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Donnerstag, 17. September 2009

Ein relativer Skandal


Schon fallen die Worte "Kinderschänder" und "Mißbrauchstäter", im Falle der (nun) 15jährigen Yvonne (Titelverlinkung: KURIER-Bericht) aus Wien. Die vor eineinhalb Jahren verschwunden war - bis sich vor wenigen Monaten herausstellte, daß sie mit dem Bruder ihrer Mutter, also ihrem Onkel, ein eheähnliches Liebesverhältnis hatte und beide (bei ständigen Wohnortwechseln) untergetaucht waren.

Eine Geschichte, deren poetischer Gehalt nicht zu unterschätzen ist. Manche haben dafür sogar schon Literaturnobelpreise erhalten.

Die Hl. Theresia von Avila allerdings nicht. Aber auch sie erzählt (literarisch lang und ausführlich, ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Knappheit) in ihrem "Buch der Klostergründungen" von einer (für eine Klostergründung relevanten) Geschichte um ein elfjähriges Mädchen.

Diese sei dem Bruder ihrer Mutter verlobt worden, und habe erst weit mehr Neigung zu dem Manne gezeigt, als (so Theresia) ihrem Alter entsprechend anzunehmen gewesen wäre. Bald aber hat das Mädchen eine starke Sehnsucht nach dem geistlichen Stande gefühlt, und in einer abenteuerlichen Aktion sei sie in eines der Klöster der Heiligen geflüchtet.

Weil die Heirat (das, um die Geschichte zu vervollständigen) aber wesentlich für den Erhalt des Familienvermögens gewesen war, trat ihre einige Jahre ältere Schwester wieder aus dem Orden aus, und heiratete diesen Mann, ihren Onkel. Bis der nach wenigen Jahren verstarb, worauf ihre Schwester wieder ins Kloster zurückkehrte.

Nur: von Kinderschändung, Mißbrauch, oder gar erkennbarer Verwunderung, daß eine Elfjährige (mit offenbar ausreichender Geschlechtsreife) heiraten solle, ist bei der so sittenstrengen Theresia (im späten 16. Jahrhundert) nichts zu lesen. Ja im Gegenteil: erst nämlich waren Bräutigam und Verwandte zur Klosterpforte gekommen und hatten wütend die Herausgabe des Mädchens verlangt! Man stelle sich das vor ... Und als dies vorerst einmal erreicht war, hat man - Gerichtsbeamte, Ordensleute, etc. etc. - sie der "Kinderei" bezichtigt, weil sie sich so dumm der Ehe verweigerte, die sie doch versprochen hatte, und in der sie doch so vermögend sein würde! Auch die Mutter war ihr lange sehr gram ob ihrer störrischen Wesens.

Theresia sieht dies alles nur als große Prüfung Gottes, der ihre Berufung auf die Probe stellte.

Es erscheint uns heute als Groteske? Kaum weniger groß ist aber doch auch heute so manches, was mit Alter und Reife zu tun hat. Wo man mit Altersgrenzen seltsam willkürlich und äußerst widersprüchlich umgesprungen wird. Denn für so manche Dinge werden Altersgrenzen nach unten gesetzt, die lieber oben blieben, und umgekehrt. Während nämlich heutiger Nachwuchs für so manches bereits alt genug ist, ist er beobachtbar immer später reif, was wirkliche Lebensentscheidungen betrifft, vornehmlich jene, die Konsequenzen haben: da fällt auf, daß mancher Menschen Biographien noch mit dreißig nicht begonnen haben (wo so viele historische Eckdatenproduzenten schon wieder am Verwelken waren - man denke nur an Alexander den Großen), diese sich immer noch im Maturafeierleben befinden, wo ihre existentielle Bilanz von Eltern und "dem Staat" stillschweigend ausgeglichen wird, sie Teil des Vollkasko-Systems sind, das über alle breit und fett geronnen ist.

Eher also will mir erscheinen, daß persönliche Reife zu ach so irrelevanten, rückständigen und vertrottelt-ungebildeten Vorzeiten weit früher erreicht war, als heute.

Vielleicht sitzt der arme Onkel (siehe Titelverlinkung) aber völlig unschuldig im Gefängnis. Weil das alles eine zarte, wundersame Liebe war, und ist, fernab von jedem ... Mißbrauch? Für welches Delikt der nächste zwei Türen weiter zu Recht einsitzt. Und vielleicht ist also die Eifrigkeit der offiziellen Stellen, die das Mädchen, Yvonne, im Krankenhaus der Stadt "therapieren" bzw. interniert haben, nicht nur für das Mädchen selbst unverständlich, sondern an sich ... grotesk?




*170909*