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Mittwoch, 10. November 2010

Macht über den Mann

Es ist ein eigenes Thema, ein eigenes Kapitel, wie Ayn Rand, selber Frau, die Liebe der Frauen zu ihren Männern zeichnet. In "Atlas shrugged" zeigen sie sich als in höchstem Maß berechnend, und welcher Mann hat sie nicht so erfahren. Nicht nur, daß sie ihre Leistung darin sehen, den Mächtigen zu beherrschen, worüber sie ihren sozialen Status untereinander definieren, worüber sie ihre Machtkämpfe austragen. Sondern die Mittel, die sie dazu wählen, sind umso bemerkenswerter dargestellt, als diese Darstellung tatsächlichen Erfahrungen nur zu sehr entspricht: der Einzelfall (und so ist die Kunst), zeigt das Allgemeine. (Umgekehrt wäre es Philosophie.)

Ayn Rand, NY, 1964 - Copyright
Die Gattin des Stahltycoons Hank Rearden hält ihren Mann mit einem simplen Trick klein: sie zeigt sich seinen leiblichen Wünschen überlegen, füht ihn damit am Gängelband. Ihre Hingabe im Bett ist mehr als dosiert, sodaß ihm immer klar wird, daß er in dieser so wichtigen Sache von ihr abhängt, daß diese Befriedigung für ihn nur Gnadenerweis von ihr ist, den er sich zu erdienen hat. Alle ihre Aktivitäten, ihre Einbindung in "soziale Kreise", dienen im Grunde nur der Verfestigung der Fundamente ihrer moralischen Überlegenheit, die sich natürlich auf eine manichäische Aufspaltung von Lust, Leib, und Moral zuspitzt. Sie differenziert (unzulässig), indem sie den männlichen Wunsch zum Trieb degradiert, in dem er unter ihr (die sie diesen "Trieb" bei weitem nicht so fordernd erlebt wie der Mann) bleibt. (Während auch der Wunsch, diese "Getriebenheit", ja keine Unfreiheit und damit moralische Verwerflichkeit bedeutet, sondern eine ganz natürliche, richtige Zueinandergeworfenheit von Mann und Frau, in natürlich unterschiedlicher Art und Intensität, anzeigt.) Sie besudelt also seine Ziele, sein Begehren, macht deren Erfüllung zu einem zeremoniellen Akt der Selbstverdemütigung ihrer selbst - damit er sich unterlegen weiß.

Dafür gestattet sie ihm sogar Verhältnisse zu Huren - würde er davon Gebrauch machen. Sie stimmt scheinbar großmütig einem Verhältnis zu, von dem sie weiß, das er ihr nicht mehr verheimlichen kann, und benützt es sogar, um ihn noch weiter mit schlechtem Gewissen gefügig zu machen - sie lebt ein noch großzügigeres Leben. Sie wird erst in dem Moment beunruhigt und wütend, ja wird in dem Moment tatsächlich zerstörerisch, wo sie bemerkt, daß sie keine Macht mehr über ihn hat, weil er diese Frau (eine außerordentlich angesehene Unternehmerin, also alles andere als eine Hure) nicht nur liebt (das wäre ihr noch gleichgültig), sondern weil diese Frau seine Macht nicht für ihren sozialen Rang benötigt - und ihn damit frei läßt, aus ihrer Macht über ihn emanzipiert.

Man muß dem, was Rand darstellt, nicht beipflichten, man kann es kritisieren. Aber es bleibt extrem scharf beobachtet, und in seinen Fakten befreiend wahrhaftig, in einer Offenheit angesprochen, wie sie in der europäischen Literatur fehlt.

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