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Donnerstag, 22. Mai 2008

Der Kunde biedert sich dem Lieferanten an

Was man meist völlig außer acht läßt ist der Umstand, daß sich das Publikum zum Theater und noch mehr zu den Proponenten als Figuren "verhält", was sich im Verhalten deren Werk gegenüber ausdrückt.

Das mag simpel klingen, bis zu dem Punkt wo man gewahr wird, daß in Zeiten der Hollywoodisierung des Erlebens das Publikum sich dem Theater (etc.) bzw. der Sphäre der Kunst und Öffentlichkeit (heute untrennbar ...) ANBIEDERT. Es möchte teilhaben an diesem Leben, diesen Menschen, diesem Lebensfluidum, das für eben dieses Publikum fast ausschließlich aus von den Medien gelieferter Möblage besteht.

Eigentlich grotesk, weil sämtliche vorformulierte Floskeln - zumal in einer Welt des Kapitalismus und des Konsumentenrechts ganz andere Mechanismen suggeriert werden. Aber dies ist Teil dieses Spieles - alle glauben zu machen, es sei so. Und der Beifall des Publikums sei die Reaktion von bedient werdenden Kunden.

Nachgerade umgekehrt nämlich sitzen nur wenige Kunden in den Stühlen der Theater. Deren Beifall Kauf oder Nichtkauf bedeutet, weil sie erst NACH dem Geschehen entscheiden, ob sie die Aussage kaufen. Während die meisten Theaterbesucher schon längst die Ware besitzen, sobald sie das Geld an der Kassa hinterlegt haben, weil das was sie gekauft haben durch Konvention längst geregelt ist.

Sie meinen, ich spräche hier vom bürgerlichen Publikum, wie es gemeiniglich bezeichnet wird, meist mit abfälligem Beiton? Weit gefehlt! Dieses Publikum weiß ja meist, daß sein Theaterbesuch Teil einer Lebenseinrichtung ist, und es ist auf diesem Ruhekissen sogar auch einmal bereit, sich aufbrechen zu lassen.

Das heute bei weitem konventionellste Publikum, die bei weitem konventionellste Szene ist genau jene Szene, die von sich am lautstärksten behauptet, Neues, Avantgarde und aktuelle Kunst zu liefern. Die stärkste und längst alles zu Tode lähmende Konvention des Kunstbetriebes ist die Konvention des Brechens aller Konventionen, weil es zum Selbstzweck, zum Marketingziel geworden ist, anstatt überrascht zur Kenntnis genommene immanente Wirkung der Konzentration auf eine Aussage im Gelingen einer Sache. Dieser ist der Großteil des Publikums längst beigetreten.

Umso eifriger bastelt die Kunstszene an der Unsinkbarkeit ihres Schiffes - das doch längst leckt. Und hat längst "sich" als Ware der Kunst etabliert - anstatt ihr Werk.



*220508*