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Dienstag, 22. September 2009

Keine Frau erkennt eine Frau

Iris, überzeugte Feministin, meinte einmal, mich damit schon durch die Geste, in ihrer so entzückenden, dabei so konventionellen Art, auf etwas hinweisen wollend, daß sie meinen Roman "Helena oder: Das Gute ist was bleibt" nicht lese. Denn sie interessiere es nicht, wie ein Mann eine Frau sehe. Wie eine Frau sei, wisse eben nur eine Frau, Männer seien eben in ihrer patriarchalen Tradition gefangen.

Genau das stimmt schlicht überhaupt nicht. Hofmannsthal schreibt in einem Essay über D'Annunzio so wunderbar das genaue Gegenteil: Nur ein MANN könne eine FRAU erkennen. Nur wer etwas wolle nämlich, dem sage die Welt etwas, der erkenne das Leben. "Er weiß nie, was an allem dran ist." D'Annunzio, so Hofmannsthal, sei kein großer Dichter, ja, er sei überhaupt kein Dichter, aber ein großartiger Künstler.

Man erkennt sich eben - im Anderen, im Komplementären. Und deshalb braucht die Konkretion in der Darstellung das Wollen der Weltfiguren. Und deshalb muß der Dichter das Leben kennen (aber überwunden haben, Anm.).

D'Annunzio, der hier sei, aber nicht "im Leben", weil er so offensichtlich nichts vom Leben wolle, es auch nicht kenne, so sehr er die Zeichen des Lebens wisse, schreibe Bücher, in denen nichts geschehe, die keine Handlung hätten. Wenn die Dinge für sich bleiben, ohne Interesse am Außen, bleiben sie starr. Der Sinn der Welt aber liege im Handeln, das Lebensziel sei das Tun, das Tätigsein: nur dann ist man "Objekt" des Erkennens, und damit Quell der Freude.

DAS ist eben der Sinn der Welt.





*220909*