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Dienstag, 29. September 2009

Mehr Technik - weniger Kultur

In "Der Gang der Weltgeschichte" (original: "Study of History") räumt Arnold Toynbee mit leichtem, durch historische Fakten gut vorbereitetem Fingertippen, mit einem Mißverständnis auf: daß nämlich technischer Fortschritt ein Signum oder eine Begleiterscheinung kulturellen Hochstandes sei. Zum Gegenteil, zeigt die Geschichte, daß die Entwicklung der Technik nahezu unabhängig vom Stand eines "Sozialkörpers" (ein Begriff, den Toynbee gerne anstelle von Kulturen benutzt) ist. Daß man sogar bemerkt, daß die Technik - in Arbeitsteilung, Funktionalisierung und Mechanisierung von Vorgängen - dann zur Blüte kam, als die Kulturen bereits im definitiven Niedergang, manchmal bereits (minoische Kultur) niedergegangen waren.

In jedem Fall ist keine wirkliche Korrelation zwischen dem Stand der Technik und dem Stand einer Kultur zu bemerken, beide entwickeln sich nahezu unabhängig voneinander. Selbst vor tausenden von Jahren, in der Gegenüberstellung von Neolithikum und (diesem vorangehendem) Paläolithikum, zeigt sich, daß die ältere Kultur wohl technisch weniger ausgefeiltere Werkzeuge besaß, dafür aber künstlerische Werke zu schaffen vermochte, oder ihre Werkzeuge mit einer detailverliebten Kunstfertigkeit ausgestaltete, die den späteren, jüngeren Kulturen bereits fehlte. Ähnliches läßt sich bei der Gegenüberstellung Mayas (älter) - Azteken (Friedrich Georg Jünger) sagen.

Überhaupt die Kriegstechnik verhält sich nahezu unabhängig, wenn sie nicht sogar die einzige menschliche Technik ist, die über all die Jahrtausende eine kontinuierliche Fortentwicklung nahm. Selbst Expansion einer Kultur ist in vielen Fällen sogar Anzeichen für ihre innere Schwäche eher, denn Kraft zur Durchdringung der Welt.

Dieser Nenner ist freilich nur auf den ersten Augenblick überraschend, und er trifft sich nahezu deckungsgleich mit den Analysen eines Friedrich Georg Jünger, etc. Toynbee führt ihn auch auf die eurozentristische Technikbegeisterung des 19. Jahrhunderts zurück, auf das Selbstverständnis der Gesellschaften seither, die sich (seither) im Rausch der technischen Entwicklung auch in der historischen Höhe des Menschseins, weil als jeweiliger Spitzenpunkt einer kontinuierlichen Vorwärtsentwicklung (aus Evolutionismen) wähnen. Klarerweise ist auch die materiale Technik der historischen Forschung leichter zugängig, weil auch archäologisch evidenter.

"In der fortwährenden Vereinfachung, in der kontinuierlichen Spezialisierung, verliert der Einzelne mehr und mehr Ganzheitlichkeit und Universalität," sagt Toynbee. Gleichzeitig verkürzt sich der Produktzyklus - sichtbarer Ausdruck einer Tendenz zur "Vergeistigung" (negativ formuliert: Auflösung) des Materiellen, das im selben Zug immer bedeutsamer für die Lebensvorgänge wird.

Hier, und in diesem Moment aber, wo die Aufgaben von technischer Problemlösung sich auf "Moral" legen, wo sich die Kraft von außen (wo das Problem gelöst ist) auf innen wendet, beginnt jede vergangene Kultur zu brechen.




*290909*