Die Webseiten der Deutschen Tageschau wie auch der Presse bringen einen Bericht über den mittlerweile zehnten Selbstmord eines Arbeiters auf dem Werksgelände des chinesischen Elektronikherstellers Foxconn.
Foxconn produziert mit seinen 400.000 Arbeitern, die der deutsche Bericht als "junge Leute bezeichnet, die in Maschinen verwandelt werden", kostengünstige Bauteile für nahezu alle weltweiten Elektronikkonzerne, von Dell (Computer) über Nokia (Handys) zu Apple (Computer) und Hewlett-Packard (Elektronik-Mischkonzern). Namen, die auch unseren Alltag nahtlos umgeben, Namen die auftauchen, wenn der nächste Saturn- oder Mediamarkt- oder sonstwas-Werbeschrei verkündet, daß es nun noch billiger, noch günstiger, noch geiler sei, dort sein Geld zu lassen und das Leben mit modernster Technik vollzuramschen. Mit Technik, kraft derer wir uns so vielen Menschen auf der Welt überlegen fühlen. Menschen wie diesen Chinesen, die es ja scheinbar zu ungezählten Millionen gibt ... (Der Konzern ist übrigens Taiwanesischer Herkunft.)
Zu einem überwiegenden Teil rekrutieren sich die Arbeiter in Shenzhen aus Söhnen und Töchtern von Bauern, die noch vor kurzer Zeit unter kaum vorstellbar harten Lebensbedingungen leben mußten und schwerste Arbeit bis zur Erschöpfung und Hunger "gewöhnt" seien - anders als die Jugend moderner Stadtbevölkerungen, die mit Handy und Internet aufwächst.
Die auf dem festungsähnlich verbarrikadierten Fabriksgelände verdienten Löhne reichten angeblich kaum zum allerknappesten Überleben in Shenzhou. Und auch das nur dann, wenn ungezählte Überstunden geleistet würden. Gleichzeitig erleben sich die Arbeiter als ausweglos ausgeliefert, entflochten aller sozialen Bindungen und Bezüge, rettungslos isoliert.
Dieser Bericht ist aber wohl nur eines der tatsächlich kaum zu zählenden, aber nur nebenher wahrgenommenen Beispiele, auf welchen Beinen unser Wohlstand - der doch wohl kaum mehr ist als Konsumquantitätsmaximierung - wirklich steht. Und wie die Kostenwahrheit verbogen werden muß, um noch von "freier Marktwirtschaft" zu sprechen.
Denn "die Zukunft" unserer Welt, die seit vielen Jahrzehnten in der ungehemmten Entwicklung von Technik in allen, wirklich allen Lebensbereichen gesehen wird, fordert das Opfer der einzigen Ressource, die die Welt hat - den Menschen. Im Namen dieses Fortschritts wird gnadenlos eine neue Opferschichte bestimmt, die auszubaden hat, was eine vorgebliche Mehrheit wünscht und braucht.
Das sind nicht nur immer billige Elektronikbauteile, das war längst die Lebensmittelproduktion, das war die Umwelt, und das waren auf andere Weise die Väter und damit die Grundstruktur der Gesellschaften und Staaten, die Familien, die längst ebenfalls entsorgt sind. Was dem Wahn der Modernität im Weg steht, wird niedergemetzelt.
DIESE Arbeiter aber sind es, deren niedrige Löhne das liefern, was wir längst überlebensnotwendig brauchen - Produktivitätssteigerungen. Um die Zinslast für unsere Kredite und Schulden zu tragen. Durch noch mehr Arbeit, durch noch höhere Technisierung und Sinnentleerung. Darauf baut jede Erwartung auf, daß wir die Lebenslast, deren wir uns hierzulande zu entledigen suchten, aufs Geld umwälzen können (und konnten), die Menschen weit weit weg - in China, dem Land der anonymen Menschenmassen, oder in dreißig Jahren von gleichfalls anonymen Menschenmassen - dann einzulösen, zu tragen haben.
Das ist die Wahrheit über die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung. Schopenhauer nennt es beim Namen: man nennt es Dummheit, wenn nicht Schwachsinnigkeit, Ursachen und Wirkungen nicht in einen Zusammenhang bringen zu können.
Nachtrag von 17.00 Uhr: Mittlerweile berichten die Zeitungen vom elften Selbstmord am Firmengelände, und von weiteren gescheiterten Selbstmordversuchen.
*270510*