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Dienstag, 18. August 2009

Warum Künstler links sind

In der Wiener Zeitung greift Herbert Kaspar das "absehbare Sommertheater" des ORF auf: Politiker werden interviewt (eine bereits langjährige Tradition), diesmal aber mit einer Neuheit: es werden auch Künstler dabei sein, die das ihre beisteuern werden.

Kaspar meint nun, daß das Theater absehbare Ergebnisse zeitigen würde, denn alle diese Künstler seien bekanntermaßen links (oder, siehe Oscarpreisträger Regisseur Ruzovicky, rhetorisch nicht besonders begabt). Damit sei klar, wie diese Gespräche verlaufen würden. Kammerschauspielerin Erika Pluhar beispielsweise bekannte sich im Interview offen dazu, sozialdemokratisch zu wählen.

Kaspar hat natürlich recht, denn der ORF (und damit wohl die dort beschäftigten Menschen) ist immer eindeutiger sogar jener Geisteshaltung, die gemeiniglich als "links" bezeichnet wird, und das Bemerkenswerte dabei ist: niemand der Betreffenden wäre sich dabei einer Verletzung des Objektivitätsgebots bewußt, denn links wird mit objektiv gleichgesetzt, mit wahr.

Nun gehen wir ja davon aus, daß sich in einem Medium, das viel mit Kunst zu tun hat (im Bericht, im Spielfilm etc.), auch viele Künstler sich herumtreiben. Bei weitem nicht alle, auch wenn dieses Selbstverständnis nicht selten von der Plakatgraphikerin bis zum Garderobiere seuchenartig um sich greift, sich im TV- (wie Theater- und Film-)Bereich die meisten Beschäftigten als Künstler sehen. Und die Lebensweisen derjenigen, wenn schon nicht imitieren, so doch fordern.

Aber noch mehr: gemeiniglich gilt der Kunstbetrieb als "links". Das ist zwar bei weitem nicht so, aber anderseits nicht von der Hand zu weisen. Die ideologischen Grabenkämpfe sind sogar sehr oft (zumal in Österreich) von einer Vehemenz und Existentialität, wie man sie nur noch aus Diktaturen kennt. Wer nicht "links" ist, hat tatsächlich als Künstler kaum Chancen, in Ausübung seiner Tätigkeit zu existieren. Es sei denn, er macht den gegenteiligen Fehler, und wirft sich dem "rechten", dem konservativ-bürgerlichen Lager in die Arme, um dort sein Leben auszuhauchen.

Denn dem Beitreten zu beiden Lagern, und man muß hier davon sprechen, ist genau das gemein: die ideologische Eingliederung in eine gesellschaftspolitische Wirkkraft mit einem Ziel. Dies bewirkt automatisch, zumindest mit der Zeit inhäriert (also: aufgesogen und zu einer inneren Filtermechanik ausgebaut), eine Deformierung der Kunst. Der Künstler, der sich politisch verpflichtet sieht, geht vom Prinzip Form ab, an die hinzugeben ihm einzig Aufgabe sein müßte, und geht über zum Prinzip Ethik. Er fühlt sich nicht mehr für die Gestalt seines Kunstwerkes verantwortlich, die medienimmanent ist, sondern für seine gesellschaftspolitische Wirkung.

Nun ist ja dem Schaffenden eigen, daß er niemals einer Imitation, einer Nachahmung aufliegen kann. Ich sage: KANN. Seine Begabung hat einen gewissen Drang zu Neuem, nämlich: zu EIGENEM. Der künstlerische Vorgang ist in vielem also vergleichbar einem Zueigenmachen, um dann zu überwinden. Die schöpferische Unruhe ist in vielem lediglich ein unbestimmter Drang nach noch nicht Gewesenem, wenn auch nicht nur.

Also: als bloßer Drang nach "Anderssein", wie er bestimmte Persönlichkeitsdefekte wiederum kennzeichnet, wo der antinomische Teil der Persönlichkeit - im Anderssein, Außenseitersein, um seine Grenzen zu erfahren.

Eigen sein heißt natürlich: anders sein, aber anders sein heißt noch nicht: eigen sein.

Damit ist der Künstler immer in gewisser Weise "gegen" das Bestehende. Denn es genügt ihm nicht! Er muß (!) es anders machen, muß umschaffen, muß sein Eigenes umsetzen.

