Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 8. September 2009

Angekündigte Milchpreiskatastrophen

Ich erinnere mich an eine der öffentlichen Diskussionen, diesmal in Amstetten, in einem mittlerweile leider übergebenen Gasthaus, das zuvor noch einer der Ecksteine des Wesens eines Ortes war, den Geldgier und sozialistischer Materialismus mittlerweile zu einem Fick-, Freß- und Saufstall verkommen hat lassen, weil alles Solide längst gestorben, gegangen oder zerstört ist. Wir schreiben 1993, Herbst, und ein Bekannter hatte mich gebeten, zu dieser Bauernversammlung in den "Gasthof zur Rennbahn" zu kommen. Er und seine Freunde und Kollegen fühlten sich der Rhetorik der ÖVP-Bauernbundvertreter nicht gewachsen, die zu einer Diskussion über den EU-Beitritt geladen hatten.

Ein junger, sichtlich auf dieses Thema heiß gemachter Schnösel im Anzug führte denn auch das offizielle Wort, und mein Bekannter drängte, auch die Stimme zu erheben - alles verlief erwartungsgemäß: die ÖVP setzte Gewaltrhetorik ein, von wahrhaftiger Information oder Meinungsbildung war nie die Rede.

Halt, einmal war der Mann denn doch wahrhaftig, denn da kamen ihm die Schlaraffenland-Argumente in Widerspruch, den er gar nicht begriff: denn zwar stimmt es, daß die Bauern immer sehr zugängig für die Argumente des "niedrigen Preises" waren, wenn es um das Leerkaufen von Supermarktregalen ging, aber als er da in die Runde warf, daß in Zukunft - da haben wir ihn nämlich, diesen Ederer-Tausender - jeder der hier Anwesenden in den Genuß viel billiger Lebensmittelpreise komme, sich zukünftig mehr leisten könne, schien es einen Augenblick lang im Raum zu klicken, als würde ein feines Metallstäbchen brechen. Ich hatte mich zuvor nämlich erhoben, und ihn tatsächlich ins Wanken, die Bauern hinter mich gebracht: die Argumente gegen den EU-Beitritt wogen schwer, man fühlte es. So sah er sich gezwungen, dieses Totschlagargument in die Runde zu werfen (das im übrigen genauso gelogen war wie so vieles andere; aber weil es um die gute Sache ging, sah nicht einmal die Kirche ein Problem darin, die Lüge dafür freizugeben.)

Die Lebensmittelpreise würden also fallen, stark, sagte er.

Die Gesichter der Bauern drückten einen Augenblick Verblüffung aus.

Er hatte recht, der Schnösel der ÖVP-Nachwuchsriege. Und ich selber war von seiner Chuzpe derart verblüfft, daß ich mich sprachlos setzte.

Da hatte der die Chuzpe, den versammelten Bauern nämlich mitzuteilen, daß sie hinkünftig für ihre Produkte noch deutlich weniger erhalten würden als heute. Einen Moment war damals also Wahrhaftigkeit eingezogen in die Diskussion.

Heute las ich in der Zeitung, daß die Bauern derzeit die Milch regelrecht herschenken müßten, weil die Produktpreise derartig niedrig seien, daß Herstellungspreise nicht einmal mehr annähernd gedeckt seien. Und in der Krise, wie jetzt, würden auch Bio-Produkte keinen Markt mehr finden, zähle das Preis-Argument einfach überdeutlich.

Denn daran hatte natürlich auch niemand gedacht, der vom "Feinkostladen Europas" daher faselte, von in hygienisch reinen Schweinemastfabriken entlang des Maisgürtels (St. Pölten bis Wels) zentimetergenau gezüchteten Schweinekeulen, die nach Italien zur Schinkenproduktion geliefert werden könnten. (Ich zitiere tatsächlich vorgebrachte Argumente von damals.) Bio-Produkte, Erlebniskauf - sind nämlich Schnickschnack einer am Wohlstand so gesättigten Gesellschaft, daß genug Geld noch übrigbleibt, auch in innere Qualität zu investieren. Bio ist eine Erscheinung des Überflusses! Die Öko-Heizungsbetreiber können nun ja ein Liedchen davon singen - sie zahlen z.B. über überhöhte Pelletspreise (Bio-Heizmasse) diese Unterdeckung der Lebensmittelpreise. (siehe Titelverlinkung: ein Artikel in der NÖN, St. Pölten)

Alles aber, was wir heute in der Landwirtschaft erleben und haben - es war nicht nur vorhersehbar. Es war angekündigt. Wer die EU wählte, wählte auch das.




*080909*