"Der Vorzug des Bestehenden ist schlicht, daß es besteht." So schreibt sinngemäß Michel de Montaigne in seinen Essays Mitte des 16. Jahrhunderts. Er lehnt den Protestantismus deshalb ab, weil um das Bestehende umzuwerfen ein Maß an Überzeugtheit notwendig ist, das ihm das Maß der Menschlichkeit längst zu überschreiten scheint. Es ist ihm suspekt, von derartiger Gewißheit ausgehen zu sollen, daß auch letzte Wahrheiten davon umgewälzt werden könnten. Religion ist ihm primär immer das Überkommene, ihm Gegebene. Es ist unmöglich, das Geglaubte letztlich zu definieren - umso mehr also auch, es zu hinterfragen. Aus demselben Grund ist ihm das Wüten der Gegenreformation suspekt und ablehnenswert. Montaigne war nie Parteigänger, egal welcher Parteiung. Das war für alle Seiten unverzeihlich an ihm - keine hat ihn vereinnahmt, er war keiner zuverlässig genug.
*061008*