Das Sprechen in eines Muttersprache ist deshalb sogar schwerer als das Sprechen in "Fremdsprachen", weil sich diese in Begrifflichkeiten bewegen, deren Regeln relativ klarer sind (sodaß die Fremdsprache mehr als die Muttersprache zum Hantieren mit beiderseits gekannten, gewußten Symbolen wird; Anm.), als das Sprechen in der Muttersprache, das noch dazu und fälschlich davon ausgeht, daß man sie von selbst verstünde.
In Wahrheit muß Sprechen von einem Transportieren des Ungesagten und Unsagbaren ausgehen! Sodaß alles wirkliche Sprechen ein Rekonstruieren der Anfangsbedingungen des Sprechens, ein Neugebären der Sprache überhaupt bedeutet. Heidegger meint deshalb sogar, daß im Grunde jeder "mehrsprachig" (ja, man müßte erweitern: VIELsprachig) IST, weil er eine Privatsprache spricht - und eine, mit der er mit jeweiligen Menschen und Bedingungen kommuniziert.
Ein Sprachraum kennzeichnet sich demnach lediglich (das aber sehr wohl) durch ein mehr oder weniger höheres Maß an Übereinstimmungen von Privat- und öffentlichen "Kultur-"Sprachen.
"Übersetzen" ist damit ein Rekonstruieren der Anfangsbedingungen des (in der Fremdsprache) Gesprochenen. Mit der Gefahr, daß wir auf diese Weise nichts mehr verstehen, weil uns die Intentionen völlig fremd sind.
Spaemann folgert daraus sogar noch radikaler: "Ist nicht das eigentliche Wesensmerkmal der Vernunft, NICHT zu verstehen? Das unerwachte, das träumende, das verfallende Dasein versteht alles, aber falsch."
Bedeutet also Kulturverfall (weitergedacht: als graduelle Unheiligkeit) nicht zwangsweise Mißverständnis, ja: babylonischen Zerfall in Sprachen, Reduktion des Sprechens auf Spezialsprachen für zweckhafte Kommunikation? (Ist damit nicht zumindest die biblische Erzählung zu verstehen?)
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