschossen.

[Barrack Obama zu seinem Pressesprecher, beiseite: "Who is that funny guy? ... A what? ... Bouerlassoni??? ... Never heard ... oh, I see ... oh, Europe, I see ... Riesenrad, Wiener Schnitzel and so, I see ...]

Auf die Erdbeben des heurigen Frühjahrs in Italien reagierte er viel subtiler - denn was brauchen solche Menschen zuallererst? Richtig: Ablenkung von ihren Sorgen, am besten mit einer gehörigen Portion Galgenhumor. Viktor Frankl hätte das nicht besser gekonnt, mit seiner Paradoxen Intention: Er ermunterte die obdachlos gewordenen Menschen L'Aquilas, die Zeltlager zu verlassen, aus der Not eine Tugend zu machen, und in die Hotels an der Adria-Küste zu ziehen. Zeit hätten sie ja! Und wer weiß schon, wann sie sich den nächsten Urlaub leisten können. Haben ja grad alles verloren! "Fahren Sie ans Meer über Ostern!" Leider ist nicht bekannt, wieviele der Betroffenen die Einladung zum Urlaub angenommen haben. Viele hatten wohl noch zu tun. Und blieben in den Zeltstädten vor Ort untergebracht. Berlusconi aber konnte nicht aufhören, die Idee, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, zu proklamieren - wenn er schon mal da war, wollte er auch was zur Entspannung der Leute beitragen. "Natürlich ist ihre Unterbringung absolut provisorisch, aber man muss es eben nehmen wie ein Campingwochenende"!

Aber Berlusconi hat einfach keine Zeit zu verlieren. Immer auf Achse, immer am Kurbeln ... Das Familienfoto der Staats- und Regierungschefs auf einer Rheinbrücke aus Anlaß eines NATO-Gipfels fand deshalb leider ohne ihn statt. Weil er sich nicht von seinem Handy lösen konnte. Berlusconi war schon beim Ankommen direkt aus seiner Limousine ausgestiegen, und war telephonierend zum Rhein geschlendert. Die Gastgeberin, Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zur Begrüßung auf ihn zugegangen war, hatte er unabsichtlich links liegen gelassen. Bitte, es wird dennoch nicht das letzte NATO-Treffen gewesen sein. Ist man so vielbeschäftigt wie ein Ministerpräsident, dann muß man eben die Prioritäten richtig setzen!

Aber Berlusconi hat ja schon bei anderen Anlässen gezeigt, daß er von Selbstmanagement etwas versteht. Arbeitslosen riet er einmal völlig richtig, nicht deprimiert zu sein und sich doch zu beschäftigen! Jawohl, kann man da nur sagen, wenn man arbeitslos ist und auch noch deprimiert herumhängt, dann wird man apathisch, desinteressiert, vernachlässigt sich ... wer kennte das nicht!? "Wer arbeitslos ist, soll etwas tun, ich würde nicht tatenlos herumstehen." Wer würde nicht den hohen pädagogischen Wert der Aussage Berlusconis erfassen?

Das Gespräch übrigens, bei welchem er diese Ratschläge gab, fand im von der Schließung bedrohten Fiat-Werk in Pomigliano D'Arco bei Neapel statt - mit dessen (Noch-)Arbeitern. Schlicht konsequent, die politische Linie, kann man da nur sagen: Am richtigen Ort das richtige Wort! Zwei Tage zuvor erst hatte Berlusconi ja seinen Landsleuten schon einmal eindringlich nahegelegt, "mehr zu arbeiten", um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Was gibt's nun daran auszusetzen?!

Mit Berlusconi ist eben einfach immer etwas los. Was mit Sicherheit dafür sorgt, daß der eine oder andere seiner Amtskollegen der europäischen Staaten heimlich nur wegen "der Hetz" zu all diesen Konferenzen kommt. Während seine Frau zu Hause glaubt, er arbeite schwer - das ... beim Familienfoto der EU-Außenminister 2002 bildete Berlusconi mit Zeige- und kleinem Finger hinter dem Rücken des spanischen Ratsvorsitzenden Josep Pique ein Paar Hörner, "cornuto", das Symbol für einen gehörnten Ehemann. (In Italien eine schwere Beleidigung.) Naja, wer weiß, warum Berlusconi zu diesem Treffen zu spät kam.