Gleichzeitig ist der Künstler (und alle diese aufgezählten Faktoren hängen eng miteinander zusammen) aus ähnlicher Eigenheit jemand "ohne" einordnenbare Identität. Gütersloh nennt das einmal: "ohne Archetyp". Jeder Künstler muß sich in gewisser Weise sein eigenes Archetyp einer Identität schaffen, und in dieser kann er allmählich sogar wieder "gesellschaftliche Rolle" werden und übernehmen. Wieder als Beleg Gütersloh zitiert: vielleicht kann er sogar einmal heiraten, aber all das im Normalfall erst später.

Das Kernproblem des Künstlers ist eine gewisse "Unmenschlichkeit", die er zu bewältigen hat. Hohe Individualität bedeutet ja auch hohe Einsamkeit! Das, woran der Künstler menschlich reifen kann, ist ... ein Produkt aus ihm selbst, im Anspruch auf ein ihm weit vorausgehendes, streng, unerbittlich forderndes Ideal der Form!

Der Begriff "links" hat - neben seiner fast metaphysisch zu nennenden Symbolik - von seiner Genese her (auch politisch) nun dieses "gegen" zum Inhalt. Und zwar ist dieses "gegen" auch immer ein gewisses (!) "gegen" gegen das Sein.

Hier trifft sich also die künstlerische Eigenart mit der politischen Zerstörungsabsicht der Linken. Mischt man nun noch die Einsamkeit (und Nutzlosigkeit) des Künstlers als dessen persönlichem Hintergrund dazu, an der alleine viele Künstler scheitern (sehr aufschlußreich dazu: J. P. Jacobsen in "Niels Lyhne"), so liegt es sehr nahe, diese blutende Wunde zu schließen, indem man der "linken" Bewegung beitritt. Oder: überhaupt einer Bewegung beitritt.

An dieser Versuchung (und genau das ist es) scheitern und zerbrechen fast alle Künstler, wie aus Zeiten offener Diktatur bekannt ist. In einem Land wie Österreich, dessen elitefördernde wie Elite seiende Strukturen (und damit Macht) sehr weitgehend in linker Hand sind (siehe unter anderem: "Marsch durch die Institutionen" der 1968er, die gezielte Köderfunktion, vorgebliche Anpassung, um den Apparat in die Hand zu bekommen),

was auch immer heißt: Macht zum ethischen Ressentiment (also Herstellung dessen, was von den Menschen als "ethische Qualität" gefühlt wird, was das Rechtsgefühl durchdringt und konstituiert),

bedeutet also die Eingliederung in die "Linke" das vermeintliche Ende der Einsamkeit und Nutzlosigkeit für den Künstler. Was so weit geht, daß der Nicht-Linke Künstler sogar als "Nicht-Künstler" gleichgesetzt wird - als Nicht-Schaffender nämlich! Politische Interessen wollen ja verhindern, daß Wahrheit Autorität bekommt, die außerhalb der politischen Verantwortbarkeit liegt. Jawohl, "links" zu sein hat enorme Ähnlichkeit mit Wahn, der in seiner Dynamik liegt.

Das Entscheidende am Menschen ist ja nicht seine "Rationalität", mit der er seine Weltanschauung wählt. Das ist lächerlicher Quatsch. Das Entscheidende ist das Herz, das ihm vorgibt, welche Weltverankerung er rational zu suchen hat. Denn denken heißt: verifizieren, falsifizieren. Nicht: schaffen. Nur das Geoffenbarte ist neu, kreativ und genial.

Das Herz erfährt sich zweifellos in seinem Weh alleine, auf sich geworfen. So wirft es seine Hoffnung und Überwindung zum Leben hin auf Transzendenz. Sei es: weltimmanent (in der über das Heute hinausgehenden Utopie), oder auf einen Gott bezogen. Hat der Mensch keinen ausreichenden intellektuellen, rationalen Apparat, um die angebotenen Weltanschauungen in ihren Mängeln zu erfassen, tritt er einer solchen bei. Und geht damit in die Falle. Denn er fällt in Unfreiheit, und verdirbt sich im Werk. Das kann man an jedem ideologischen Künstler bemerken.

Der Künstler geht eben deshalb besonders gerne in solche Fallen. In Österreich: in die linke. Denn die hat die scheinbare Macht, wie sie der ORF besonders eindrücklich demonstriert. Und liefert ein Wirklichkeitsbild, das längst nicht mehr mit der Welt übereinstimmt, weil in seinen Prämissen bereits gegen das Sein steht. Es bleibt damit nur noch Zerstörung. Nicht: Neue Schöpfung.





*180809*