Man mag mit Recht viel Pathologisches hinter den meisten Verschwörungstheorien, und noch mehr hinter ihren Verfechtern, analysieren - in einem tragen sie alle aber einen Kern Wahrheit: es sind immer Menschen, die handeln. Und es ist oft erstaunlich simpel und "normal", welche menschlichen Regungen hinter oft so "großen" und weltweiten Erscheinungen stecken.
Schon oft habe ich an dieser Stelle meine Bemerkungen über facebook (und Konsorten) gemacht, und in diesem Punkt stimmt der Autor des
hier verlinkten Artikels aus dem
Guardian,
Tom Hodgkinson, mit mir überein: in der Ablehnung und in der Verachtung dieser Zeiterscheinung, über die hinlänglich hier geredet wurde.
Aber was nachdenklich macht, was Ahnungen plötzlich so konkret macht, was einem plötzlich nicht einfach Antipathie, sondern sogar Schauder über den Rücken jagt, sind so mache Fakten, die Hodgkinson anführt. Und die sich auf den zweiten Gründer von Facebook, Peter Thiel, ein Deutscher übrigens, beziehen.
Denn hier offenbart sich ein als "neokonservativ" bezeichneter Größenwahn, ein wahrer Machtrausch, der fast schockiert. Wer nach der Lektüre dieses Artikels immer noch glaubt, daß facebook (hier einmal ohne den verallgemeinernden Zusatz: und andere Seiten dieser Art) ein bloßes und harmloses Medium ist, das nur das macht, was man eben daraus macht, dem ist nicht mehr zu helfen.
Hier streben wirklich Menschen nach Macht, hier findet sich ein knallhart und immer härter durchdachtes Marketingkonzept, das mit der Schwäche, mit heutigen bedauerlichen Erscheinungen des Kulturverfalls auf brutalste Weise spielt. Denn die Macher von Facebook müssen tatsächlich kaum etwas machen: sie haben auf menschliche Schwächen gesetzt, die ihr Konzept wie von selbst, wie von Geisterhand geführt, aufgehen lassen. Ja, hier findet ein neu aufgewärmtes Konzept des Übermenschen seine Spielwiese.
Nach und nach werden sämtliche Lebensvorgänge, über eine bestimmte Art von Abhängigkeit und Hörigkeit, von dieser Form der Gruppenidentität durchdrungen bzw. damit in Zusammenhang gebracht. Der Mensch, der immer über seine Schwäche rational wirklich durschaubar, vor allem aber manipulierbar wird, wird zum Objekt gigantischer Geschäftsinteressen. Über eine "artificial intelligence", die sich auf eine allen Menschen überlegene Weise entwickeln will - und das auch zweifellos wird. Ein überdimensionaler Schachcomputer also, der sich wie dieser, sämtliche menschliche Züge nach und nach aneignet, bis er in seiner Fehlerlosigkeit jedem Menschen, der nicht gerade auf höchster Höhe seiner Kreativität und seines Selbstbesitzes ist, überlegen ist.
Hier wird erstmals das bislang noch so ungreifbare Gespenst der totalen Überwachung greifbar. Denn wir oft erlebt man, daß Menschen vor der totalen Datenerfassung keine Angst haben - weil ihnen gar nicht vorstellbar ist, wo sie von solcher Datenfülle gefährdet sein sollten.
Sie sind es. Sie sind es, weil sie eben über die Logizität der Schwäche - und jeder Mensch ist ein Ausbund an Schwäche, gerade heute! - Berechenbarkeit schaffen, die in diesem Fall, wo sie so weit in unsere alltägliche Kommunikation eingreift, ja diese "ersetzt" (!), und damit fast alle Lebensbereiche erfaßt. Sie verkommerzialisieren auf perfide Weise die Zwischenmenschlichkeit, und sie ziehen so die Menschen von den Grundlagen eines erfüllten Lebens weg: indem sie die Dinge nicht mehr sie selbst sein lassen, sondern sie nur noch in Hinblick auf ihre Verwertbarkeit - das läuft dann, als Mittel der Selbstverzweckung, auf jener, in einer der Sucht absolut vergleichbaren, auf jeden Fall tiefe weil existentielle Abhängigkeit (als immer mehr durch sich selbst steigernde Angst unverzichtbarer Identitätsfaktor) schaffenden Facebook-Plattform - "sammeln", und ausstellen, und keine anderen, wirklichen Lebensfaktoren mehr haben, die ihrem Leben Anker und Wirklichkeitsnahrung geben.
Das Ziel dieser Menschen ist Weltherrschaft, man kann es so formulieren ohne einer dubiosen, okkulten Weltverschwörungstheorie nachzulaufen, ohne zu übertreiben. Sie sitzen an jenen Hebeln, die zukünftig die Sprache, die Kommunikation zwischen den Menschen sehr weitgehend beherrschen, weil hier - im Verhalten wie der HIV: der per Zucker Eintritt in die Zelle erlangt, woraufhin er, eingedrungen, diese von innen heraus okkupiert - ein Menschenwerk die tägliche Kommunikation entführt.
Clearly, Facebook is another uber-capitalist experiment: can you make money out of friendship? Can you create communities free of national boundaries - and then sell Coca-Cola to them? Facebook is profoundly uncreative. It makes nothing at all. It simply mediates in relationships that were happening anyway.
Thiel's philosophical mentor is one René Girard of Stanford University, proponent of a theory of human behaviour called mimetic desire. Girard reckons that people are essentially sheep-like and will copy one another without much reflection.
[...] So by his own admission, Thiel is trying to destroy the real world, which he also calls "nature", and install a virtual world in its place, and it is in this context that we must view the rise of Facebook. Facebook is a deliberate experiment in global manipulation, and Thiel is a bright young thing in the neoconservative pantheon, with a penchant for far-out techno-utopian fantasies. Not someone I want to help get any richer.
Auffallend, zumindest das, ist auch die Deckungsgleichheit des Vorgehens von Facebook mit einem Verhalten, das im Artikel als Schema amerikanischen Imperialismus verglichen wird - freilich, auch im Artikel, ohne dem CIA (in alter 1968er Manier) auch das in die Schuhe zu schieben. Aber wenn Zuckerberg (Bild) ganz offen davon spricht, daß er Facebook so lebensalltäglich und -notwendig machen will wie das Telephon, das jeder bei sich trägt, dann kann und muß das auch in anderer Hinsicht gedeutet werden.
Or you might reflect that you don't really want to be part of this heavily-funded programme to create an arid global virtual republic, where your own self and your relationships with your friends are converted into commodites on sale to giant global brands. You may decide that you don't want to be part of this takeover bid for the world.
Natürlich ist alles das kein Grund, in Panik zu verfallen. Denn wer Facebook (etc.) kennt weiß, wie diese Verkommerzialisierung der Zwischenmenschlichkeit auch die Lüge hervortreibt wie eine Amaryllis im Wintergarten ihre Blätter. Und die Lüge wendet sich, irgendwann einmal, gegen ihre Herren, das ist so sicher wie das Amen im Gebet, und so lange das auch manchmal dauern mag. Aber der Schaden bis dorthin, und beim Platzen der Blase, könnte gigantisch sein: weil er Millionen, hunderte Millionen von Menschen direkt betrifft.
Sie sollten
diesen Artikel gelesen haben. Und ein Tip: lesen oder beantworten sie - noch einmal? unter diesem Gesichtspunkt? - auch die ganz realen Fragen, die (angeblich) aus den Nutzungsbedingungen von Facebook stammen.
*060510*