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Freitag, 4. Februar 2011

Wer kontrolliert die Kontrolleure? - I

Gründer der nun bereits ins Werk gesetzten neuen "Enthüllungsplattform" OPENLEAKS, Daniel Domscheit-Berg, der ehemalige Sprecher von Wikileaks, meint im NZZ-Interview, daß es mit Julian Assange grundsätzliche Unterscheidungen gebe. Deshalb habe man sich getrennt. Assange nämlich habe ein Konzept vertreten, wo er selbst "Player" im internationalen Konzert politischer Macht sein wollte bzw. will. Im Rahmen einer solchen Enthüllungsplattform, wo viele Informationen zusammenliefen, entstehe nämlich selbstverständlich eine Menge Macht, was sich längst deutlich gezeigt habe.

OPENLEAKS aber wolle lediglich ein neutrales Werkzeug für Informationen einerseits, und deren Verwendung anderseits sein. Man wolle nicht selber tätig sein, sondern nur die Infrastruktur bieten.

Das mag wohl eine gewisse Ehrenwertigkeit haben, weil manche bei Wikileaks wohl sahen, was ihre Tätigkeit wirklich bedeuten konnte. Aber was Domscheit-Berg sagt klingt eher nach dem erschreckten Vonsichstoßen von Verantwortung, deren man sich mit einem Schlag bewußt wurde. Ist - und das macht es noch bedenklicher - kaum mehr als ein völliges Vernebeln perösnlicher Verantwortlichkeiten.

Denn ein "neutrales Medium" gibt es nicht. Zumindest muß jemand entscheiden, wer welche Informationen bekommt, um sie dann zu verwerten. Die Verantwortung wird also nur verwischt und verschoben. Und das soll Openleaks "moralisch" und damit gerechtfertigt machen.

Wie funktioniert Openleaks? Man kann, anders als bei Wikileaks, keine Dokumente aufladen oder zur Verfügung stellen, sondern über Openleaks wird zwischen Informant und den Verwertern dieser Informationen - Presse, Medien - lediglich der Kontakt hergestellt. Die Verantwortung wird also (versucht) auf den Informanten selbst zurückgereicht. Openleaks schützt die Quelle, indem es die technische Verwaltung übernimmt. Dazu gehört auch die "Reinigung" der Dokumente von Spuren, die den Informanten verraten könnten. Die gesammelten Informationen sollen (ohne Inhalt, nur strukturell) übersichtlich gemacht werden, sodaß allfällige Partner einschätzen können, wie sie damit arbeiten können.

Openleaks will sich nicht nur an "große" Dinge halten, sondern soll durchaus regionalen Charakter erhalten. Wenn also jemand in seiner Gemeinde unter Korruption zu leiden hat, soll er in Openleaks eine Anlaufstelle haben, die die Partner vermittelt, die diesen

Klartext: Eine riesige Denunziantenplattform, die alle gegebenen Strukturen - auch Rechtsstrukturen eines Landes, einer Region - überspringt, sie nach "internationalen" bzw. Openleaks-Kriterien umwertet, und sie genau dadurch aushebelt. Vor allem aber regionale Wertegefüge, ja jeden Organismus auflöst.

Die Folgen sind wohl den Herren nicht bewußt, die da die ganze Welt mit subversiver Guerilla-Taktik überziehen, bzw. in diesen Modus nahezu zwingen, weil Verteidigung aller gegen alle der nächste Schritt sein wird. Wo niemand mehr geschützt werden kann, wo alles alle zukünftig angeht, und wo damit das Ganze auf die Größe des kleinsten Horizonts schmilzt. Hier löst sich Solidarität völlig auf, wird jeder Organismus obsolet, werden Staatenlenker, oder auch nur Firmenchefs, oder ... Väter, zu Hampelmännern.

Eine Horrorvision der Lebensgestaltung, die auf uns zukommt, die ja teilweise ohnehin schon da ist, rückt damit immer näher!

Julian Assange wollte den Ansatz der Neutralität nicht (den ja auch Openleaks keineswegs bedeutet, Domscheit-Berg ist nur ein wenig skrupulöser, vorgeblich, aber um nichts besser, im Gegenteil: Sentimentalität als Werteboden ist nicht einmal mehr ehrlich - "Offenheit" heißt nämlich nicht "Wahrhaftigkeit"). Vielleicht war er Assange also nur einen Deut doch noch ehrenhafter, vielleicht sogar männlicher (in aller Komplexität, die Defizite an Männlichkeit in ihrer Suche von Macht, die ja Männlichkeit bringen, ersetzen soll, bedeuten). Er WOLLTE nämlich Macht, und er wollte sie wahrnehmen. Sein Konzept scheiterte (zumindest derzeit, wo er im Gefängnis sitzt), wo sein Machtwille Verantwortung denn doch auch gesucht hat.

Deren sich Openleaks nun völlig entledigen möchte.

Wer dem Openleaks-Gründer diese Viertelstunde zuhört, die die NZZ-Sondersendung dauert, muß sogar konstatieren, daß Domscheit-Berg - und er ist ja nur Symptom der Gegenwart - die Grenzen zur Paranoia zumindest teilweise bereits überschritten haben muß.

Den Sinn seiner Plattform beschreibt er z. B. damit, daß vermieden werden soll, daß "hinter verschlossenen Türen" Wirtschaftskrisen beschlossen würden. Wo immer sich zukünftig Macht weigert, "transparent" zu werden, soll es möglich sein, dies zu erzwingen, der die Moral (!) einfordert. (Als wäre Moral ein für allemal klar umschrieben oder überhaupt nur festlegbar, ohne Diskussion über den Bezug, die Wertequelle! Das zu glauben ist finsterster Totalitarismus eines dumpfen, aber zutiefst widersprüchlichen Zeitgeistes!)

Ist es wirklich so, daß alles "Geheime" auch böse ist? Sind wir umgeben von bösen Mächten, die Kontrolle brauchen, von den Regierten nämlich, die ja beurteilen können oder sollen (oder: wollen), was ihre Standpunkte eben genau übersteigt! Und übersteigen muß, sonst verfehlen sie ihre Lebensaufgabe. Gesellschaften gibt es eben nur hierarchisch, jeder Organismus ist hierarchisch. Wollen wirklich alle nur eines: Böses? Wie muß ein Mensch denken, der das von anderen voraussetzt? Dem würde ich keinen Meter mehr trauen ...

Es gäbe zwar, so Domscheit-Berg dann treuherzig, das "Recht auf Geheimhaltung", aber dem stehe ein "Recht auf Transparenz" gegenüber. (Worüber WER entscheidet? Die, die es ja gar nicht wissen dürften? Oder wird nicht einfach nur eine neue Machtinstanz eingeschoben, die denselben Gesetzen unterliegt, nur Moralität beansprucht, wie jene, die sie zu kontrollieren vorgibt? Wer kontrolliert also die Kontrolleure???)

Deshalb wolle Openleaks mit einer Reihe von Organisationen, NGOs, Medien zusammenarbeiten, um das im Einzelfall abzuwägen. Openleaks soll also eine Art "Demokratisierung der Verwendung der Informationsmacht" sein - nichts anderes. Das soll dann die moralische Rechtfertigung bieten.

Morgen Teil 2) Was steckt aber wirklich dahinter?

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