Wien 2009 - Recht auf Bürgerlichkeit & Gutheitsbekenntnis |
"Die schweren Heimsuchungen, Krieg, Seuchen, Revolutionen, großen gesellschaftlichen Veränderungen, Siegesfahnen und Kapitulationen, trafen das Volk gleichermaßen, doch auf materielle Vorteil fixiert, wußten sich die Kleinbürger stets strebend und schaffend am ehesten den Gegebenheiten und Notwendigkeiten anzupassen.
Mochten auch Heroen stürzen, Weltanschauungen zusammenbrechen, die kleinbürgerlichen Normen tangierte das nicht. Sie sind eine Konstante im Lauf der Zeit. Mochten sie auch noch so sehr an ihren Standesfesseln zerren, mit Jugendträumen ihren Stand schmähen, mit Revolten und Aufbruchbewegungen die Zurückgelassenen ängstigen und irritieren - am Ende fanden sich die Standesflüchtlinge wieder in der Sicherheit und Ordnung der kleinbürgerlichen Gesellschaft."
Kairo, 2010 "Mehr Lohn!" |
"Mit dem Zusammenbruch der kleinbürgerlichen Lebenswerte Ordnung und Sauberkeit, wie Fallada seinen Johannes Pinneberg sagen läßt - und hinzuzufügen wäre Sicherheit - fällt und zerfällt dieser unglückliche Stand [der Kleinbürger, Anm.] in ein Nichts. Seine Hoffnung richtet sich auf die Obrigkeit, die es dann bitte wieder richten soll." [Pintschovius, a. a. O.] Das, sei hinzugefügt, ist die Haltung des Großteils der Bevölkerung heute. Es sind die Kleinbürger, die seit 150 Jahren die Politik und das Gesellschaftsleben in Europa bestimmen. Es sind die Kleinbürger, die den Leviathan des Sozialstaates eingerichtet haben. Und es sind die Kleinbürger, die aggressiv die Bewahrung dieses Lebensstils, unter Identitäts- und Weltdiffusion, fordern.
"Nun war die Oberschicht entthront, der Glanz versunken, es galt neue Idole zu finden, doch die neue Elite war kein erstrebenswertes Vorbild. [...] In kargen Zeiten pflegen sich die Menschen - besonders wohl die Deutschen - Mystisch-Mythischem zuzuwenden, weniger den staatstagenden Kirchen, sondern mehr religiösen Erweckungsbewegungen und Sekten, fernöstlichen Weisheitsspendern, okkulten Naturaposteln oder geheimnisschwangeren Esoterikern."
Es sind die Kleinbürger als Erscheinungsform der Vermassung, die umso mehr ihre Abgrenzungsrituale als "willkürlichen Individualismus" kultisch hegt, deren Ausdünnung der jeweiligen Persönlichkeitssubstanz, die eine fast unausbleiblicheFolge des Sozialstaates ist, die ihre wirkliche, existentielle Angst (als Verlust der Sicherheit in obigem Sinne erlebt) bei immer niedrigeren Schwellen zur Flucht in die Wohlgefälligkeit treibt. Weil sich so die sozialen Unterschiede zwangsläufig einebnen, erlebt der Einzelne seinen Persönlichkeitsanspruch als immer pointierteren Narzißmus als hierarchischen Anspruch. Weil ihm aber die Kraft fehlt, diesen inneren Anspruch umzusetzen, steigt seine Anforderung an die Umgebung - er sucht Schuldige einerseits, und hat als einzige Gestaltungskraft (die ihm Konturen, Gestalt durchzuhalten ermöglicht, sowenig er sie "hat") die hysterische Demontage der Hierarchien anderseits. Während im Stillen die Sehnsucht nach Autorität - die nur noch irrational passieren kann, aber umso mehr rationalisiert wird - wächst.
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"Nun war die Oberschicht entthront, der Glanz versunken, es galt neue Idole zu finden, doch die neue Elite war kein erstrebenswertes Vorbild. [...] In kargen Zeiten pflegen sich die Menschen - besonders wohl die Deutschen - Mystisch-Mythischem zuzuwenden, weniger den staatstagenden Kirchen, sondern mehr religiösen Erweckungsbewegungen und Sekten, fernöstlichen Weisheitsspendern, okkulten Naturaposteln oder geheimnisschwangeren Esoterikern."
Es sind die Kleinbürger als Erscheinungsform der Vermassung, die umso mehr ihre Abgrenzungsrituale als "willkürlichen Individualismus" kultisch hegt, deren Ausdünnung der jeweiligen Persönlichkeitssubstanz, die eine fast unausbleiblicheFolge des Sozialstaates ist, die ihre wirkliche, existentielle Angst (als Verlust der Sicherheit in obigem Sinne erlebt) bei immer niedrigeren Schwellen zur Flucht in die Wohlgefälligkeit treibt. Weil sich so die sozialen Unterschiede zwangsläufig einebnen, erlebt der Einzelne seinen Persönlichkeitsanspruch als immer pointierteren Narzißmus als hierarchischen Anspruch. Weil ihm aber die Kraft fehlt, diesen inneren Anspruch umzusetzen, steigt seine Anforderung an die Umgebung - er sucht Schuldige einerseits, und hat als einzige Gestaltungskraft (die ihm Konturen, Gestalt durchzuhalten ermöglicht, sowenig er sie "hat") die hysterische Demontage der Hierarchien anderseits. Während im Stillen die Sehnsucht nach Autorität - die nur noch irrational passieren kann, aber umso mehr rationalisiert wird - wächst.
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