Und SO gesittet geht's auf so hoher Ebene auch nicht immer zu, wie wir alle ja wissen; man möge nur an sich selber denken! War da nicht was mit einer spanischen Kommissarin und einem französischen ... ? (Oder hat man schon ermittelt, wer der Vater ist? Um falschen Gerüchten vorzubeugen: Nein; das war VOR Berlusconi's Zeit.)

Warum nur wollen ihm alle immer am Zeug flicken!? Auf einen groben Klotz ein grober Keil? Berlusconi ist doch in Wahrheit zartfühlend und sensibel! Nach dem Wahlerfolg des Bürgermeisters Giovanni Benussi zum Beispiel. Sicher, er hielt bei einer Kundgebung der Forza Italia den "Stinkefinger" in die Kamera. Aber: Sofort meldete sich sein Gewissen. "Jetzt wird man behaupten, dass ich vulgär bin." Es fehlt einfach überall an Humor. Und Mitgefühl.

Die Deutschen hinwiederum mögen solche Lockerheit, ja sie fahren nach wie vor in Massen nach Italien, um Urlaub zu machen, des Lebensgefühls wegen, wie Umfragen belegen. Mit Italienern ist einfach immer Feierstimmung - Pizza und Spaghetti und Chianti und Spumante, ach, man kommt ins Schwärmen. Berlusconi verkörpert diese südländische Lebenshaltung, die immer etwas von Kindsein hat, perfekt. Zum Auftakt einer Zusammenkunft mit Angela Merkel ging zum Beispiel der italienische Ministerpräsident hinter einer Säule in Deckung und rief: "Kuckuck!" Die deutsche Kanzlerin drehte sich daraufhin um, rief "Silvio!" und umarmte ihn. Man sieht sie, die glücklichen Kinder in den glücklichen Filmen, die - in Zeitlupe - in die geöffneten Arme ihrer vor Glück weinend lachenden Mütter fliegen und "Mama!" rufen. Herrlich. Glückliche Politiker. Wann gab's das zuletzt?

Berlusconi kann aber eben einfach mit den Deutschen. Beweis? Dem deutschen SPD-Abgeordneten Martin Schulz bot Silvio Berlusconi in seiner Antrittsrede zum italienischen EU-Vorsitz 2003 glatt eine Filmrolle an: "In Italien wird gerade ein Film über Konzentrationslager gedreht. Ich lade Sie ein, die Rolle des Kapo zu spielen." Der Italiener hat einfach einen Blick für Menschen, und was in ihnen steckt.

[Tja, das Berufsgeheimnis der Schauspieler: Beziehungen muß man haben, dann kriegt man auch die Rollen!]

Berlusconi kennt die Branche, kennt ihre ewigen, ehernen Gesetze. Wobei: Er hat es ja nicht leicht. Im Gespräch mit Opernsängern in Rom meinte er vor laufender Kamera: Sicher, auch er sei Schauspieler (wir wissen das, Silvio!), aber im Vergleich hätten es Opernsänger leicht: sie spielten jeden Tag dieselbe Rolle. Er aber müsse jeden Tag eine andere spielen!

Das stimmt - für einen Schauspieler kaum zu bewältigen! Und: wann lernt er den Text? Die Folgen können nicht ausbleiben.

2005 verärgerte Goldmund Berlusconi nämlich jemanden - durch einen Versprecher!? Die finnische Regierung betraf's. Als er nach langen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen der Presse (welche Indiskretion! der Presse! da kann er's gleich in die Straßen rufen!) offenbarte, er habe bei der Präsidentin Tarja Halonen sogar seine "Playboy- Künste" aufbieten müssen, um sie im Kampf um die EU-Lebensmittelbehörde zum Einlenken zu bewegen. "Man muss eben alle Waffen einsetzen, die man zur Verfügung hat", meinte er. Für sein Land tut dieser Mann eben alles. Nicht zufällig verglich er sich schon mit Jesus.

Ob Halonen errötete, oder sich verlegen ihre unordentliche Bluse in den Rockbund stopfte, ist leider nicht überliefert. Darüber schwieg sie nämlich, die Presse. Unfair!

Naja, die war mit anderem beschäftigt, denn: Da attackierte Berlusconi die kulinarische Tradition der Finnen! Das war zuviel. "Ein Land, das sehr stolz auf seine baltischen Fische und auf marinierte Rentiere ist. [Solch ein Land soll also die Lebensmittelbehörde stellen?] Die Finnen wissen doch nicht einmal, was 'Prosciutto' ist." Da hat er natürlich recht, aber sagt man das so brutal offen?

