In Bayreuth sollte das versenkte Orchester den Klang aus tiefsten, mythischen Tiefen darstellen. In Thale (im sächsischen Harz), wo aus dem Felsen ein Amphitheater herausgesprengt wurde, zur gleichen Zeit, wurde dasselbe Verständnis für das Sprechtheater angewandt.
Aus den Tiefen dringt das Wogen der Prinzipien, des Urgrunds allen Weltgeschehens, rückgeführt auf einige wenige Grundthemen, auf die alles Leben reduzierbar ist: Liebe und Tod. So verstand man das Theater in seiner Soteriologie, nicht nur im 19. Jahrhundert - transzendent die Ebene des Alltags, des Publikums.
Der Ort des Spiels, des dramatischen Geschehens, wurde zum Ort magischer Hereinholung des Göttlichen in die Welt selbst - so konkret, daß die Einbettung in die Natur (wie in Thule) den Platz selbst zum Gebärschoß machte, zum konkreten Ort der Weltschöpfung.
Nicht anders versteht sich die Katholische Liturgie, wo es im Hier und Jetzt zur konkret wirksamen weil historischen (was heißt: gegenwärtigen, überzeitlichen) Berührung Gottes selbst mit der Welt kommt, der so die Welt schafft und gebiert.
Wenn also heute die Unterschiede von Publikum und Szene - in der darstellenden Kunst wie in der Liturgie - aufgehoben werden, zeigt es eine völlig andere Weltsicht an: Herkunft allen Geschehens ist der Mensch selber, seine Ebene ist, wo alles Weltgeschehen eine bloße Frage temporären Empfindens und verzweifelt-sinnlosen, bestenfalls moralisch-positivistischen Denkens ist.
Es gibt aber keine Transzendenz mehr. Die Welt der Prinzipien wird zur Welt der unter uns herumstreifenden Dämonen. Heil bleibt weltimmanent.
*150809*