Iris, überzeugte Feministin, meinte einmal, mich damit schon durch
die Geste, in ihrer so entzückenden, dabei so konventionellen Art, auf
etwas hinweisen wollend, daß sie meinen Roman "Helena oder: Das Gute ist
was bleibt" nicht lese. Denn sie interessiere es nicht, wie ein Mann
eine Frau sehe. Wie eine Frau sei, wisse eben nur eine Frau, Männer
seien eben in ihrer patriarchalen Tradition gefangen.
Genau
das stimmt schlicht überhaupt nicht. Hofmannsthal schreibt in einem
Essay über D'Annunzio so wunderbar das genaue Gegenteil: Nur ein MANN
könne eine FRAU erkennen. Nur wer etwas wolle nämlich, dem sage die Welt
etwas, der erkenne das Leben. "Er weiß nie, was an allem dran ist."
D'Annunzio, so Hofmannsthal, sei kein großer Dichter, ja, er sei
überhaupt kein Dichter, aber ein großartiger Künstler.
Man
erkennt sich eben - im Anderen, im Komplementären. Und deshalb braucht
die Konkretion in der Darstellung das Wollen der Weltfiguren. Und
deshalb muß der Dichter das Leben kennen (aber überwunden haben, Anm.).
D'Annunzio,
der hier sei, aber nicht "im Leben", weil er so offensichtlich nichts
vom Leben wolle, es auch nicht kenne, so sehr er die Zeichen des Lebens
wisse, schreibe Bücher, in denen nichts geschehe, die keine Handlung
hätten. Wenn die Dinge für sich bleiben, ohne Interesse am Außen,
bleiben sie starr. Der Sinn der Welt aber liege im Handeln, das
Lebensziel sei das Tun, das Tätigsein: nur dann ist man "Objekt" des
Erkennens, und damit Quell der Freude.
DAS ist eben der Sinn der Welt.
*220909*