Gerd Haffmann in einem Nachwort zu Gedichten von Gottfried Benn: "Wenn die Kunst einen Nutzen hat, dann, im Sinne eines allgemeinen Nützlichkeitswahns nutzlos zu sein. Die Wissenschaft hat sich vor den Karren der Pragmatiker schirren lassen. Die einzige Gegenwelt bleibt die Kunst. Anstatt nun mit Zähnen und Klauen diese Gegenwelt festzuhalten, beginnt die Kunst sich dieser Nutzlosigkeit zu schämen, und will nützlich werden, politisch werden, aufzeigen, verbessern. Also, das kann sie nur wenn sie nutzlos bleibt."
Wann wurde der Geist politisch? Benn: "Als der deutsche Idealismus vordrang, nach dem alles Wirkliche vernünftig war, also auch Kriege Erscheinungen und Ausdruck des Weltgeistes wurden. Kritik wurde Blasphemie am Weltgeist. Darwin verlieh den kämpfenden Haufen naturwissenschaftliche Fahnenbänder: Kampf ums Dasein -Auslese der Starken ... nun trat der Parademarsch neben den Satz vom Grunde. "Das Leben", "Die Wirklichkeit", "Der Starke" - identisch gesetzt mit Vernunft, in Durchdringung miteinander als "Gesetz", "Geschichte" zu idealistischer Philosophie, naturwissenschaftlichem Axiom, dithyrambischer Sonnen- und Gletschervision erhoben: Hegel, Darwin, Nietzsche -: sie wurden tatsächliche Todesursachen von vielen Millionen. Gedanken töten, Worte sind verbrecherischer als irgendein Mord."
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