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Samstag, 6. November 2010

Stille Sprachmacht

Auch für Paul Valéry ist die Sprache kein "Kommunikationspfeil", den Zweckabsicht abschießt, sondern wesentlich Darstellung, Selbstdarstellung. Es braucht den Willen des Gegenüber, das Dargestellte in der Relevanz für sich selbst wahrzunehmen. Umgekehrt ist es vergebliche Liebesmüh, sein Sprechen mit besonderem Nachdruck auf Gehör zu gestalten. Diese fehlgeleitete (vermeintliche) Darstellungs-, Präsenzverstärkung führt zu nichts, weil die direkte Brücke zum anderen, auf dieser Ebene, nicht vorhanden ist. Der andere erkennt nur, wenn er das Teil des anderen - das gesprochene Wort als Teil eines selbst verstanden - in sich einläßt. Wieweit er dann versteht, ist eine Frage dessen, was er damit macht. Läßt er sich (im Gehorsam, in der Liebe) bewegen davon, vermag er es, nachleidend, weitgehend oder ganz (in dem, was es für ihn ist) zu verstehen. Erst damit nimmt der andere Teil an jenem Geist, der hinter dem Ausgesprochenen liegt.

Von hier aus läßt sich bequem weiterdenken, verquickt man diese Feststellung, diese Beobachtung, mit Worten von Meister Eckhart, oder Henri Bremond, oder so vielen anderen, nicht zuletzt Valentin Tomberg: Denn wenn die Darstellungsmacht eines Menschen wesentlich - und nie über seine Natur, seine ihm zugedachte Stellung hinaus! - von seiner Anbindung an den tiefsten Daseinsgrund, das Sein, von seinem Durchlässigwerden für die göttliche Liebe (als Ursache der Welt) abhängt, dann ergibt sich auch die größere Macht - für den Gekreuzigten.

Wenn sie auch mit der Macht vergleichbar ist, die scheinbar nicht vorhanden, weil unsichtbar, in den Dingen selbst nur, mit ihnen vereint, zum Ruf animiert, wie ihn Jesus am Kreuz hörte: "Wenn Du Macht hast, so steig doch herab, und kämpfe für Deine Sache!" Aber sie berührt auch jene Worte, wo es in der Schrift heißt: "... und Du sagtest zu diesem Berg da, hebe dich hinweg, so würde er sich hinwegheben ..."

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Von hier (s.o.) aber ist auch der Schritt klein, der begreifen läßt, daß es der Geist selbst ist, der sich im Geist erfaßt, der den Menschen guten Willens erfaßt. Denn der Geist muß dem Verstehen bereits vorangehen - ich muß im Geist bereits sein, um an diesem Geist teilhaben zu wollen. (Übrigens: das entscheidende Argument für die Kindertaufe.) Es ist der Geist selbst, der das Verlangen nach dem Geist, und sein Verstehen als Präsentsein, weckt.  (Siehe u. a. die Stelle, sinngemäß: "Wer da sagt, Jesus ist der Herr, tut es aus dem Heiligen Geist ...", u. a. Petrus in seiner Antwort "Für wen aber haltet Ihr mich?", die sich gleichfalls nur daraus verstehen läßt.)

 
*061110*