Im Rahmen der Salzburger Festspiele fand (oder: findet) auch eine Produktion einer lettischen Theatergruppe unter der Regie von Hermanis statt. Er war bereits zum zweiten Mal eingeladen, vor Jahren war er bereits "positiv" aufgefallen, hatte überrascht.
Das tat er diesmal ebenfalls wieder, und wie es Überraschungen halt zu sein pflegen: wirklich überraschend. Denn da war nichts Provokatives, Zerstörerisches, nein! Das war reinstes "Schmusetheater", "Kuscheltheater", wie es "manche Kritiker" (O-Ton ORF) nennen, was er mit seiner Gruppe da unter "The Sound of silence" (siehe Bild) darbot. Eigentlich sogar ein waschechtes Aufgreifen der 68er-Thematik! Aber nichts da. Keine Provokation, konstatierte auch das gestrige Kulturjournal im staatlichen Fernsehen.
Die ehemaligen Ostblockländer waren ja einerseits, was den Wohlstand und seine Segnungen anbelangt, hoffnungslos zurückgeblieben. Das hat anderseits eine interessante Entwicklung gebracht: es wurden - ja, ausgerechnet! - dort zwischenmenschliche, und sogar kulturelle Haltungen konserviert, die bei uns durch die Entwicklungen, vor allem aber eben: den Wohlstand, völlig verändert oder ausgelöscht wurden.
Nicht jede Veränderung und nicht jede Entwicklung ist aber auch eine Weiterentwicklung.
Künstler aus den Oststaaten - der Russe Vladimir Kaminer, um ein Beispiel zu nennen, hat es ja durch seine rotzfrechen Bücher gezeigt, die Bestseller waren (obwohl ... naja: etwas "holperig" geschrieben, um es milde zu sagen) - bestechen nun hier immer wieder (freilich: nicht immer, manchmal wirkt die Kunst dort auch etwas großmutterbestrumpft, in Konvention schon erstickt, sodaß tatsächlich ein Aufbrechen fallweise nottut, um wieder originär, damit erst: Kunst, zu werden) durch ihren klaren Blick, durch ihre originelle Sichtweise. Wie sie eben nur Außenstehende haben und auszeichnet.
Hermanis nun meinte im gestrigen TV-Interview: Es sei an der Zeit, mit der Dekonstruktion aufzuhören. Wozu, meinte er? Es gäbe doch nichts mehr zu dekonstruieren! Stattdessen sollte man doch anfangen, wieder zusammenzusetzen, was zertrümmert ist. Er verstehe nicht, warum man sich so gegen Harmonie in der Kunst wehre. Der Künstler sei doch jemand, der Harmonie herstelle?!
Der Künstler als Ordner; als jemand, der die Dämonien der Menschen und Zeiten auflöst, klärt, der damit gegen den Tod kämpft, gegen den Zerfall, gegen die Selbstzerfleischung des Menschen.
Zwar kann hier keine Stellungnahme zu dieser Theaterproduktion stattfinden, mangels persönlichem Eindruck, die paar Fernsehbilder sind zuwenig. Aber: DAS klingt doch nach was? So "gestrig", so frisch von außen, daß man es schon alleine deshalb fast "wahr" nennen möchte.
*110809*