Seit geraumer Zeit ist bekannt, daß der Gründer einer der "profiliertesten", erfolgreichsten charismatischen Bewegungen der Nachkriegsjahrzehnte, der "Legionäre Christi" (1941; als Orden heute, 3.150 Priester und Seminaristen) sowie des "Regnum Christi" (1949, für Laien, heute 50.000 Mitglieder) Marcial Maciel (†2008), nachweislich sexuellen Mißbrauchs geziehen werden muß. Ebenso hat er zumindest ein Kind gezeugt, wie im Insgesamt in deutlichem Widerspruch zu seinem vorgeblichen und von der Bewegung geforderten Weg gelebt. Selbst Drogen scheinen im Spiel gewesen zu sein.
Nun tauchen natürlich auch Fragen der Art auf, daß es doch unmöglich bei Mißständen in diesem Umfang sein kann, daß niemand in der Bewegung der "Legionäre Christi" darauf aufmerksam geworden sein kann. Was nichts heißt als: Es muß Maciel durch Schweigen gedeckt worden sein.
Erschütterung aber kann wohl nur empfinden, wer selber dem Trug dieser Bewegungen aufsitzt. Da ist's dann vielleicht eine heilsame "Enttäuschung". Aber spätestens, wenn man maßgebliche Werke (siehe u.a. Ronald A. Knox, "Christliches Schwärmertum") zu den Schwärmerbewegungen liest (und als solche sind solche Erneuerungsbewegungen zu bezeichnen), wird klar, daß selbst historisch die Herkunft solcher Bewegungen aus ein- und derselben inneren Haltung (verschiedenen Formen des Hochmuts) eindeutig ist.
In jedem Fall aber ist in solchen Bewegungen das Phänomen von geistigen, aber auch sexuellen Machtmißbrauchs keineswegs eine einmalige Entgleisung, wie sie sonst ja auch vorkommt. Sondern sie liegt in einer direkten Linie mit ihren inneren psychischen Konstellationen. Der angeführte Knox weist in seiner Arbeit auf, daß seit deren als Phänomen erfaßtem Erscheinen (in christlicher Maske spätestens seit dem Manichäismus im 3. Jahrhundert) sexueller Mißbrauch, sexuelle Ausschweifung, knapp zusammengefaßt unter dem Motto, daß "für Auserwählte, Bekehrte die Sünde nicht mehr existiert, sondern durch die Liebe ersetzt wird, denn es gelten andere Gesetze", Begleiterscheinungen solcher Bewegungen sind. Und auch die äußerst feinen, taktvollen Beobachtungen der Hl. Theresia von Avila schildern diese Gefahr der Selbstüberschätzung, die auf ganz anderen Fehlern aufruht, und geistigem Fortschritt sohin diametral entgegenarbeitet.
Selbst wenn man mittlerweile wohl akzeptieren muß, daß die Kirche taktisch klug und vorsichtig vorgehen muß, weil man das Phänomen schon so lange nicht nur bestehen ließ, sondern nachgerade förderte, bleibt viel Wundern, daß hier nicht längst energischer vorgegangen wurde.
*080909*