Wildgans schreibt in seinen Briefen immer wieder davon, wie schwer es plötzlich geworden sei, sich materielles Überleben zu sichern. Vor dem Ersten Weltkrieg sei es sogar relativ leicht gewesen, als Künstler zu überleben, insoweit, als eine bescheidene Existenz rasch möglich gewesen war.
Das habe sich in den revolutionären und sittlich-kulturellen Umbrüchen nach der Katastrophe 1914-18 gründlich geändert. Nicht nur, weil das, was zuvor gedacht und gefühlt wurde, plötzlich unaktuell war. Man hat aus den Briefen den Eindruck eines plötzlich wirksam gewordenen Undefinierbaren, Irrationalen, aus dem Lot Gekommenen, Unwägbaren des Lebens.
Die relative Ruhe, ja Einfachheit der vorkrieglichen Lebensführung (Wildgans stammte keineswegs aus begüterten Verhältnissen, im Gegenteil - dazu sein Stück "Armut") war einer hektischen, unberechenbaren Unsicherheit gewichen.
Deren Sorgen ihm jede Arbeitsruhe nahmen.
Wildgans konnte unter dräuenden Existenzsorgen nicht arbeiten. Schon gar nicht ob seiner Verpflichtungen. Er hatte zwei Kinder. Aus vielen seiner Äußerungen ist abzuleiten, daß sich Tätigkeiten zum Broterwerb und Erfüllung seines Auftrages als Dichter auseinander entwickelt hätten.
Es wird ihm nicht alleine so gegangen sein. Und er schreibt auch davon, daß allgemein schöpferische Unfruchtbarkeit herrsche.
WIEWOHL er immer wieder betont, daß die Frage der schöpferischen Potenz KEINE Frage der hungrigen Mägen sei, die es erst zu füllen gäbe. Dies würde keine künstlerische Blüte bringen. Sein Verstehen von Sittlichkeit als Grundlage der künstlerischen Potenz sei anderer Art: das des geistigen Klimas, in dem die Menschen zu leben hätten. Aus diesem heraus ließe sich - so Wildgans - auch jede Schwierigkeit bewältigen, nur aus diesem heraus gäbe es Durchhaltekraft und Schaffenswillen.
Wildgans beklagte, daß er den Willen nicht mehr hätte, "diesem" veränderten Land, diesen veränderten, zerrütteten Menschen etwas zu sagen.
DAS hätte sich so dramatisch geändert.
Ähnliches berichtet übrigens Hugo von Hofmannsthal. Und die Zwischenkriegszeit war in Österreich keine Zeit blühenden literarischen Lebens. Sie war umso mehr aber eine Zeit der Konzepte, Theorien und Philosophien, in die hinein sich die (nach den Worten von Wildgans) einstige kulturelle Gipfelhöhe Österreichs ergoß.
*160508*