Die Reposte kam wie's Amen im Gebet: "Prosciutto ist Schinken", titelte die größte finnische Zeitung am nächsten Tag. Um im Untertitel nachzuschieben: "1,2 Millionen Finnen wissen das jetzt. Reicht das, Berlusconi?"

Berlusconi irrte also. Kann passieren. Bei fünfundzwanzig oder fünfunddreißig EU-Mitgliedern, Pisa-geprüft, wer soll da den Überblick behalten, wer was weiß!?

Reif fürs Goldene Buch, getragen von Mitgefühl und Menschlichkeit, waren freilich auch seine Äußerungen zu einem Massenausbruch aus einem Flüchtlingslager auf der Mittelmeerinsel Lampedusa. Die Insassen seien doch nur auf die Straße gegangen, wie sie es immer machten, rechtfertigte Berlusconi die Gewaltexzesse. Natürlich, bitte, im Süden spielt sich doch das halbe Leben auf der Straße ab, das wissen wir schon, aber so?! "Das ist kein Konzentrationslager." Es stehe den illegalen Einwanderern in dem Lager frei, jederzeit "ein Bier trinken zu gehen". Zumindest das, wenn sie sich schon nicht im Lande aufhalten dürfen. Für Menschen in Not hat Berlusconi - wie so oft schon bewiesen - immer ein Wort der Aufmunterung.

Der Favorit all seiner Sager ist aber zweifellos ein von ihm gesetzter, wohl nie mehr zu überbietender Höhepunkt wahlkampftechnischer Perfidie: 2008 machte er die Linke im Laufe des Wahlkampfs mit dem Satz nieder: "Unsere Frauen sind einfach schöner als Eure"! Das Insiderargument überzeugte - es war sowas von wahr!

Berlusconi gewann die Wahl - auch wenn seine Frau bis heute nicht begriff, was er eigentlich gemeint hatte. Sie fühlte sich irrtümlich angesprochen, und läßt sich jetzt scheiden. Dabei: Er hat nie gesagt, er KÖNNE alle schönen Frauen haben! Er hat gesagt: Die Forza Italia HABE die schöneren Frauen! Oder lag's am schöneREN? Da kenne sich einer aus, mit den heißblütigen Südländerinnen ... Außerdem: Er hat erst jetzt wieder gesagt, daß er sofort zurücktreten WÜRDE, HÄTTE er etwas mit einer Minderjährigen. Darum war es ja doppelt gemein, ihn auf der Feier zum 18. Geburtstag der Neapolitanerin abzulichten. Bitte, sie IST nun volljährig! Und schöner ist sie auch als seine Frau. Er hat nicht gelogen.

Und es ist gewollt mißverstanden, wenn man seine Aussage, sein Beruf sei sehr hart - jeden Tag müsse er in einem anderen Bett schlafen ... anders auslegt als sie gemeint war.

Die Linken in Italien haben sich von diesem gezielten, knallharten Schlag jedenfalls bis heute nicht erholt. Unbestätigten Gerüchten zufolge war das einzige, was seither bei ihnen gestiegen ist, die Scheidungsrate.

[Rosa M., (Ex-)Frau eines kommunistischen (Ex-)Abgeordneten, im Interview: "Wir haben es satt, immer mit Verlierern und Loosern identifiziert zu werden. Immer dieses Mutter Theresa-Image! Wir sind moderne Frauen, wir gehören auch zu den Gewinnern! In welchem Jahrhundert leben diese Sozis?" Hinweis der Redaktion: Aus prinzipiellen Gründen werden Heiratsofferte nicht weitergeleitet!]

Berlusconi hat eben das Zeug, ALLEN die Augen zu öffnen. Nur eine seiner zahlreichen Gaben, die ihm ethische Verpflichtung sind, sich für sein Land völlig aufzuopfern. "Nur Napoleon hat mehr getan als ich, aber ich bin auf jeden Fall größer als er."

Wo Berlusconi recht hat, da hat er recht. Wie wünschte man sich doch mehr von dieser erfrischenden Aufrichtigkeit, auf dem Boden einer beeindruckend nüchternen Sachlichkeit, in der Politik.

P. S. Sämtliche Beispiele sind aus der Sammlung des KURIER angeregt.




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